Nicht durch Eigenkapital gedeckter Fehlbetrag – rechtliche (Haftungs-)Risiken und Möglichkeiten zur Absicherung

 

Inflation, steigende Zinsen, hohe Energie- und Rohstoffkosten – die Unternehmen haben derzeit einiges zu stemmen, was sich auch in den Jahresabschlüssen niederschlägt. Nicht selten ist auf der Aktivseite ein nicht durch das Eigenkapital gedeckter Fehlbetrag zu finden. Welche Folgen hat dies für die Geschäftsleitung? In jedem Fall hilft eine fachkundige Beratung. 

Interview: StB Daniela Radermacher und RA Christian Senger

Was versteht man unter einem „nicht durch Eigenkapital gedeckten Fehlbetrag“ und wie kommt er zustande? 

Daniela Radermacher: Wenn das Eigenkapital der Gesellschaft die Verluste nicht mehr auffangen kann, ist auf der Aktivseite der Bilanz ein "nicht durch Eigenkapital gedeckter Fehlbetrag" auszuweisen. Vereinfacht gesagt drückt diese Position die handelsrechtliche Überschuldung der Gesellschaft aus.  Sie führt allerdings nicht zwangsläufig zu einer insolvenzrechtlichen Überschuldung.

Christian Senger: Der insolvenzrechtliche Überschuldungsbegriff ergibt sich unmittelbar aus der Insolvenzordnung und liegt vor, wenn das Vermögen einer Gesellschaft die bestehenden Verbindlichkeiten nicht mehr deckt, es sei denn, die Fortführung des Unternehmens ist nach den Umständen überwiegend wahrscheinlich. Für die Überschuldungsprüfung ist dringend anzuraten, sich fachliche Expertise einzuholen. In einem drohenden Insolvenzszenario muss die Geschäftsführung einer Gesellschaft umgehend handeln, um persönliche Haftungsrisiken der Geschäftsleitung einzugrenzen oder bestenfalls auszuschließen. 

Gibt es bereits im laufenden Geschäftsjahr Anzeichen für eine Überschuldung? 

Daniela Radermacher: Die gibt es durchaus. Anzeichen für eine negative Gesamtentwicklung können beispielsweise zunehmende Verbindlichkeiten, bei ansonsten gewohntem Geschäftsbetrieb sein (keine erhebliche Steigerung der Umsätze bzw. kein außergewöhnlicher Bestandsaufbau). Auch eine Verlusterzielung über mehrere Jahre, die Abschreibung von Forderungen oder eine unerwartete Bildung von Rückstellungen können zum Ausweis eines Kapitalfehlbetrages führen. Die handelsrechtliche Überschuldung der Gesellschaft ist Grund zur Alarmierung der Geschäftsleitung. Für sie besteht nun Handlungsbedarf. 

Kann der Geschäftsführer einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung persönlichen Haftungsansprüchen ausgesetzt sein? 

Christian Senger: Grundsätzlich haften Geschäftsführer und Gesellschafter einer GmbH natürlich nicht persönlich, sondern nur bis zur Höhe ihrer Einlage. Eine persönliche Haftung kommt allerdings in Betracht, wenn der Geschäftsführer bei Eintreten der Insolvenzreife nicht unverzüglich einen Insolvenzantrag stellt. Viele Geschäftsführer wissen nicht, dass sie mit ihrem persönlichen Vermögen haften, wenn sie den ihnen obliegenden Pflichten nicht nachkommen. Wenn der Geschäftsführer trotz Vorliegens eines Insolvenzgrundes keinen Insolvenzantrag stellt, haftet er beispielsweise für jede einzelne Zahlung, die nach Eintritt der Insolvenzreife erfolgt. Das kann sich schnell summieren und  innerhalb kürzester Zeit für den Geschäftsführer existenzbedrohend werden. 

Wie nehmen Mandanten Ihren Rat auf, sich sanierungs- und insolvenzrechtlich beraten zu lassen?

Daniela Radermacher: Ich habe die Erfahrung gemacht, dass sich die Geschäftsleiter mit dem Gang zu einem Spezialisten für Insolvenzrecht schwertun. Nach ihrem Empfinden ist mit dieser Handlung der Weg in ein Insolvenzverfahren bereits geebnet. Wir sehen in diesem Schritt aber vor allem eine Chance für den Erhalt des Unternehmens. Dabei kann ein Insolvenzverfahren sogar häufig vermieden werden, wenn die Geschäftsleitung frühzeitig reagiert. Neben der akuten Unterstützung können auch Umstrukturierungen erarbeitet und ein Turnaround eingeleitet werden. Grund zur Besorgnis besteht, wenn der Geschäftsführer Tatsachen, die auf eine Insolvenzreife der Gesellschaft hinweisen, nicht ernst nimmt. Wir raten dazu, sich frühzeitig fachlichen Rat einzuholen.  

Wie gehen Sie vor, wenn ein Mandant Sie um Beratung wegen Überschuldung des Unternehmens bittet?

Christian Senger: Zunächst stellen wir fest, ob der nicht durch Eigenkapital gedeckte Fehlbetrag im insolvenzrechtlichen Sinne beseitigt werden kann. Aufseiten der Aktiva können stille Reserven enthalten sein oder man kann die Möglichkeit von Rangrücktrittserklärungen durch einen Gläubiger (regelmäßig Gesellschafter) prüfen, um die handelsrechtliche Überschuldung aufzuheben. Auch kommen Liquiditätszusagen/ Patronatserklärungen in Betracht. Für die Feststellung einer positiven Fortführungsprognose erstellen wir mit dem Mandanten ein umfassendes Unternehmenskonzept nebst einer Liquiditätsplanung.

Kann die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens den Turnaround einleiten? 

Christian Senger: Zunächst ist auf der persönlichen Ebene für die Geschäftsleiter, die wochen-, monate- oder gar jahrelang unter einer angespannten finanziellen Situation wirtschaften mussten, regelmäßig eine enorme Erleichterung zu spüren. Unsere Beratung erfasst stets die Prüfung, ob ein förmliches Regelinsolvenzverfahren vermieden werden kann und eine nachhaltige Sanierung und damit der Erhalt des Unternehmens mittels Nutzung des sogenannten Restrukturierungsrahmens (StaRUG) bzw. der Eigenverwaltung mit oder ohne ein sogenanntes Schutzschirmverfahren möglich ist. Das Ziel der Sanierung im Eigenverwaltungsverfahren ist es, mithilfe eines Insolvenzplans das Unternehmen zu erhalten. Damit muss eine wirtschaftliche Krise nicht immer das Ende der Unternehmen bedeuten. Vielmehr ist sie als Chance für eine bessere Zukunft des Unternehmens zu begreifen.  

Christian Senger

Rechtsanwalt, Fachanwalt für Insolvenz- und Sanierungsrecht

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Daniela Radermacher

Steuerberaterin

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