EU-Taxonomie-Verordnung: Was kommt auf deutsche Unternehmen zu?
Die EU-Taxonomie-Verordnung klassifiziert Wirtschaftstätigkeiten und legt Kriterien und Rahmenbedingungen für nachhaltiges Handeln fest. Dazu gehören – neben umweltbezogenen Aspekten – auch Bedingungen an soziale Mindeststandards und Ansprüche an eine nachhaltige Unternehmensführung. Thomas Bernhardt und Corinna Kaufhold geben Ihnen Tipps, auf was Sie jetzt achten sollten.
Was ist Ziel der EU-Taxonomie-Verordnung?
Bernhardt: Bei der EU-Taxonomie-Verordnung geht es um das Thema Nachhaltigkeit. Die EU hat verschiedene Maßnahmen festgelegt, um die Ziele des Pariser Klimaabkommens zu erreichen. Ein wesentlicher Baustein ist die Lenkung von Kapital in nachhaltige Geschäftsmodelle. Das funktioniert aber nur, wenn allgemein gültig definiert wird, was nachhaltig ist. Es braucht also eine Klassifizierung oder anders – es braucht eine Taxonomie.
Ist das ein neues Thema?
Kaufhold: Die EU-Taxonomie-Verordnung galt erstmals für das Geschäftsjahr 2021 – allerdings nur für wenige, kapitalmarktorientierte Unternehmen und bestimmte Finanzmarktteilnehmer. Für alle anderen Unternehmen ist das Thema neu.
Warum lohnt es sich jetzt, darüber zu sprechen?
Bernhardt: Der Grund, jetzt über die EU-Taxonomie-Verordnung zu sprechen, ist die massive Ausweitung des Anwenderkreises ab dem Jahr 2025. Während bisher nur wenige kapitalmarktorientierte Unternehmen in Deutschland betroffen waren, sind ab dem Geschäftsjahr 2025 alle großen Kapitalgesellschaften und haftungsbeschränkten Personenhandelsgesellschaften von der EU-Taxonomie-Verordnung betroffen. Nicht zu vergessen: Große Kapitalgesellschaften der öffentlichen Hand müssen künftig auch über die Angaben nach Art. 8 der EU-Taxonomie-Verordnung berichten. Für alle anderen öffentlichen Unternehmen, die wegen anderer Vorgaben, z.B. ihrer Satzung, den Lagebericht wie große Kapitalgesellschaften aufstellen müssen, ist fraglich, ob eine Pflicht zur Anwendung der EU-Taxonomie besteht. Sicher ist, dass diese öffentlichen Unternehmen einen Nachhaltigkeitsbericht nach der CSRD erstellen müssen.
Ist das Ergebnis ein zweiter Nachhaltigkeitsbericht?
Kaufhold: Nein. Es geht nicht um einen zweiten Nachhaltigkeitsbericht. Bei der EU-Taxonomie-Verordnung geht es um konkrete Kennzahlen, die als Teil des Nachhaltigkeitsberichts, den große Unternehmen zukünftig aufgrund der Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD) erstellen, berichtet werden müssen. Die Kennzahlen geben an, welches Potenzial das Unternehmen hat, einen wesentlichen Beitrag zur Erreichung der EU-Umweltziele zu leisten – die sogenannte Taxonomiefähigkeit –, und welchen Beitrag das Unternehmen aktuell tatsächlich schon leistet – die Taxonomiekonformität. Der unternehmerische Beitrag zur Zielerreichung wird in drei Kennzahlen ausgedrückt: Anzugeben sind der fähige und konforme Anteil von Umsätzen, Investitionen und Betriebsausgaben im Verhältnis zu der jeweiligen Gesamtsumme. Die Berichterstattung der Kennzahlen erfolgt in tabellarischer Form mittels vorgegebener Meldebögen. Diese sind auszufüllen und in den Nachhaltigkeitsbericht einzufügen. Ergänzend wird eine verbale Beschreibung der Vorgehensweise und Ermittlungsmethodik gefordert.
Werden diese Kennzahlen geprüft?
Bernhardt: Die EU-Taxonomie-Verordnung regelt keine Prüfungspflicht. Dazu muss man in die CSRD schauen. Diese Richtlinie regelt u.a. die Prüfung der Nachhaltigkeitsberichterstattung und legt fest, dass der Prüfer auch die Einhaltung der Angaben nach Art. 8 der EU-Taxonomie-Verordnung prüfen soll.
Wie aufwendig ist die Umsetzung der EU-Taxonomie-Verordnung für die Unternehmen?
Kaufhold: Das kann man pauschal nicht beantworten. Entscheidend ist die Anzahl der relevanten Wirtschaftstätigkeiten, denn je mehr Tätigkeiten taxonomiefähig sind, desto mehr Kriterien müssen geprüft und desto mehr Kennzahlen berechnet werden. Auch die Struktur und Organisation des Unternehmens oder der Unternehmensgruppe sind wichtig. Je dezentraler die Aufstellung, desto aufwendiger kann so eine Kennzahlenermittlung sein. Das reicht von der Kommunikation über die Messung und Meldung bis hin zur Konsolidierung der Zahlen.
Was raten Sie den betroffenen Unternehmen?
Bernhardt: Wenn noch nicht geschehen, raten wir dringend dazu, dass sich die Unternehmen fachlich mit der EU-Taxonomie-Verordnung auseinandersetzen, um ihre Betroffenheit einschätzen zu können. Nutzen Sie das Jahr 2024, um „Readiness“ herzustellen. Dazu gehört, alle Wirtschaftsaktivitäten des Unternehmens zu identifizieren, die taxonomiefähig sind. Suchen Sie die Kriterien für die Analyse der Taxonomiekonformität heraus und überlegen Sie, wie Sie diese Kriterien messen können. Einige technische Daten stehen vielleicht auf den Bestellungen und Lieferscheinen, sind aber gegebenenfalls nicht strukturiert auswertbar oder es fehlt an den nötigen Zertifikaten. In vielen Fällen müssen einige Daten händisch zusammengetragen werden. Wir empfehlen, 2024 eine Art Probedurchlauf, z.B. für ein Quartal, durchzuführen. Je klarer Sie am 1. Januar 2025 festgelegt haben, welche Daten Sie das Jahr über sammeln müssen und wer für welchen Schritt im Unternehmen verantwortlich ist, desto leichter können Sie diese Daten am Jahresende erstellen. Es ist immer mühsam, im Nachgang etwas zusammenzutragen.
Gerne unterstützen wir Sie beim Aufsetzen sowie bei der Prüfung von Nachhaltigkeitsberichten. Sprechen Sie uns einfach an.
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dhpg Online-Seminar: Update zur Nachhaltigkeitsberichterstattung
Sie haben noch Fragen und möchten sie direkt an unsere Expert:innen richten? Am 23.11.2023 geben wir Ihnen in einem Online-Seminar ein Update zu den neuesten Entwicklungen zur Nachhaltigkeitsberichterstattung. WP StB Thomas Bernhardt und WP StB Corinna Kaufhold erläutern die relevanten Änderungen und zeigen Handlungsfelder sowie pragmatische Lösungen für den Mittelstand auf. Weitere Infos und die Möglichkeit zur Anmeldung finden Sie hier.
Podcast Taxiert
Thomas Bernhardt spricht in Folge 4 unseres Podcasts Taxiert über die CSRD. Er erklärt, was die CSRD überhaupt ist, wer ab wann in ihren Anwendungsbereich fällt und worüber zu berichten ist. Hören Sie doch einmal rein.
Green Monday After-Work
Am 20.11.2023 lädt die Deutsche Telekom zum Green Monday. Sie haben Gelegenheit, sich mit Gleichgesinnten zu vernetzen, spannende Impulsvorträge zu hören und mit Experten zu diskutieren. Auch Thomas Bernhardt ist als Experte geladen und bietet eine interaktive Session zum Thema „Lernreise zum ersten CSRD-konformen ESG-Bericht“. Die Teilnahme ist kostenlos. Weitere Infos finden Sie hier.
Blogserie „Nachhaltigkeit“
- Im ersten Teil unserer Blogserie zum Thema Nachhaltigkeit beschäftigen wir uns mit der erweiterten Verpflichtung zur Nachhaltigkeitsberichterstattung (Corporate Sustainability Reporting Directive – CSRD).
- Mit dem zweiten Teil halten wir Sie über die bis Juni 2022 aktuellen Entwicklungen der CSRD auf dem Laufenden.
- Im dritten Teil geben wir Ihnen einen Überblick über die bisher veröffentlichten Konsultationsentwürfe für EU-Berichtsstandards zur Nachhaltigkeit.
- Der vierte Teil informiert über das Inkrafttreten der CSRD.
- Im fünften Teil stellen wir das Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz vor.
- Der sechste Teil beschäftigt sich mit der finalen Verabschiedung der ersten europäischen Standards zur Nachhaltigkeitsberichterstattung durch die Europäische Kommission.
- Im siebten Teil erklären wir, was durch die EU-Taxonomie-Verordnung auf deutsche Unternehmen zukommt.
- Der achte Teil widmet sich den Verrechnungspreisen im Zusammenhang mit den ESG-Kriterien.
- Teil neun befasst sich mit den nach dem Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz verpflichteten Unternehmen und ihren Zulieferern.
- Der zehnte Teil enthält einen Quick Check, was für die Umsetzung der EU-Taxonomie-Verordnung notwendig ist.
- In Teil elf stellen wir Ihnen das EU-Renaturierungsgesetz vor.
- Die Wesentlichkeitsanalyse nach ESRS 1 ist Inhalt des zwölften Teils.
- In Teil 13 befassen wir uns mit der Ausweitung des Anwendungsbereichs der Nachhaltigkeitsberichterstattung auf Unternehmen der öffentlichen Hand.
- Die Verringerung der Berichtslast durch Übergangsbestimmungen zur Nachhaltigkeitsberichterstattung nach den ESRS ist Thema von Teil 14.
- Teil 15 befasst sich mit der Berichterstattung und Prüfung bei kommunalen Unternehmen.
- Die vorläufige politische Einigung zur Corporate Sustainability Due Diligence Directive (CSDDD) ist Thema von Teil 16.
- In Teil 17 geht es um die Auswirkungen der CSRD auf mittelständische Zulieferer.
- Mit Teil 18 stellen wir Ihnen die im Entwurf veröffentlichten Standards zur Nachhaltigkeitsberichterstattung für KMU vor.
- Den Referentenentwurf zum Gesetz zur Umsetzung der Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD) erläutern wir in Teil 19.
- Im Interview geben unsere Expert:innen einen Überblick über den aktuellen Stand der Vorbereitungen von Unternehmen auf den ersten Nachhaltigkeitsbericht (Teil 20).
- In Teil 21 geht es um das europaweit einheitliche elektronische Berichtsformat für Nachhaltigkeitsberichte nach der CSRD.
- Mit Teil 22 beleuchten wir, welche Vorteile ESG-Reporting-Tools bieten.
- Um neue Sorgfaltspflichten durch die EU-Entwaldungsverordnung geht es in Teil 23.
- Der Regierungsentwurf zum Gesetz zur Umsetzung der CSRD ist Gegenstand von Teil 24.