Nachhaltigkeitsberichterstattung: Europäische Kommission hat die ersten europäischen Standards final verabschiedet
Hintergrund
Nachdem die Europäische Kommission am 9.6.2023 den Entwurf des delegierten Rechtsakts veröffentlicht hatte, wurden am 31.7.2023 die finalen European Sustainability Reporting Standards (ESRS) Set 1 veröffentlicht. Diese sind von Unternehmen bei der Durchführung ihrer Nachhaltigkeitsberichterstattung anzuwenden. Die ESRS in dieser ersten Gruppe gelten branchenübergreifend für alle Unternehmen, die in den Anwendungsbereich der CSRD fallen.
Wesentliche Erleichterungen für Unternehmen
Im Vergleich zu den von der European Financial Reporting Advisory Group (EFRAG) am 22.11.2022 vorgelegten Standardentwürfen hat die Europäische Kommission die nachstehenden Änderungen vorgenommen. Ziel ist es, die Verhältnismäßigkeit sicherzustellen und die ordnungsgemäße Anwendung der Standards durch Unternehmen zu erleichtern:
- Umfassendere Anwendung des Grundsatzes der Wesentlichkeit: Nun unterliegen alle Standards sowie alle Angabepflichten und Datenpunkte der Wesentlichkeitsanalyse des Unternehmens. Ausnahmen sind die im ESRS 2 festgelegten Angabepflichten und Datenpunkte sowie die Angabepflichten in themenbezogenen Standards zu ESRS 2 IRO-1 (Beschreibung der Verfahren zur Ermittlung und Bewertung der wesentlichen Auswirkungen, Risiken und Chancen). Falls das Unternehmen den Klimawandel als nicht wesentlich bewertet, muss es die entsprechenden Schlussfolgerungen detailliert erläutern. Kommt das Unternehmen zu dem Schluss, dass Datenpunkte, die sich aus den in Anlage B des ESRS 2 aufgeführten EU-Rechtsvorschriften (SFDR, Pillar 3, Benchmark-Verordnung, EU-Klimagesetz) ergeben, nicht wesentlich sind, müssen solche Datenpunkte explizit als „nicht wesentlich“ angegeben und tabellarisch dargestellt werden.
- Schrittweise Einführung bestimmter Berichtspflichten: Durch zusätzliche Übergangsfristen für bestimmte Berichtsangaben sollen alle Unternehmen, die erstmals verpflichtend über ihre Nachhaltigkeit berichten müssen, Erleichterungen erfahren. Unternehmen mit weniger als 750 Mitarbeiter:innen können im Jahr der Erstanwendung der ESRS auf Angaben zu Scope-3-Treibhausgasemissionen und zur eigenen Belegschaft (ESRS S1) verzichten. In den ersten beiden Jahren sind auch Angaben zu Biodiversität (ESRS E4), zu in der Wertschöpfungskette tätigen Beschäftigten (ESRS S2), betroffenen Gemeinschaften (ESRS S3) sowie zu Verbraucher:innen und Endverbraucher:innen (ESRS S4) verzichtbar. Alle Unternehmen können im ersten Jahr auf die Angaben zu erwarteten finanziellen Auswirkungen im Zusammenhang mit nicht klimabezogenen Umweltproblemen und auf die Angabe bestimmter Datenpunkte in Bezug auf ihre eigene Belegschaft verzichten.
- Freiwillige Datenpunkte: Die Europäische Kommission hat weitere Datenpunkte als freiwillig eingestuft. Dabei handelt es sich z.B. um Angaben über einen Übergangsplan zur biologischen Vielfalt, bestimmte Metriken über Selbstständige und Leiharbeiter:innen in der eigenen Belegschaft und die Erläuterung, warum das Unternehmen bestimmte Nachhaltigkeitsaspekte als nicht wesentlich einstuft.
- Weitere Flexibilität: Unternehmen haben z.B. mehr Flexibilität bei den Angabepflichten in Bezug auf die finanziellen Auswirkungen von Nachhaltigkeitsrisiken und der Zusammenarbeit mit Stakeholdern sowie im Rahmen des sogenannten Wesentlichkeitsvorbehalts.
- Interoperabilität mit globalen Standardsetzungsinitiativen: Die finalen Standards berücksichtigen auch die Ergebnisse aus der Zusammenarbeit mit dem International Sustainability Standards Board (ISSB) und der Global Reporting Initiative (GRI), um ein hohes Maß an Interoperabilität mit den ESRS sicherzustellen.
Wie geht es weiter?
Nach der formellen Übermittlung durch die EU-Kommission haben sowohl das Europäische Parlament als auch der Rat zwei Monate Zeit, um Einwände gegen den delegierten Rechtsakt zu erheben. Der Rechtsakt kann nur insgesamt abgelehnt werden, Änderungen sind nicht mehr möglich. Werden vor Fristablauf keine Einwände erhoben, tritt er drei Tage nach Veröffentlichung im EU-Amtsblatt in Kraft.
Das Set 1 der ESRS gilt für Unternehmen, die bisher schon zur nicht finanziellen Berichterstattung verpflichtet waren, für das Geschäftsjahr 2024. Alle anderen großen Unternehmen müssen die ESRS erstmals für das Geschäftsjahr 2025 anwenden. Bis Juni 2024 wird erwartet, dass die Europäische Kommission weitere delegierte Rechtsakte für sektorspezifische Standards, skalierte Standards für börsennotierte KMU sowie Standards für Nicht-EU-Unternehmen erlassen wird.
Blogserie „Nachhaltigkeit“
- Im ersten Teil unserer Blogserie zum Thema Nachhaltigkeit beschäftigen wir uns mit der erweiterten Verpflichtung zur Nachhaltigkeitsberichterstattung (Corporate Sustainability Reporting Directive – CSRD).
- Mit dem zweiten Teil halten wir Sie über die bis Juni 2022 aktuellen Entwicklungen der CSRD auf dem Laufenden.
- Im dritten Teil geben wir Ihnen einen Überblick über die bisher veröffentlichten Konsultationsentwürfe für EU-Berichtsstandards zur Nachhaltigkeit.
- Der vierte Teil informiert über das Inkrafttreten der CSRD.
- Im fünften Teil stellen wir das Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz vor.
- Der sechste Teil beschäftigt sich mit der finalen Verabschiedung der ersten europäischen Standards zur Nachhaltigkeitsberichterstattung durch die Europäische Kommission.
- Im siebten Teil erklären wir, was durch die EU-Taxonomie-Verordnung auf deutsche Unternehmen zukommt.
- Der achte Teil widmet sich den Verrechnungspreisen im Zusammenhang mit den ESG-Kriterien.
- Teil neun befasst sich mit den nach dem Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz verpflichteten Unternehmen und ihren Zulieferern.
- Der zehnte Teil enthält einen Quick Check, was für die Umsetzung der EU-Taxonomie-Verordnung notwendig ist.
- In Teil elf stellen wir Ihnen das EU-Renaturierungsgesetz vor.
- Die Wesentlichkeitsanalyse nach ESRS 1 ist Inhalt des zwölften Teils.
- In Teil 13 befassen wir uns mit der Ausweitung des Anwendungsbereichs der Nachhaltigkeitsberichterstattung auf Unternehmen der öffentlichen Hand.
- Die Verringerung der Berichtslast durch Übergangsbestimmungen zur Nachhaltigkeitsberichterstattung nach den ESRS ist Thema von Teil 14.
- Teil 15 befasst sich mit der Berichterstattung und Prüfung bei kommunalen Unternehmen.
- Die vorläufige politische Einigung zur Corporate Sustainability Due Diligence Directive (CSDDD) ist Thema von Teil 16.
- In Teil 17 geht es um die Auswirkungen der CSRD auf mittelständische Zulieferer.
- Mit Teil 18 stellen wir Ihnen die im Entwurf veröffentlichten Standards zur Nachhaltigkeitsberichterstattung für KMU vor.
- Den Referentenentwurf zum Gesetz zur Umsetzung der Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD) erläutern wir in Teil 19.
- Im Interview geben unsere Expert:innen einen Überblick über den aktuellen Stand der Vorbereitungen von Unternehmen auf den ersten Nachhaltigkeitsbericht (Teil 20).
- In Teil 21 geht es um das europaweit einheitliche elektronische Berichtsformat für Nachhaltigkeitsberichte nach der CSRD.
- Mit Teil 22 beleuchten wir, welche Vorteile ESG-Reporting-Tools bieten.
- Um neue Sorgfaltspflichten durch die EU-Entwaldungsverordnung geht es in Teil 23.
- Der Regierungsentwurf zum Gesetz zur Umsetzung der CSRD ist Gegenstand von Teil 24.