Zulieferer aufgepasst: Was das Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz für Sie bedeutet


Das Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz (LkSG) ist am 1.1.2023 in Deutschland in Kraft getreten. Ziel ist es, Risiken von Menschenrechtsverletzungen und umweltbezogenen Vorschriften vorzubeugen, diese zu minimieren und Pflichtverletzungen zu beenden. Das LkSG verpflichtet Unternehmen, ihre eigenen Geschäftsprozesse und auch die ihrer unmittelbaren und mittelbaren Zulieferer hinsichtlich der Produkte und Dienstleistungen entlang der Wertschöpfungskette zu überwachen. Unsere Experten zeigen auf, welcher Handlungsbedarf nun gerade für Zulieferer besteht.  
 

Welchen Zweck verfolgt das Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz? 

Stefanie Jobs: Mit dem LkSG werden den Unternehmen umfangreiche neue Pflichten im Hinblick auf menschenrechtsbezogene Risiken entlang der Wertschöpfungskette auferlegt. Zweck des Gesetzes ist primär die Verhinderung von Kinderarbeit, Ausbeutung, Zwangsarbeit und Diskriminierung sowie die Einhaltung von Vorschriften zum Arbeitsschutz. Daneben werden Umweltrisiken, die zu Menschenrechtsverletzungen führen können, in den Schutzbereich des LkSG mit aufgenommen, wie beispielsweise illegale Abholzungen, Pestizidausstöße und Chemikalienverwendung sowie Wasser- und Luftverschmutzung. Der Katalog der Schutzgüter des LkSG muss als abschließend verstanden werden.

Welche Pflichten bringt das Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz mit sich? 

Thomas Bernhardt: Die Sorgfaltspflichten des LkSG betreffen zum einen die Einrichtung eines Risikomanagements, jährlich oder anlassbezogen durchzuführende Risikoanalysen und die Festlegung einer betriebsinternen Zuständigkeit, z.B. durch Benennung eines Menschenrechtsbeauftragten, zur Überwachung des Risikomanagements. Zum anderen verlangt das Gesetz die Abgabe einer Grundsatzerklärung zur Achtung der Menschenrechte und der Umwelt, die Verankerung von konkreten Maßnahmen, sowohl präventiv als auch zur Abhilfe, sowie die Einrichtung eines Beschwerdeverfahrens. Die Erfüllung der Sorgfaltspflichten ist unternehmensintern fortlaufend zu dokumentieren und Unternehmen müssen jährlich Bericht erstatten. 

Unmittelbare Zulieferer werden dabei mit Präventionsmaßnahmen ihrer Kunden konfrontiert werden. Mittelbare Zulieferer werden bei womöglichen Pflichtverletzungen anlassgezogen einbezogen.

Wer unterliegt dem neuen Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz?

Stefanie Jobs: Die Anwendung des LkSG gilt ab dem 1. Januar 2023 für alle Unternehmen in jeder Rechtsform, die ihre Hauptverwaltung, ihren Verwaltungssitz, ihren satzungsmäßigen Sitz oder eine Zweigniederlassung im Inland haben und mindestens 3.000 im Inland beschäftigte oder ins Ausland entsandte Arbeitnehmer nach Köpfen zählen. Ab dem 1. Januar 2024 sinkt der Schwellenwert auf 1.000 Arbeitnehmer:innen.

Grundsätzlich zählen nur die bei der betreffenden Gesellschaft beschäftigten Arbeitnehmer:innen. Übt die Obergesellschaft eines Konzerns aber Kontrolle über die Tochtergesellschaften aus, werden die inländischen Arbeitnehmer dieser Konzerngesellschaften der Obergesellschaft zugerechnet. 

Jedes betroffene Unternehmen hat seine unmittelbaren Zulieferer (Vertragspartner) nach dem LkSG zu verpflichten. Erfasst werden dabei die für die Herstellung des Produkts oder Erbringung der betreffenden Dienstleistung notwendigen Zulieferer. Bei mittelbaren Zulieferern hat eine Risikoanalyse anlassbezogen, das heißt bei substanziierter Kenntnis über mögliche Pflichtverletzungen in der Wertschöpfungskette, zu erfolgen.

Mit welchen Herausforderungen sehen sich Zulieferer konfrontiert? 

Stefanie Jobs: Unmittelbare Zulieferer müssen ihren Vertragspartnern, die vom LkSG betroffen sind, vertraglich zusichern, dass sie die von der Geschäftsleitung des Vertragspartners verlangten menschenrechtsbezogenen und umweltbezogenen Vorgaben einhalten und entlang der Lieferkette angemessen adressieren. Dieses kann beispielsweise in Gestalt von Compliance-Statements, Code of Conduct, Lieferantenkodizes abgefordert werden, die substanziiert Vorgaben beinhalten müssen, was konkret eingehalten werden soll. Zur Durchsetzung dieser Pflichten des unmittelbaren Zulieferers sind Kontroll- und Abhilfemechanismen wie die Durchführung von Schulungen sowie Kontrollen vor Ort mit aufzunehmen. Bei der Gestaltung solcher Regelungen in den Lieferverträgen sind einerseits die Pflichten nach dem LkSG ordnungsgemäß und substanziiert zu erfüllen, andererseits auch die AGB-rechtlichen Schranken zu beachten.

Wer kontrolliert die Einhaltung des Gesetzes und welche Sanktionen drohen bei Nichteinhaltung? 

Thomas Bernhardt: Für die Kontrolle und Durchsetzung ist das Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA) zuständig. Dieses prüft den Bericht der Unternehmen über die Erfüllung der Sorgfaltspflichten und kann bei Mängeln Nachbesserungen verlangen. Das BAFA ist befugt, Geschäftsräume zu betreten, Auskünfte zu verlangen, Unterlagen einzusehen und Unternehmen aufzufordern, konkrete Handlungen zur Erfüllung ihrer Pflichten vorzunehmen. Ordnungswidrigkeiten können mit empfindlichen Bußgeldern von bis zu 800.000 € oder – ab einem durchschnittlichen Jahresumsatz von mehr als 400 Mio. € – von bis zu 2 % des weltweiten Umsatzes eines Konzerns geahndet werden. Anders als die dem Gesetz direkt unterliegenden Unternehmen können Zulieferer selbst weder mit Bußgeldern belegt noch von der Vergabe öffentlicher Aufträge ausgeschlossen werden. Der Gesetzgeber legt den Unternehmen im Anwendungsbereich des Gesetzes jedoch das Festlegen von Vertragsstrafen in den Beziehungen zu ihren unmittelbaren Zulieferern nahe, bei Pflichtverletzungen sogar das temporäre Aussetzen bis hin zum Abbruch der Geschäftsbeziehung.

Das klingt nach sehr viel Arbeit. Kann ich mir in diesem Prozess Unterstützung suchen? 

Thomas Bernhardt: Stimmt, die Integration der Sorgfaltspflichten in die Corporate Governance und den Alltag im Unternehmen ist herausfordernd. Auch die Harmonisierung der Berichterstattung nach dem LkSG und der handelsrechtlichen nichtfinanziellen Berichterstattung birgt so ihre Tücken. Letztere wird zukünftig im Zuge der aktuellen Entwicklungen hin zu einer Nachhaltigkeitsberichterstattung deutlich ausgeweitet. Wer das LkSG als Compliance- und Reputationsthema versteht und angemessen in das Risikomanagement integriert, ist auf einem guten Weg.

Ein gutes Lieferkettenmanagement kann auch eine Chance sein; sowohl im Neukundengeschäft als auch beim Akquirieren von Neuaufträgen bei Bestandskunden. Erste Zulieferer werben explizit für sich, dass sie die Anforderungen des Lieferkettengesetzes erfüllen und Kunden mit ihnen als Lieferanten damit auf der sicheren Seite sind.

Bei der Einrichtung des Risikomanagementsystems, des Beschwerdesystems oder der Implementierung des Berichterstattungsprozesses können externe Berater wertvolle Tipps geben. Auch die Überprüfung der Einhaltung der eigenen menschenrechtsbezogenen Standards bei unmittelbaren Zulieferern kann durch beauftragte Dritte erfolgen. Bei der Würdigung vertraglicher Anpassungen oder der Auslegung völkerrechtlicher Verträge kann rechtlicher Rat Sicherheit schaffen.

Stetige Kontrolle der Einhaltung ist Daueraufgabe, immer wieder Neubewertung, Risikoanalyse und Wirksamkeitsprüfungen – die Berater:innen der dhpg unterstützen gerne.

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Thomas Bernhardt

Wirtschaftsprüfer, Steuerberater

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Stefanie Jobs

Rechtsanwältin, Fachanwältin für Steuerrecht, Fachanwältin für Handels- und Gesellschaftsrecht

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