Entwaldungsfreie Lieferketten – neue Sorgfaltspflichten durch EU-Entwaldungsverordnung
Hintergrund
Die EU-Verordnung zu entwaldungsfreien Lieferketten (EUDR) ist am 30.6.2023 in Kraft getreten. Die EUDR verbietet das Inverkehrbringen oder die Ausfuhr von bestimmten Produkten in den bzw. aus dem EU-Binnenmarkt, die nicht bestimmten Legalitäts- und Nachhaltigkeitsanforderungen entsprechen. Die Verordnung soll so weltweit zur Reduzierung von Entwaldung und Waldschädigung beitragen.
Die Hauptursache für globale Entwaldung und Waldschädigung ist die Ausweitung landwirtschaftlicher Nutzflächen, die mit der Produktion von Rohstoffen, insbesondere Soja, Rindfleisch, Palmöl, Holz, Kautschuk, Kakao und Kaffee verbunden ist. Unternehmen, die diese Rohstoffe oder bestimmte daraus produzierte Erzeugnisse wie Leder, Schokolade und Möbel (Anhang I EUDR) in die EU einführen, aus der EU ausführen oder mit diesen innerhalb der EU handeln, müssen sicherstellen, dass für deren Produktion seit dem 31.12.2020 keine Entwaldung (Umwandlung in landwirtschaftliche Nutzfläche) stattgefunden hat. Weiterhin müssen sie nachweisen können, dass im Rahmen der Erzeugung die vor Ort geltenden Rechtsvorschriften einschließlich der Achtung der Menschenrechte und der Rechte betroffener indigener Völker eingehalten worden sind. Eine entsprechende Sorgfaltserklärung ist vorzulegen.
Mit der Verordnung werden ab dem 30.12.2024 bilanzrechtlich mittelgroße und große Unternehmen verpflichtet, die nachfolgend genannten produktspezifischen Sorgfaltspflichten zu erfüllen. Ab dem 30.6.2025, fallen auch bilanzrechtliche Klein- und Kleinstunternehmen in den Anwendungsbereich der EUDR.
Produktspezifische Sorgfaltspflichten
Dem Geltungsbereich der Verordnung unterfallende Unternehmen werden gemäß Art. 4 EUDR in Verbindung mit Art. 8 EUDR dazu verpflichtet, eine dreistufige Sorgfaltsprüfung durchzuführen und diese Struktur in der Unternehmensorganisation zu verfestigen.
Sammlung von Informationen, Daten und Unterlagen (Art. 9 EUDR)
Aus den zu sammelnden Informationen soll hervorgehen, dass die bezogenen Rohstoffe bzw. daraus produzierten Erzeugnisse aus entwaldungsfreien Gebieten stammen und im Rahmen des Abbaus oder Herstellung lokale Rechtsvorschriften eingehalten worden sind. Umfasst sind z.B. Name, Art und Menge des Erzeugnisses sowie das Erzeugerland. Zudem sind Informationen über die Geolokalisierung sämtlicher Grundstücke, auf denen die Rohstoffe erzeugt worden sind, zu sammeln. Satellitenbilder bieten hierfür eine nützliche Hilfestellung.
Risikobewertungsmaßnahmen (Art. 10 EUDR)
In einer zweiten Stufe gilt es, die zusammengetragenen Informationen zu analysieren und dahingehend zu bewerten, ob die Gefahr einer Nichtkonformität besteht. Die Verordnung nennt Kriterien, die bei der Risikobewertung berücksichtigt werden müssen.
Risikominderungsmaßnahmen (Art. 11 EUDR)
Wird im Zuge der Risikobewertung ein nicht zu vernachlässigendes Risiko identifiziert, muss das Unternehmen Risikominderungsmaßnahmen durchführen. So kann das Unternehmen z. B. zusätzliche Informationen anfordern oder unabhängige Audits durchführen lassen. Insgesamt müssen angemessene und verhältnismäßige Strategien, Kontrollen und Verfahren implementiert werden, um das Risiko der Nichtkonformität zu mindern und wirksam zu steuern. Die Risikobewertungs- und Risikominderungsmaßnahmen sind ausführlich zu dokumentieren und turnusmäßig – mindestens einmal jährlich – zu überprüfen.
Große Unternehmen müssen jährlich über die Einhaltung ihrer Sorgfaltspflichten berichten. Wenn sie bereits aufgrund von anderen EU-Rechtsakten einen Bericht über die Erfüllung von Sorgfaltspflichten entlang der Wertschöpfungskette erstellen müssen, können die von der EUDR geforderten Inhalte alternativ in diesen Bericht (z. B. im Nachhaltigkeitsbericht nach CSRD) aufgenommen werden.
Sanktionen bei Nichteinhaltung
Die Mitgliedstaaten werden verpflichtet, Sanktionsmechanismen zu entwerfen, die bei Nichteinhaltung durchgesetzt werden sollen. Diese können Bußgelder von bis zu 4 % des erzielten Jahresumsatzes, die Einziehung der relevanten Erzeugnisse, die Einziehung der erwirtschafteten Einnahmen und den vorübergehenden Ausschluss von Vergabeverfahren umfassen.
Ausblick
Betroffene Unternehmen sind gut beraten, bereits jetzt mit der operativen Durchführung der Due-Diligence-Prozesse zu beginnen und Vorkehrungen zu treffen, um Sanktionen zu entgehen. Auch mittelbar betroffene Unternehmen sollten die möglichen Auswirkungen der EUDR auf ihre Lieferanten beobachten, um bei einer etwaigen Unterbrechung der Lieferkette frühzeitig reagieren zu können.
Unternehmen, die dem Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz (LkSG) oder anderen EU-Rechtsakten wie der EU-Batterieverordnung unterliegen, ist zu empfehlen, anhand einer GAP-Analyse konkrete Überschneidungen zu identifizieren, um Synergieeffekte nutzbar zu machen. Gerne unterstützen wir Sie hierbei. Wer frühzeitig beginnt, Verantwortung zu übernehmen und relevante Anforderungen zu antizipieren, wird langfristig von seiner Vorreiterrolle in der stetig an Bedeutung gewinnenden Nachhaltigkeitswirtschaft profitieren.
Blogserie „Nachhaltigkeit“
- Im ersten Teil unserer Blogserie zum Thema Nachhaltigkeit beschäftigen wir uns mit der erweiterten Verpflichtung zur Nachhaltigkeitsberichterstattung (Corporate Sustainability Reporting Directive – CSRD).
- Mit dem zweiten Teil halten wir Sie über die bis Juni 2022 aktuellen Entwicklungen der CSRD auf dem Laufenden.
- Im dritten Teil geben wir Ihnen einen Überblick über die bisher veröffentlichten Konsultationsentwürfe für EU-Berichtsstandards zur Nachhaltigkeit.
- Der vierte Teil informiert über das Inkrafttreten der CSRD.
- Im fünften Teil stellen wir das Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz vor.
- Der sechste Teil beschäftigt sich mit der finalen Verabschiedung der ersten europäischen Standards zur Nachhaltigkeitsberichterstattung durch die Europäische Kommission.
- Im siebten Teil erklären wir, was durch die EU-Taxonomie-Verordnung auf deutsche Unternehmen zukommt.
- Der achte Teil widmet sich den Verrechnungspreisen im Zusammenhang mit den ESG-Kriterien.
- Teil neun befasst sich mit den nach dem Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz verpflichteten Unternehmen und ihren Zulieferern.
- Der zehnte Teil enthält einen Quick Check, was für die Umsetzung der EU-Taxonomie-Verordnung notwendig ist.
- In Teil elf stellen wir Ihnen das EU-Renaturierungsgesetz vor.
- Die Wesentlichkeitsanalyse nach ESRS 1 ist Inhalt des zwölften Teils.
- In Teil 13 befassen wir uns mit der Ausweitung des Anwendungsbereichs der Nachhaltigkeitsberichterstattung auf Unternehmen der öffentlichen Hand.
- Die Verringerung der Berichtslast durch Übergangsbestimmungen zur Nachhaltigkeitsberichterstattung nach den ESRS ist Thema von Teil 14.
- Teil 15 befasst sich mit der Berichterstattung und Prüfung bei kommunalen Unternehmen.
- Die vorläufige politische Einigung zur Corporate Sustainability Due Diligence Directive (CSDDD) ist Thema von Teil 16.
- In Teil 17 geht es um die Auswirkungen der CSRD auf mittelständische Zulieferer.
- Mit Teil 18 stellen wir Ihnen die im Entwurf veröffentlichten Standards zur Nachhaltigkeitsberichterstattung für KMU vor.
- Den Referentenentwurf zum Gesetz zur Umsetzung der Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD) erläutern wir in Teil 19.
- Im Interview geben unsere Expert:innen einen Überblick über den aktuellen Stand der Vorbereitungen von Unternehmen auf den ersten Nachhaltigkeitsbericht (Teil 20).
- In Teil 21 geht es um das europaweit einheitliche elektronische Berichtsformat für Nachhaltigkeitsberichte nach der CSRD.
- Mit Teil 22 beleuchten wir, welche Vorteile ESG-Reporting-Tools bieten.
- Um neue Sorgfaltspflichten durch die EU-Entwaldungsverordnung geht es in Teil 23.
- Der Regierungsentwurf zum Gesetz zur Umsetzung der CSRD ist Gegenstand von Teil 24.