GmbH ohne Geschäftsführer: Wann muss das Gericht einen Notgeschäftsführer bestellen? 

Wenn der einzige Geschäftsführer der GmbH verstirbt …

Das OLG Karlsruhe hatte darüber zu entscheiden, wann ausnahmsweise die gerichtliche Bestellung eines sogenannten GmbH-Notgeschäftsführers erforderlich ist, und hat klargestellt, dass dies nur als letztmöglicher „Ausweg“ in Betracht kommt, um die Führungslosigkeit einer GmbH zu beseitigen. 

… und sich die Gesellschafter nicht auf einen neuen einigen können …

Eine GmbH hatte vier Gesellschafter:innen; der alleinige Geschäftsführer war bereits seit zwei Jahren verstorben. Die Erbenstellung seiner mittlerweile an Demenz erkrankten Ehefrau, die ebenfalls Gesellschafterin war, war streitig. Der Sohn des verstorbenen Geschäftsführers beantragte bei Gericht seine eigene Bestellung oder die der dritten noch verbliebenen Gesellschafterin zum Notgeschäftsführer mit der Begründung, man könne sich untereinander nicht auf die Person des neuen Geschäftsführers einigen. 

… muss das Gericht helfen

Die OLG-Richter:innen erkannten das Dilemma und stellten noch einmal genau die Voraussetzungen für die Bestellung eines GmbH-Notgeschäftsführers dar: Zunächst muss die GmbH führungslos und nicht in der Lage sein, mittels einer Gesellschafterversammlung eine:n Geschäftsführer:in zu bestimmen. Ferner bedarf es eines dringenden Grundes für die Bestellung, der dann vorliegt, wenn die Gesellschaftsorgane (Gesellschafterversammlung, Geschäftsführer:in) die Mängel nicht innerhalb einer angemessenen Frist beseitigen können und der Gesellschaft ansonsten Schaden droht. Vorliegend war fraglich, ob es nicht doch möglich gewesen wäre, ohne gerichtliche Hilfe eine:n neue:n Geschäftsführer:in zu bestellen. Zwar konnten die verbleibenden Gesellschafter:innen selbst eine Gesellschafterversammlung einberufen, bei der ein:e neue:r Geschäftsführer:in hätte bestimmt werden können, allerdings musste dafür eine wirksame Ladung aller in der Gesellschafterliste eingetragenen Gesellschafter:innen erfolgen. Daran scheiterte es hier: Der verstorbene Geschäftsführer stand nämlich immer noch als Gesellschafter in der Gesellschafterliste und konnte nicht geladen werden; seine Erb:innen waren wegen des Streits um die Erbenstellung „unbekannt“. Eine Änderung der Gesellschafterliste dahingehend, dass der verstorbene Gesellschafter ausgeschieden war, was anschließend eine wirksame Ladung ermöglicht hätte, war ebenfalls nicht möglich: Denn die Änderung und Einreichung der Liste beim Handelsregister ist allein dem Geschäftsführer vorbehalten, der aber im vorliegenden Fall verstorben war. Die Richter:innen stellten zudem fest, dass die grundsätzlich bestehende Möglichkeit, das Erbscheinverfahren abzuwarten, um anschließend eine ordnungsgemäße Ladung der Erb:innen statt des verstorbenen Gesellschafters durchzuführen, hier ebenfalls aus Zeitgründen kein gangbarer Weg war: Die GmbH war bereits seit zwei Jahren führungslos und drohte, ihre gesetzlichen Verpflichtungen, z.B. in Bezug auf die Veröffentlichung der Jahresabschlüsse, zu verletzen, womit ihr ein Schaden entstanden wäre. Daher war ausnahmsweise ein:e Notgeschäftsführer:in zu bestellen. 

Fazit für das Geschäftsleben

Nicht immer ist in Fällen, in denen der einzige Geschäftsführer einer GmbH verstirbt, ein dringender Grund für die gerichtliche Bestellung eines Notgeschäftsführers gegeben. Sie ist nur im Ausnahmefall möglich und an viele Voraussetzungen geknüpft. Dringende Vorsicht ist insbesondere bei den Ein-Mann-GmbHs geboten: Was tun, wenn der einzige Gesellschafter-Geschäftsführer verstirbt? Zu empfehlen ist hier, eine bereits lebzeitige Vorsorge zu treffen, indem eine trans- bzw. postmortale Vollmacht zur Vertretung in der Gesellschafterversammlung ausgesprochen wird oder gleich mehrere Geschäftsführer:innen bestellt werden. 
 

OLG Karlsruhe, Beschluss vom 27.4.2022 – 1 W 71/21

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