ESG-Kriterien und steuerliche Verrechnungspreise
Steuerliche Bedeutung der Verrechnungspreise
Innerhalb einer internationalen Unternehmensgruppe spielen Verrechnungspreise eine zentrale Rolle für die Verteilung von Gewinnen und Verlusten zwischen den einzelnen Rechtseinheiten. Weil für gruppeninterne Liefer- und Leistungsbeziehungen die Preise nicht durch echte Verhandlungen am Markt entstehen, sondern zentral festgelegt werden können, bieten sie einerseits Gestaltungspotenzial und stehen andererseits unter besonderer Beobachtung durch die Finanzverwaltungen. Diese verlangen die Beachtung des Fremdvergleichsgrundsatzes; Preise sollen so ermittelt werden, wie dies üblicherweise zwischen fremden Dritten erfolgt. Die Umsetzung dieses Fremdvergleichsgrundsatzes erfordert die Implementierung eines Verrechnungspreissystems, das alle ausgeübten Funktionen, übernommenen Risiken und eingesetzten Vermögenswerte innerhalb der Wertschöpfungskette angemessen vergütet.
Wertschöpfungsketten verändern sich strukturell
Maßnahmen zur Umsetzung von ESG-Zielen (Environmental, Social, Governance) können die gesamte Wertschöpfungskette von Unternehmensgruppen betreffen und zu erheblichen Strukturveränderungen führen. Diese Veränderungen müssen ihren Niederschlag auch in Verrechnungspreissystemen finden. Der potenzielle Anpassungsbedarf ist hoch, was an einigen ausgewählten Beispielen deutlich wird:
- Kostenstrukturen können sich erheblich verändern, wie das Beispiel einer energieintensiven Produktion besonders deutlich macht. Am freien Markt müssen Produktionsunternehmen diese Kostensteigerungen an ihre Kunden weitergeben, innerhalb eines Konzerns gilt unter Fremdvergleichsgrundsätzen dasselbe. Je nach Ausmaß der Kosten- und Preissteigerungen stellt sich die Frage, ob bestimmte Produktionsschritte und -verfahren noch wirtschaftlich darstellbar sind.
- Unter Nachhaltigkeitsaspekten kann es geboten sein, einzelne Produktionsschritte, die bislang an externe Geschäftspartner ausgelagert waren, in das Unternehmen einzugliedern. Dies kann zu einer Aufwertung der Produktionsfunktion innerhalb der Unternehmensgruppe führen und muss sich folgerichtig auch in der Bepreisung der Produkte niederschlagen. Auch andere Funktionsbereiche (wie z.B. der Einkauf) können im Zuge der gebotenen Überwachung und Steuerung der Lieferketten eine andere wirtschaftliche Bedeutung erhalten, die sich wiederum auf die Preise für die entsprechenden Leistungen auswirken muss.
- Durch eine konsequente Umsetzung von ESG-Zielen können neue immaterielle Vermögenswerte entstehen oder bestehende Werte (wie z.B. Marken) deutlich an Wert gewinnen. Auf der anderen Seite droht etablierten Marken, Produkten und Geschäftsmodellen ein Wertverlust, wenn es nicht gelingt, diese im Hinblick auf eine Berücksichtigung von Nachhaltigkeitszielen weiterzuentwickeln. Diese Wertverschiebungen haben unmittelbare monetäre Auswirkungen, wenn die entsprechenden Vermögenswerte innerhalb einer Unternehmensgruppe verkauft oder zur Nutzung überlassen (lizenziert) werden.
- Maßnahmen zur Einhaltung von Nachhaltigkeitsvorgaben verursachen nicht unerhebliche Kosten, beispielsweise durch ein aktives Nachhaltigkeitsmanagement, ein ESG-Marketing oder die Erstellung und Prüfung von Nachhaltigkeitsberichten. Soweit die entsprechenden Aktivitäten an einer zentralen Stelle in der Unternehmensgruppe gebündelt werden, stellt sich die Frage nach einer Weiterverrechnung der entsprechenden Kosten. Eine solche Verrechnung ist insbesondere dann geboten, wenn alle Unternehmen in der Gruppe einen entsprechenden wirtschaftlichen Nutzen generieren, z.B. durch verkaufsfördernde Maßnahmen oder ersparte eigene Kosten.
- Auch bei der Finanzierung von Unternehmen – sei es über Kreditinstitute oder den öffentlichen Kapitalmarkt – spielen Nachhaltigkeitskriterien eine immer stärkere Rolle (ESG-Rating). Wenn dies bei Finanzierungen durch externe Partner so ist, müssen entsprechende Mechanismen auch für gruppeninterne Finanzierungen implementiert werden.
Bestehende Systeme auf den Prüfstand stellen!
Es ist geübte und von den Finanzverwaltungen weltweit geforderte Praxis, dass bei signifikanten Veränderungen in konzerninternen Liefer- und Wertschöpfungsketten auch die Parameter zur Ermittlung von Verrechnungspreisen angepasst werden müssen; bei sehr grundlegenden Strukturveränderungen sogar das gesamte Verrechnungspreissystem. Die Transformation von Unternehmen und die Veränderung ganzer Geschäftsmodelle im Hinblick auf verbesserte Nachhaltigkeit stellen in vielen Fällen eine fundamentale Veränderung dar. Es reicht daher nicht aus, nur einzelne Preise, Margen oder Kostenaufschläge bei der internen Preisbildung neu zu kalkulieren. Vielmehr sollte das gesamte Verrechnungspreissystem konzeptionell überdacht und an die veränderten Gegebenheiten angepasst werden. Dabei darf eine vollständige und aussagefähige Dokumentation nicht fehlen. Das Verrechnungspreisteam der dhpg steht Ihnen dabei gerne unterstützend zur Seite.
Blogserie „Nachhaltigkeit“
- Im ersten Teil unserer Blogserie zum Thema Nachhaltigkeit beschäftigen wir uns mit der erweiterten Verpflichtung zur Nachhaltigkeitsberichterstattung (Corporate Sustainability Reporting Directive – CSRD).
- Mit dem zweiten Teil halten wir Sie über die bis Juni 2022 aktuellen Entwicklungen der CSRD auf dem Laufenden.
- Im dritten Teil geben wir Ihnen einen Überblick über die bisher veröffentlichten Konsultationsentwürfe für EU-Berichtsstandards zur Nachhaltigkeit.
- Der vierte Teil informiert über das Inkrafttreten der CSRD.
- Im fünften Teil stellen wir das Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz vor.
- Der sechste Teil beschäftigt sich mit der finalen Verabschiedung der ersten europäischen Standards zur Nachhaltigkeitsberichterstattung durch die Europäische Kommission.
- Im siebten Teil erklären wir, was durch die EU-Taxonomie-Verordnung auf deutsche Unternehmen zukommt.
- Der achte Teil widmet sich den Verrechnungspreisen im Zusammenhang mit den ESG-Kriterien.
- Teil neun befasst sich mit den nach dem Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz verpflichteten Unternehmen und ihren Zulieferern.
- Der zehnte Teil enthält einen Quick Check, was für die Umsetzung der EU-Taxonomie-Verordnung notwendig ist.
- In Teil elf stellen wir Ihnen das EU-Renaturierungsgesetz vor.
- Die Wesentlichkeitsanalyse nach ESRS 1 ist Inhalt des zwölften Teils.
- In Teil 13 befassen wir uns mit der Ausweitung des Anwendungsbereichs der Nachhaltigkeitsberichterstattung auf Unternehmen der öffentlichen Hand.
- Die Verringerung der Berichtslast durch Übergangsbestimmungen zur Nachhaltigkeitsberichterstattung nach den ESRS ist Thema von Teil 14.
- Teil 15 befasst sich mit der Berichterstattung und Prüfung bei kommunalen Unternehmen.
- Die vorläufige politische Einigung zur Corporate Sustainability Due Diligence Directive (CSDDD) ist Thema von Teil 16.
- In Teil 17 geht es um die Auswirkungen der CSRD auf mittelständische Zulieferer.
- Mit Teil 18 stellen wir Ihnen die im Entwurf veröffentlichten Standards zur Nachhaltigkeitsberichterstattung für KMU vor.
- Den Referentenentwurf zum Gesetz zur Umsetzung der Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD) erläutern wir in Teil 19.
- Im Interview geben unsere Expert:innen einen Überblick über den aktuellen Stand der Vorbereitungen von Unternehmen auf den ersten Nachhaltigkeitsbericht (Teil 20).
- In Teil 21 geht es um das europaweit einheitliche elektronische Berichtsformat für Nachhaltigkeitsberichte nach der CSRD.
- Mit Teil 22 beleuchten wir, welche Vorteile ESG-Reporting-Tools bieten.
- Um neue Sorgfaltspflichten durch die EU-Entwaldungsverordnung geht es in Teil 23.
- Der Regierungsentwurf zum Gesetz zur Umsetzung der CSRD ist Gegenstand von Teil 24.