Testament: Lebensgefährte darf nicht ins Haus?
Wenn die Testierfreiheit an die Grenze der „guten Sitten“ stößt
Grundsätzlich haben Erblasser bei der Bestimmung ihres Letzten Willens einen weiten Gestaltungsspielraum. Dass dieser aber nicht grenzenlos ist, zeigt ein Urteil des Oberlandesgerichts Hamm, das über die Wirksamkeit einer testamentarischen Bedingung zu entscheiden hatte, die ein Hausverbot für den Lebensgefährten der Erbin vorsah.
Erbeinsetzung im Testament unter Bedingungen
Die einzige Tochter der Erblasserin erbte im Wesentlichen ein Hausgrundstück mit einem frei stehenden Einfamilienhaus in Bochum, das sich seit Jahrzehnten im Eigentum der Familie befand und in dem die Erblasserin in einer und die Tochter mit der Enkelin in einer weiteren Wohnung lebten. Die Enkelin wurde als Miterbin eingesetzt. Der langjährige Lebensgefährte der Tochter hatte eine eigene Wohnung in der Nachbarschaft, ging aber in dem Haus ein und aus, war der Ziehvater der Enkelin und nahm im Haus auch Reparaturen vor. Es gab zu keiner Zeit Streit oder ein Zerwürfnis und man lebte wie eine Familie zusammen. In dem notariellen Testament der Erblasserin, in dem die Tochter und die Enkelin als Erbinnen eingesetzt wurden, waren hierfür allerdings zwei Bedingungen formuliert: Zum einen war es den Erbinnen untersagt, das Grundstück an den Lebensgefährten der Tochter zu übertragen. Zum anderen sollten die Erbinnen dem Lebensgefährten auf Dauer untersagen, das Grundstück zu betreten. Zur Überwachung des Betretungsverbots wurde ein Testamentsvollstrecker eingesetzt. Er sollte die Immobilie bei einem Verstoß gegen die Bedingung veräußern, wobei der Erlös zu einem Viertel der Tochter, einem Viertel der Enkelin und im Übrigen gemeinnützigen Zwecken zukommen sollte. Die beiden Erbinnen akzeptierten das Verbot, das Grundstück an den Lebensgefährten zu übertragen, verlangten aber die gerichtliche Feststellung, dass die Bedingung des Betretungsverbots wegen Sittenwidrigkeit nichtig sei. Sie bekamen recht.
Testamentarische Bestimmungen sind nur ausnahmsweise sittenwidrig
Bei der Frage, ob eine letztwillige Bedingung wegen Sittenwidrigkeit nichtig ist, ist zu beachten, dass die vom Grundgesetz geschützte Testierfreiheit es einer Erblasserin grundsätzlich ermöglicht, die Erbfolge nach ihren eigenen Vorstellungen zu gestalten, und sie dabei einen sehr großen Gestaltungsspielraum hat. Sittenwidrigkeit kann daher nur in sehr engen Ausnahmefällen angenommen werden. Dies gilt auch für Bedingungen. Ein schwerwiegender Ausnahmefall, der zur Sittenwidrigkeit einer Bedingung führen kann, ist immer nur dann anzunehmen, wenn in der Abwägung zwischen der Testierfreiheit der Erblasserin und den Freiheitsrechten der Betroffenen anzunehmen ist, dass die nur bedingte Zuwendung einen unzumutbaren Druck auf die Bedachten ausübt, sich in einem höchstpersönlichen Bereich in einer bestimmten Art und Weise zu verhalten. Bedingungen, die lediglich die Nutzung des vererbten Vermögensgegenstandes betreffen, sind dagegen regelmäßig zulässig. Hier wies zwar die angefochtene Bedingung einen Bezug zur Nutzung des vererbten Hausgrundstücks auf. Unter Berücksichtigung aller Umstände des Falles stand jedoch im Vordergrund, dass dem langjährigen Lebensgefährten der Tochter, zugleich Ziehvater der Enkelin, der Zugang zu der schon vor dem Erbfall genutzten Wohnung auf einmal verwehrt sein sollte. Das bis zum Tod der Erblasserin unstreitig praktizierte familiäre Zusammenleben könnte aufgrund der Bedingung nicht mehr in dieser Form fortgeführt werden. Damit war aber der höchstpersönliche Bereich der Lebensführung der Tochter betroffen und die Bedingung sittenwidrig und nichtig. Für die Rechtsfolge war laut Gericht davon auszugehen, dass die Erblasserin ihre Tochter und ihre Enkelin auch ohne die unwirksame Bedingung zu Erbinnen eingesetzt hätte, sodass die Sittenwidrigkeit nur dazu führte, dass die Bedingung entfiel.
Was ist zu beachten?
Das Urteil zeigt, dass Testamente nicht nur formell, sondern auch inhaltlich unwirksam sein können. Denn auch bei grundsätzlich geltender Testierfreiheit und weiten Grenzen bei der Ausgestaltung des Inhalts eines Testaments müssen die guten Sitten Beachtung finden. Sobald Bedingungen in einer letztwilligen Verfügung geeignet sind, dergestalt Druck auf die bedachten Erb:innen auszuüben, dass diese sich in ihren Freiheitsrechten eingeengt sehen müssen, droht der Bestimmung die Unwirksamkeit wegen Sittenwidrigkeit. Bei der Formulierung des Letzten Willens ist daher Vorsicht geboten. Wir von der dhpg unterstützen Sie gerne mit unserer Expertise bei Fragen rund um die Testamentsgestaltung.
Oberlandesgericht Hamm, Pressemitteilung vom 19.7.2023 zum Urteil 10 U 58/21