Einigung über ein europäisches Gesetz zur Wiederherstellung der Natur (EU-Renaturierungsgesetz)
Hintergrund
Der Rat der Europäischen Union (EU), Vertreter des EU-Parlaments und die Umweltminister:innen der 27 Mitgliedstaaten haben am 10.11.2023 eine vorläufige politische Einigung über das EU-Renaturierungsgesetz (EU Nature Restoration Law) erreicht. Das Gesetz stellt einen zentralen Bestandteil des europäischen Green Deals dar, der richtungsweisende Vorschläge zur Wiederherstellung der Natur in Europa, zur Halbierung der Verwendung von Pestiziden bis 2030 und die Verpflichtung zur Klimaneutralität bis 2050 beinhaltet.
Laut Angaben der EU sind etwa 80 % der Lebensräume innerhalb der Europäischen Union in einem bedenklichen Zustand. Darüber hinaus sind 10 % der Wildbienen- und Schmetterlingsarten vom Aussterben bedroht und 70 % der Böden befinden sich in einem ungesunden Zustand.
Der Vorschlag für das Renaturierungsgesetz zielt darauf ab, bis 2030 mindestens 20 % der Land- und Meeresflächen und bis 2050 alle sanierungsbedürftigen Ökosysteme der EU wiederherzustellen. Um dieses Ziel zu erreichen, werden für jedes der aufgelisteten Ökosysteme – von landwirtschaftlichen Flächen und Wäldern bis hin zu Meeres-, Süßwasser- und städtischen Ökosystemen – spezifische, rechtsverbindliche Ziele und Verpflichtungen festgelegt. Es sollen unter anderem Wälder aufgeforstet, Moore wiedervernässt und Flüsse in ihren natürlichen Zustand zurückversetzt werden.
Inhalt des EU-Renaturierungsgesetzes
Das Gesetz soll alle EU-Mitgliedstaaten dazu verpflichten, bis 2030 Maßnahmen zur Renaturierung von mindestens 30 % der zerstörten Ökosysteme zu ergreifen und die Natur wieder in einen guten ökologischen Zustand zu versetzen. Die Mitgliedstaaten müssen außerdem Maßnahmen zur Wiederherstellung von mindestens 60 % der Lebensräume in schlechtem Zustand bis 2040 und von mindestens 90 % bis 2050 festlegen. Weiterhin verpflichten sich die Mitgliedstaaten, eine erhebliche Verschlechterung von Ökosystemen zu verhindern, die sich bereits in einem schlechten Zustand befinden. Nicht zuletzt soll auch dem drastischen Rückgang von wild lebenden Insektenbestäubern entgegengewirkt werden. Der Gesetzentwurf sieht vor, dass die Mitgliedstaaten Maßnahmen ergreifen, um den Rückgang der Bestäuberpopulationen bis spätestens 2030 umzukehren. Das Gesetz baut auf bereits bestehenden Rechtsvorschriften auf, beschränkt sich allerdings nicht nur auf die Erholung von Naturschutzgebieten, sondern bezieht das gesamte Ökosystem mit ein.
Des Weiteren sollen spezifische Governance-Vorschriften für die Politik in Bezug auf Überwachung, Bewertung, Planung, Berichterstattung und Durchsetzung folgen. Zusätzlich wurde festgelegt, dass die Mitgliedstaaten der EU-Kommission jährlich ausführliche Fortschritts- und Durchführungsberichte vorlegen müssen.
Bezug auf den Berichtsstandard zu biologischer Vielfalt und Ökosystemen
Auch für Unternehmen, die der Pflicht zur Nachhaltigkeitsberichterstattung unterliegen, ist das Thema von zentraler Bedeutung. Der Berichtsstandard ESRS E4 bestimmt die Berichtspflichten zu den Auswirkungen unternehmerischen Handelns auf die biologische Vielfalt und die Ökosysteme. Dabei sind im Standard als wichtige Unterthemen die direkten Ursachen des Biodiversitätsverlusts, die Auswirkungen des Unternehmens auf den Zustand der Arten, den Umfang und den Zustand von Ökosystemen sowie Auswirkungen und Abhängigkeiten von Ökosystemdienstleistungen (z.B. Bestäuber) angegeben. Ebendiese Aspekte sollen durch das EU-Renaturierungsgesetz positiv beeinflusst werden.
Ausblick
Der Gesetzentwurf wird nun den Vertreter:innen der Mitgliedstaaten im Europäischen Rat und dem Umweltausschuss des Parlaments zur Billigung vorgelegt. Wird der Text gebilligt, muss er förmlich durch das EU-Parlament und den Europäischen Rat angenommen werden, bevor die Verordnung – nach Veröffentlichung im EU-Amtsblatt – in Kraft treten kann. Eine Umsetzung in nationales Recht ist nicht erforderlich, die Verordnung gilt in den EU-Mitgliedstaaten unmittelbar. Mit der förmlichen Verabschiedung der Verordnung wird noch vor den Wahlen zum Europäischen Parlament im Juni 2024 gerechnet.
Die Nachhaltigkeitsexpert:innen der dhpg unterstützen Sie im Rahmen Ihrer Wesentlichkeitsanalyse nach CSRD gerne im Hinblick auf die Frage, ob die Themen Biodiversität und Ökosysteme für Ihr Unternehmen von Bedeutung sind.
Blogserie „Nachhaltigkeit“
- Im ersten Teil unserer Blogserie zum Thema Nachhaltigkeit beschäftigen wir uns mit der erweiterten Verpflichtung zur Nachhaltigkeitsberichterstattung (Corporate Sustainability Reporting Directive – CSRD).
- Mit dem zweiten Teil halten wir Sie über die bis Juni 2022 aktuellen Entwicklungen der CSRD auf dem Laufenden.
- Im dritten Teil geben wir Ihnen einen Überblick über die bisher veröffentlichten Konsultationsentwürfe für EU-Berichtsstandards zur Nachhaltigkeit.
- Der vierte Teil informiert über das Inkrafttreten der CSRD.
- Im fünften Teil stellen wir das Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz vor.
- Der sechste Teil beschäftigt sich mit der finalen Verabschiedung der ersten europäischen Standards zur Nachhaltigkeitsberichterstattung durch die Europäische Kommission.
- Im siebten Teil erklären wir, was durch die EU-Taxonomie-Verordnung auf deutsche Unternehmen zukommt.
- Der achte Teil widmet sich den Verrechnungspreisen im Zusammenhang mit den ESG-Kriterien.
- Teil neun befasst sich mit den nach dem Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz verpflichteten Unternehmen und ihren Zulieferern.
- Der zehnte Teil enthält einen Quick Check, was für die Umsetzung der EU-Taxonomie-Verordnung notwendig ist.
- In Teil elf stellen wir Ihnen das EU-Renaturierungsgesetz vor.
- Die Wesentlichkeitsanalyse nach ESRS 1 ist Inhalt des zwölften Teils.
- In Teil 13 befassen wir uns mit der Ausweitung des Anwendungsbereichs der Nachhaltigkeitsberichterstattung auf Unternehmen der öffentlichen Hand.
- Die Verringerung der Berichtslast durch Übergangsbestimmungen zur Nachhaltigkeitsberichterstattung nach den ESRS ist Thema von Teil 14.
- Teil 15 befasst sich mit der Berichterstattung und Prüfung bei kommunalen Unternehmen.
- Die vorläufige politische Einigung zur Corporate Sustainability Due Diligence Directive (CSDDD) ist Thema von Teil 16.
- In Teil 17 geht es um die Auswirkungen der CSRD auf mittelständische Zulieferer.
- Mit Teil 18 stellen wir Ihnen die im Entwurf veröffentlichten Standards zur Nachhaltigkeitsberichterstattung für KMU vor.
- Den Referentenentwurf zum Gesetz zur Umsetzung der Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD) erläutern wir in Teil 19.
- Im Interview geben unsere Expert:innen einen Überblick über den aktuellen Stand der Vorbereitungen von Unternehmen auf den ersten Nachhaltigkeitsbericht (Teil 20).
- In Teil 21 geht es um das europaweit einheitliche elektronische Berichtsformat für Nachhaltigkeitsberichte nach der CSRD.
- Mit Teil 22 beleuchten wir, welche Vorteile ESG-Reporting-Tools bieten.
- Um neue Sorgfaltspflichten durch die EU-Entwaldungsverordnung geht es in Teil 23.
- Der Regierungsentwurf zum Gesetz zur Umsetzung der CSRD ist Gegenstand von Teil 24.