Aktuelle Erkenntnisse und Fragen zur Nachhaltigkeitsberichterstattung

 

Corinna Kaufhold und Thomas Bernhardt sprechen im Interview über den Stand der Vorbereitungen von Unternehmen auf den ersten CSRD-konformen Nachhaltigkeitsbericht und ihre Erkenntnisse aus durchgeführten oder von ihnen geprüften Wesentlichkeitsanalysen. Zudem geben sie ein Update über den Stand der Umsetzung der Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD) in deutsches Recht sowie die politischen Entwicklungen zum europäischen Lieferkettengesetz.

Sind die Unternehmen inzwischen auf die neuen Anforderungen an die Nachhaltigkeitsberichterstattung vorbereitet?

Bernhardt: Das Bild ist derzeit sehr heterogen, einige Unternehmen sind schon sehr weit mit den Vorbereitungen auf dem Weg zu ihrem ersten CSRD-konformen Nachhaltigkeitsbericht – andere Unternehmen sind gerade erst mit ihren Vorbereitungen gestartet. Einige wenige haben noch gar nichts in Richtung des ab dem Berichtsjahr 2025 verpflichtenden Nachhaltigkeitsberichts unternommen. Für diese Unternehmen wird es nun sportlich, denn die Umsetzung der CSRD-Berichtspflicht braucht Zeit. 

Was raten Sie Unternehmen, um noch rechtzeitig die Nachhaltigkeitsberichterstattung nach der CSRD umsetzen zu können?

Kaufhold: Sofern noch nicht geschehen, sollten Unternehmen so schnell wie möglich mit der doppelten Wesentlichkeitsanalyse starten. Die Wesentlichkeitsanalyse ist das Herzstück der European Sustainability Reporting Standards (ESRS) und nicht selten auch der Schlüssel hin zu einer effizienten Berichterstattung mit Fokus auf die wesentlichsten Nachhaltigkeitsaspekte eines Unternehmens. Daneben dürfen die betroffenen Unternehmen nicht vergessen, sich mit der EU-Taxonomie auseinanderzusetzen. Ein Thema, das häufig erst einmal nicht im Fokus steht, aber aufgrund seiner Komplexität im Rahmen der Vorbereitungen nicht vernachlässigt werden sollte. 

Welche Erkenntnisse haben Sie aus den bisher durchgeführten oder den von Ihnen geprüften Wesentlichkeitsanalysen gewonnen?

Bernhardt: Das ist eine spannende Frage. Eine Erkenntnis ist sicherlich, dass die Vorgaben zur doppelten Wesentlichkeitsanalyse nicht immer eindeutig sind. Aufgrund der bislang noch fehlenden Kommentierungen ergeben sich immer wieder Auslegungsfragen zum Vorgehen insgesamt oder zu Einzelsachverhalten. Hilfreich sind hier die ergänzende Verlautbarung der European Financial Reporting Advisory Group (EFRAG) zur Wesentlichkeitsanalyse und die ersten Veröffentlichungen von Erläuterungen zu den ESRS, anhand derer sich die eine oder andere Frage beantworten lässt. Aufgrund dieser Unsicherheiten und der zentralen Bedeutung der Wesentlichkeitsanalyse für das gesamte CSRD-Umsetzungsprojekt empfehlen wir, die Wesentlichkeitsanalyse mithilfe fachkundiger Beraterinnen und Berater durchzuführen, insbesondere dann, wenn intern nur geringe Personalressourcen zur Verfügung stehen. Sicherheit über das richtige Vorgehen bringt eine projektbegleitende Prüfung durch die Abschlussprüferin bzw. den Abschlussprüfer. 

Aktuell wird in den Nachrichten viel über teils beunruhigende Klimaszenarien berichtet. Welche Bedeutung haben Klimarisikoanalysen für die Nachhaltigkeitsberichterstattung? 

Kaufhold: Klimarisikoanalysen spielen eine zentrale Rolle in der Nachhaltigkeitsberichterstattung. Unternehmen müssen die potenziellen Auswirkungen des Klimawandels auf ihr Geschäftsmodell und ihre Wirtschaftsaktivitäten bewerten. Diese Analysen dienen dazu, Risiken zu identifizieren, zu bewerten und Strategien zur Risikominderung zu entwickeln. Die ESRS sowie die EU-Taxonomie definieren detaillierte Berichtsanforderungen zu physischen und transitorischen Risiken sowie deren Management.

Eine neue Klimastudie verwendet das Wort Megadürren. Werden wir uns an solche neuen Begriffe als Ausdruck des Klimawandels gewöhnen müssen?

Bernhardt: Die neue Klimastudie der European Environment Agency warnt vor Megadürren in Europa. Der Begriff „Megadürren“ klingt für mich zunächst unvorstellbar, denn Dürre allein ist bereits ein Extrem. Megadürren als Verschärfung eines Extrems? Die Meteorologinnen und Meteorologen bezeichnen die Studie als einen Weckruf, der uns von der Diskussion des 1,5- oder 2-Grad-Ziels wegbringt und stattdessen die Frage aufwirft, was der Klimawandel konkret für uns vor Ort bedeutet. Für Europa prognostiziert die Studie eine Erwärmung von 6 bis 7 Grad und in den Sommermonaten sogar bis zu 49 Grad Celsius in Deutschland. Die Studie zeigt aber auch Lösungen auf, wie den Schutz vor den Risiken des Klimawandels durch nachhaltige Landwirtschaft, nachhaltiges Wassermanagement, den Erhalt biologischer Vielfalt und die Verbesserung der Bodenqualität. Unternehmen sollten diese Erkenntnisse bei ihrer Analyse der klimabedingten Risiken berücksichtigen.

Wie ist der Stand der Umsetzung der CSRD in deutsches Recht? 

Kaufhold: Nach langem Warten hat das Bundesministerium der Justiz (BMJ) am 22.3.2024 den Referentenentwurf eines Gesetzes zur Umsetzung der CSRD in nationales Recht veröffentlicht, wir berichten hierzu in unserer Blogserie Nachhaltigkeit. Die CSRD, die am 5.1.2023 in Kraft getreten ist, verpflichtet Deutschland und die anderen EU-Mitgliedstaaten dazu, die neuen Anforderungen an die Nachhaltigkeitsberichterstattung innerhalb von 18 Monaten in nationales Recht zu überführen. Dies erfordert insbesondere Änderungen im deutschen Handelsrecht (HGB). Die Umsetzung in deutsches Recht muss bis spätestens Juli 2024 erfolgen. 

Eine letzte Frage: Wie steht es um das europäische Lieferkettengesetz, die CSDDD?

Bernhardt: Im Dezember 2023 haben sich das Europäische Parlament und der Rat der Europäischen Union vorläufig auf ein europäisches Lieferkettengesetz geeinigt. Mit dem geplanten EU-Lieferkettengesetz sollen Unternehmen, die in der EU tätig sind, zur Einhaltung von Sorgfaltspflichten im Hinblick auf den Schutz von Menschenrechten und Umwelt in ihrer Aktivitätenkette verpflichtet werden.

Nachdem es erst kürzlich nach einem Scheitern der Richtlinie im Europäischen Parlament aussah, haben die EU-Mitgliedsstaaten am 15.3.2024 einem Kompromisstext zur CSDDD zugestimmt. Der Kompromiss weicht von der vorläufig erzielten politischen Einigung ab, insbesondere wurde der Anwendungsbereich auf große Unternehmen mit mehr als 1.000 Arbeitnehmende und mindestens 450 Mio. € Umsatzerlösen deutlich reduziert. Zulieferer werden unverändert mittelbar betroffen sein, indem sie durch die verpflichteten Unternehmen zur Einhaltung der menschenrechtlichen und umweltbezogenen Pflichten angehalten werden. Der Kompromisstext muss noch durch die europäischen Institutionen verabschiedet werden, es bleibt also spannend. 

 

Blogserie „Nachhaltigkeit“

Thomas Bernhardt

Wirtschaftsprüfer, Steuerberater

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Corinna Kaufhold

Wirtschaftsprüferin

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