OECD verabschiedet Bericht zu Amount B
Zwei-Säulen-Modell für gerechtere weltweite Unternehmensbesteuerung
Mit dem sogenannten Zwei-Säulen-Modell der OECD soll das Unternehmenssteuerrecht weltweit neu geordnet und insgesamt eine fairere Besteuerung multinationaler Unternehmen sichergestellt werden. Während die zweite Säule (Pillar Two) die Einführung einer Globalen Mindestbesteuerung von 15 % beinhaltet (Blogbeitrag vom 16.1.2024), zielt die erste Säule (Pillar One) auf eine Ausweitung und Neuverteilung von Besteuerungsrechten zugunsten von Marktstaaten gegenüber Ansässigkeitsstaaten. Vollumfänglich im Anwendungsbereich von Pillar One sind sehr große Unternehmensgruppen mit mehr als 20 Mrd. € Jahresumsatz und einer Umsatzrentabilität von über 10 %. Dies zielt erkennbar auf die großen und hochprofitablen US-Technologiekonzerne.
Finaler Bericht zu Amount B veröffentlicht
Neben dieser Neuverteilungsregel enthält Pillar One mit dem sogenannten Amount B auch eine Regelung zur Vereinfachung und Vereinheitlichung für einfache Vertriebs- und Marketingaktivitäten, die für alle international agierenden Unternehmen gelten. Nachdem die OECD im Dezember 2022 und im Juli 2023 zwei Konsultationspapiere veröffentlicht hatte (Blogbeitrag vom 15.8.2023), folgte am 19.2.2024 der finale Bericht zu Amount B. Der Ansatz soll die Zahl möglicher Streitfälle bei der Verrechnungspreisgestaltung von Vertriebsunternehmen innerhalb eines internationalen Konzerns reduzieren und zudem das Risiko von hierdurch entstehenden Doppelbesteuerungen mindern. Betroffene Unternehmen sollen hierdurch mehr Planungssicherheit erhalten.
Anwendbar für bestimmte Vertriebsgesellschaften
In den Anwendungsbereich des Berichts fallen Vertriebsgesellschaften, die sowohl Großhändler (Distributoren) als auch Handelsvertreter und Kommissionäre umfassen. Aktivitäten im Einzelhandel sind grundsätzlich schädlich, soweit sie mehr als 20 % der Umsätze im Drei-Jahres-Durchschnitt ausmachen. Zudem muss sich die Vertriebstätigkeit auf körperliche Gegenstände (Waren) beziehen. Der Vertrieb von immateriellen Werten ist ebenso ausgeschlossen wie der Handel mit Rohstoffen und die Erbringung von Dienstleistungen. Der Vertrieb muss sich im weitesten Sinne als Routinetätigkeit klassifizieren lassen, womit der Besitz und die Verwendung wertvoller immaterieller Werte (z.B. Marken und Patente) regelmäßig ausgeschlossen sind. Zudem grenzt eine vorgegebene Bandbreite betrieblicher Aufwendungen den Anwendungsbereich von Amount B ein.
Schrittweise Ermittlung einer Nettomarge
Fällt ein Vertriebsunternehmen in den Anwendungsbereich von Amount B, wird die transaktionsbezogene Nettomargenmethode (TNMM) als die am besten geeignete Methode zur Bestimmung ihrer Verrechnungspreise angesehen. Für die Vertriebsgesellschaft als tested party wird dabei eine Nettorendite (EBIT im Verhältnis zum Umsatz) in Gestalt einer Bandbreite bestimmt, die sich nach folgendem Schema ermittelt:
- Zunächst wird das Unternehmen nach der Art der vertriebenen Produkte in eine von drei Industriegruppen eingeteilt.
- Anschließend erfolgt eine Bestimmung der Faktorintensität, indem betriebliche Vermögenswerte und betriebliche Aufwendungen ins Verhältnis zum Umsatz gesetzt werden. Daraus folgt eine Einteilung in eine von fünf Klassen.
- Durch die Kombination von Industriegruppe und Faktorintensität-Klasse ergibt sich eine Zielmarge, die zwischen 1,50 % (einfachste Industriegruppe, geringste Faktorintensität) und 5,50 % liegt, wobei Schwankungen innerhalb einer Bandbreite von +/-0,5 Prozentpunkten um die Zielmarge zulässig sind.
- Um Fälle eines besonders hoch oder gering ausgeprägten Funktionsprofils der Vertriebsgesellschaften zu bereinigen, wird die Quote der betrieblichen Vermögenswerte im Verhältnis zum Umsatz nach oben und unten durch einen sogenannten Cap- und Collar-Mechanismus begrenzt.
- Abschließend erfolgt eine Anpassung (Erhöhung) der nach den vorhergehenden Schritten ermittelten Nettomargen in Abhängigkeit vom Kreditrating des jeweiligen Landes. Je schlechter das Rating ist, umso höher fallen die (Risiko-)Aufschläge für die zu erzielende Rendite aus. Bei einem guten oder sehr guten Rating (bis einschließlich BBB) entfällt der Zuschlag.
Einzelstaaten können Vereinfachungsregeln vorschreiben oder zulassen
Die im Rahmen vom Amount B ermittelten Renditen sind als Zielmargen zu verstehen, auf die die Vertriebsgesellschaften ausgesteuert werden sollten – gegebenenfalls unter Anwendung von Jahresendanpassungen (outcome testing). Die Margen wurden durch eine umfassende von der OECD in Auftrag gegebene weltweite Datenbankanalyse ermittelt. Den Unternehmen wie auch den Finanzverwaltungen sollen auf diese Weise eigene, aufwendige und im Zweifel streitanfällige Analysen erspart werden. Hierin liegt der zentrale Aspekt der Vereinfachung.
Die Regelungen zu Amount B werden in die Verrechnungspreis-Leitlinien der OECD als Anhang zu Kapitel 4 (Verwaltungsansätze zur Vermeidung und Beilegung von Verrechnungspreiskonflikten) aufgenommen. Es liegt nun in der Entscheidung der einzelnen Staaten, die Regelungen – verpflichtend oder optional als Safe Harbour – anzuwenden oder weiterhin den allgemeingültigen Regeln zu folgen. Eine Anwendung soll für alle ab dem 1.1.2025 beginnende Geschäftsjahre möglich sein. Wir werden an dieser Stelle weiter darüber informieren, wie sich die nationalen Gesetzgeber und die Finanzverwaltung in Deutschland und anderen wichtigen Ländern positionieren.
OECD/G20 Base Erosion and Profit Shifting Project: Report on Pillar One – Amount B vom 19.2.2024