Verwaltungsgrundsätze Verrechnungspreise 2023 veröffentlicht

 

Am 6.6.2023 hat das Bundesministerium der Finanzen (BMF) auf seiner Website neue Verwaltungsgrundsätze Verrechnungspreise 2023 – Grundsätze für die Korrektur von Einkünften gemäß § 1 AStG veröffentlicht. Nach weniger als zwei Jahren lösen diese das Vorgängerschreiben (Verwaltungsgrundsätze Verrechnungspreise vom 14.7.2021) ab (Blogbeitrag vom 11.8.2021). Eine Änderung der Verwaltungsgrundsätze war erforderlich, um folgende Punkte zu berücksichtigen:

  • zwischenzeitliche Änderungen im § 1 AStG,
  • Neufassung der Funktionsverlagerungsverordnung (Blogbeitrag vom 15.9.2022),
  • Neuauflage der OECD-Verrechnungspreisrichtlinien und
  • Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs zur Bestimmung fremdüblicher Darlehenszinsen (Blogbeitrag vom 26.10.2021) und zu Teilwertabschreibungen auf im Konzern begebene Darlehen (Blogbeitrag vom 14.6.2021).

OECD-Verrechnungspreisrichtlinien wurden integriert

Die neuen Verwaltungsgrundsätze beeindrucken zunächst durch ihren bloßen Umfang, da das Dokument mehr als 800 Seiten umfasst. Allerdings sind die nationalen Verwaltungsgrundsätze auf 45 Seiten beschränkt. Der verbleibende Umfang entfällt auf die Anlagen, die Rechenbeispiele zu Funktionsverlagerungen (Anlage 3), ein Glossar wichtiger steuerlicher Begriffe (Anlage 2) sowie insbesondere die vollständige deutsche Fassung der OECD-Verrechnungspreisrichtlinien 2022 (Anlage 1) enthalten.

Mit der kompletten Übernahme der OECD-Richtlinie setzt die deutsche Finanzverwaltung eine Entwicklung der vergangenen Jahre fort, in der schon häufiger nationale Regelungen zugunsten einer Bezugnahme auf OECD-Verlautbarungen aufgehoben wurden (z.B. zu Umlageverträgen). Diese Entwicklung ist grundsätzlich positiv zu bewerten, birgt aber auch Risiken: Einerseits dürfte der möglichst weitgehende Verzicht auf nationale Sonderregelungen der deutschen Finanzverwaltung mehr Möglichkeiten einräumen, spätestens im Rahmen eines Verständigungsverfahrens eine Einigung mit der ausländischen Steuerbehörde zu erzielen. Andererseits könnten aber auch gerade die oftmals sehr allgemein und offen gehaltenen Ausführungen in den OECD-Richtlinien zu neuen Streitpunkten in Betriebsprüfungen führen. Zudem macht die Finanzverwaltung deutlich, dass sie die OECD-Richtlinien wohl in ihrer jeweils gültigen Fassung zur Auslegung des Fremdvergleichsgrundsatzes zurate zieht – und bekennt sich damit wiederholt zu der in der Fachwelt nicht unumstrittenen dynamischen Auslegung rechtlicher Normen. 

Streitthema 1: Funktionsverlagerungen

Spätestens seit Einführung einer gesetzlichen Regelung im Jahr 2008 hat sich das Thema Funktionsverlagerungen zu einem zentralen Streitpunkt in Betriebsprüfungen entwickelt. Die gesetzliche Regelung (inzwischen in § 1 Abs. 3b AStG verankert) wird durch eine Rechtsverordnung (Funktionsverlagerungsverordnung – FVerlV) ergänzt. Zur Auslegung dieser Normen hatte die Finanzverwaltung bislang in einem eigenen BMF-Schreiben (Verwaltungsgrundsätze Funktionsverlagerung vom 13.10.2010) Stellung genommen. Die Neufassungen von § 1 Abs. 3b AStG sowie FVerlV werden nunmehr in den allgemeinen Verwaltungsgrundsätzen Verrechnungspreise 2023 behandelt und bilden dort ein eigenes Kapitel.

Inhaltlich bieten die Ausführungen wenig Überraschungen. Allerdings füllen sie bedauerlicherweise auch nicht die Lücken, die durch die Neufassung der FVerlV und die damit verbundene Aufhebung bestimmter Erleichterungen verbunden waren. So fehlen beispielsweise Aussagen zu

  • einer Abgrenzung der Funktionsverlagerung von einer bloßen Auslagerung von Wirtschaftsgütern und Dienstleistungen ins Ausland,
  • einem Verzicht auf eine Transferpaketbewertung bei der Verlagerung von Routinefunktionen,
  • einer möglichen Ausgestaltung als Nutzungsüberlassung (Lizenz) bei Zweifeln, ob eine Überlassung oder eine Übertragung gewollt war,
  • einer Bagatellgrenze bei Funktionsverdoppelungen, die in dem Vorgängerschreiben noch enthalten war,
  • dem erforderlichen Nachweis für einen begrenzten Kapitalisierungszeitraum bei der Bewertung einer Funktion.

Streitthema 2: Finanzierungsbeziehungen

Die Ermittlung eines fremdüblichen Zinssatzes für konzerninterne Darlehen hat zuletzt auch häufiger die Finanzgerichte beschäftigt und neue höchstrichterliche Rechtsprechung hervorgebracht. Das BMF-Schreiben berücksichtigt diese Rechtsprechung, indem beispielsweise sowohl eine Besicherung als auch eine Nichtbesicherung von Darlehen als fremdüblich anerkannt werden oder für die Bonität grundsätzlich nur die Verhältnisse des jeweiligen Darlehensnehmers, nicht hingegen des Gesamtkonzerns berücksichtigt werden sollen. An anderen Stellen hält das BMF dagegen an seiner bisherigen Sichtweise trotz gegenteiliger Auffassung des Bundesfinanzhofs fest: So soll neben der Preisvergleichsmethode auch in bestimmten Fällen die Kostenaufschlagsmethode zur Zinsbestimmung anwendbar sein. Zudem vertritt die Finanzverwaltung auch weiterhin den Standpunkt, dass ausländische Finanzierungsgesellschaften, die das Risiko von Konzernfinanzierungen nicht kontrollieren können, für die Hingabe von Kapital nur eine risikolose Rendite verlangen dürfen.

Anwendung auf alle offenen Fälle

Mit der Veröffentlichung der neuen Verwaltungsgrundsätze Verrechnungspreise 2023 werden weitere ältere Verlautbarungen aufgehoben. Mit Ausnahme der Regelungen zur Funktionsverlagerung soll das Schreiben auf alle offenen Fälle anzuwenden sein. Für Funktionsverlagerungen, die vor dem 1.1.2022 verwirklicht werden, sollen die Verwaltungsgrundsätze Funktionsverlagerung von 2010 weiterhin Anwendung finden. Ob durch die Neufassung die Praxis im Hinblick auf die Prüfung von Verrechnungspreisen eine materielle Änderung erfährt, werden wohl erst die Erfahrungen in den kommenden Jahren zeigen.

BMF-Schreiben vom 6.6.2023: Verwaltungsgrundsätze Verrechnungspreise 2023 – Grundsätze für die Korrektur von Einkünften gemäß § 1 AStG

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Benno Lange

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