Fehlendes Compliance-Management-System? Der Geschäftsführer haftet!
Compliance-Management-Systeme in einer GmbH müssen sein – verantwortlich hierfür ist der Geschäftsführer
Das Nürnberger Oberlandesgericht (OLG) hatte sich kürzlich mit der Frage auseinanderzusetzen, ob und inwiefern der Geschäftsführer einer GmbH für die Einrichtung und Überwachung eines angemessenen Compliance-Management-Systems in der GmbH sorgen muss. Die Antwort war deutlich: Der betreffende Geschäftsführer muss die der GmbH entstandenen Schäden ersetzen, wenn er die Einrichtung eines solchen ordnungsgemäßen Systems unterlässt.
Wie kam es zu der Schadensersatzpflicht des Geschäftsführers?
Eine Gesellschaft machte Schadensersatzansprüche gegen ihren Geschäftsführer geltend, weil er die Implementierung eines Vieraugenprinzips versäumt hatte, um die Einhaltung von Kreditlimits, die die Gesellschaft ihren Kunden gesetzt hatte, zu überprüfen. Obwohl in der Vergangenheit mehrere Überziehungen vorgekommen waren und dem Geschäftsführer die Einführung des betreffenden Systems vonseiten der Gesellschaft explizit aufgegeben worden war, veranlasste er nichts weiter. Dadurch war es einem Mitarbeiter gelungen, die Gesellschaft durch Untreuehandlungen zu schädigen. Für die Richter:innen lag die Verantwortlichkeit für den eingetretenen Schaden eindeutig beim Geschäftsführer.
Geschäftsführer muss jederzeit Überblick über die wirtschaftliche und finanzielle Lage der GmbH haben
Generell haben die Geschäftsführer:innen einer GmbH hinsichtlich der zu treffenden Entscheidungen einen weiten Handlungs- und Beurteilungsspielraum. An diesem Grundsatz wollten die Richter:innen auch nicht rütteln. Dennoch treffen die Geschäftsführer:innen gewisse Sorgfaltspflichten mit Blick auf die Organisation und Überwachung. Hier müssen sie zwar nicht alle Maßnahmen selbst beschließen und durchführen, sind aber gehalten, eine unternehmensinterne Organisationsstruktur zu schaffen, die die „Rechtmäßigkeit und Effizienz“ des Handelns gewährleistet. Das bedeutet, GmbH-Geschäftsführer:innen müssen das Unternehmen so organisieren, dass sie jederzeit einen Überblick über die wirtschaftliche und finanzielle Lage der Gesellschaft haben. Dazu zählt auch die Einrichtung eines Compliance-Management-Systems, also eines Überwachungssystems, mit dem Risiken für den Unternehmensfortbestand erfasst und kontrolliert werden können und das die Begehung von Rechtsverstößen durch die GmbH oder deren Mitarbeiter:innen verhindert. All das hatte der Geschäftsführer in dem vom OLG entschiedenen Haftungsfall nicht getan. Es fehlte an einer ordnungsgemäßen Unternehmensorganisation mit entsprechenden Kontrollmechanismen, weshalb es dem betreffenden Mitarbeiter überhaupt erst möglich gewesen war, der GmbH Schaden zuzufügen.
Was muss der Geschäftsführer genau tun und kann er seine Pflicht delegieren?
Zum Pflichtenkatalog von Geschäftsführer:innen gehört jedenfalls eine angemessene Kontrolle, die mithilfe stichprobenartiger, überraschender Prüfungen durchgeführt wird. Eine erhöhte Überwachungspflicht besteht dann, wenn es bereits in der Vergangenheit im Unternehmen zu Unregelmäßigkeiten gekommen ist. Auch hinsichtlich etwaiger Delegationsmöglichkeiten hatten die Richter:innen eine klare Maßgabe: Die letztendliche Aufsicht verbleibt auch bei einer Verteilung der Überwachungspflicht auf mehrere Stufen bei der Geschäftsführung.
Hinweis für die Praxis
Die Aussage des OLG ist deutlich: GmbH-Geschäftsführer:innen sind nicht nur verpflichtet, den Geschäftsgang so zu überwachen oder überwachen zu lassen, dass sie unter normalen Umständen mit einer ordnungsgemäßen Erledigung der Geschäfte rechnen können; sie müssen zudem in der Lage sein, sofort einzugreifen, wenn sich Anhaltspunkte für ein Fehlverhalten zeigen. Um eine Haftung im Bereich der Unternehmensorganisation zu vermeiden, ist es also unerlässlich, ein ordnungsgemäßes Compliance-Management-System zu schaffen. Hier sind ein Vieraugenprinzip, die Einführung von Hinweisgebersystemen sowie Schulungen, Stichproben und Dokumentationspflichten jedenfalls grundsätzlich zumutbar.
Oberlandesgericht Nürnberg, Urteil vom 30.3.2022 – 12 U 1520/19