Testament: besser einmal mehr über den genauen Wortlaut nachdenken!
Testamentarische Formulierung „unsere Kinder” – wer ist gemeint, wenn es Stiefkinder gibt?
Wenn ein Ehepaar in einem gemeinsamen Testament zuerst sich selbst als Erben und danach die Kinder als Schlusserben bestimmt, sind damit nicht automatisch nur die gemeinschaftlichen Abkömmlinge gemeint. Das Düsseldorfer Oberlandesgericht (OLG) entschied kürzlich, dass aus der Formulierung „unsere Kinder sollen Erben sein“, durchaus geschlussfolgert werden kann, dass auch ein Stiefkind erben soll.
Auf den wahren Willen des Erblassers kommt es an, wenn der Wortlaut zweideutig ist
Eine Mutter lebte mit ihrem nichtehelich geborenen Sohn und ihrem zweiten Ehemann, dem Stiefvater des Sohnes, im gemeinsamen Patchwork-Haushalt. Das Ehepaar bekam noch zwei weitere Söhne und verfasste im Jahr 1997 ein gemeinschaftliches Testament, in dem sie sich gegenseitig als Alleinerben einsetzten. Als Schlusserben bestimmten sie "unsere Kinder". Im Fall einer Wiederverheiratung des überlebenden Ehegatten sollte „den Kindern“ 75% des Nachlasses als Vermächtnis zugewandt werden. Nach dem Tode der Ehefrau besann sich der Ehemann plötzlich anders, errichtete ein neues Testament und bedachte nur noch die beiden gemeinsamen Söhne, der Stiefsohn sollte leer ausgehen mit der Begründung, das sei auch schon im gemeinsamen Testament damals so gewollt gewesen. Es kam, wie es kommen musste, nur die beiden weiteren Söhne erhielten einen Erbschein; dagegen ging der Stiefsohn vor - mit Erfolg; der Erbschein wurde eingezogen, da half auch die Beschwerde seiner beiden Halbbrüder nichts.
Mit der Wortwahl „unsere Kinder“ waren alle drei gemeint – entschied das OLG
Am Ende bekam der Stiefsohn dann doch sein Drittel vom Erbe, denn die Richter befanden, dass als wahre Schlusserben alle drei Kinder zu gleichen Teilen gemeint waren – so sei das erste Testament der Eheleute richtigerweise auszulegen. Natürlich könne man unter "unsere Kinder" auch nur die gemeinsamen Abkömmlinge verstehen, allerdings würden im Allgemeinen alle Kinder, die im gemeinsamen Haushalt lebten "unsere Kinder" genannt - unabhängig von der biologischen Abstammung. Das Gericht sah auch keine Indizien dafür, dass die Mutter ihren alleinigen Sohn von der Erbfolge ausschließen wollte. Im Gegenteil: auch die Wiederverheiratungsklausel im Ehegattentestament – die regelte, dass die Kinder bei erneuter Eheschließung des Überlebenden 75% des Nachlasses als Vermächtnis bekommen sollten, deutete nach Ansicht der Richter darauf hin, dass alle drei Söhne gemeint waren. Das spätere Testament des Ehemannes war demnach unwirksam, weil es im Widerspruch zu den gemeinsamen Verfügungen stand. Die dortige gegenseitige Alleinerbeneinsetzung der Eheleute und die Schlusserbenbestimmung der Kinder waren wechselbezüglich, d.h. sie konnten nach dem Tode der Ehefrau nicht mehr einseitig vom Ehemann geändert werden; er blieb daran gebunden.
Bei der Formulierung letztwilliger Verfügungen ist Genauigkeit gefragt!
Präzise Formulierungen in letztwilligen Verfügungen sind unerlässlich, wie der gerichtliche Beschluss zeigt - nicht nur bei Patchwork Familien. Je klarer die begünstigten Personen identifiziert werden können, z. B. durch namentliche Nennung im Testament, desto weniger Konfliktpotenzial gibt es nach Eintritt des Erbfalls.
OLG Düsseldorf, Beschluss vom 24.7.2025, 3 Wx 116/25