Anerkennung vertraglicher Gestaltungen innerhalb der EU im Umsatzsteuergesetz

Doppelbesteuerung in der EU?

Die Klägerin (U1) mit Sitz in Ungarn programmierte Software für eine Gesellschaft (P) mit Sitz in Madeira (Portugal). In den Jahren 2009 und 2011 rechnete sie hierfür ca. 8 Mio. € ab. Nach einer bei der Klägerin durchgeführten Prüfung kam die ungarische Steuerbehörde zu dem Ergebnis, dass nicht P die wahre Empfängerin der Dienstleistungen sei, sondern ein anderes Unternehmen in Ungarn (U2). U2 verfügte über Know-how für die elektronische Erbringung von Unterhaltungsdienstleistungen und hatte mit P einen Lizenzvertrag zur Nutzung dieses Know-hows geschlossen. Die Klägerin sollte nun ca. 2,7 Mio. € Umsatzsteuer, Bußgeld und Verzugszinsen nachzahlen.

Die Klägerin wies darauf hin, dass die portugiesischen Behörden auf Ersuchen der ungarischen Behörden bestätigt hatten, dass P in Portugal ansässig sei und dort eine wirtschaftliche Tätigkeit ausübe. Zudem trete P nach außen hin als Anbieter der Unterhaltungsleistungen auf. Diese seien auch nur von Portugal aus zu erbringen, da es in Ungarn keine Finanzinstitute gäbe, die Zahlungen per Bankkarte auf Websites mit Inhalten für Erwachsene ermöglichten. Die ungarische Steuerbehörde wies dagegen auf eine bei U2 durchgeführte Prüfung hin, wonach die Unterhaltungsdienstleistungen von U2 und nicht von P erbracht worden seien, der abgeschlossene Lizenzvertrag sei „fiktiv“.

Obwohl der EuGH schon im Jahr 2015 zu dem Fall geurteilt hatte, legte das zuständige Gericht den Fall dem EuGH erneut vor, da die portugiesische und die ungarische Steuerbehörde unverändert denselben Umsatz der Umsatzsteuer unterwarfen.

EuGH wiederholt Hinweise zur Auslegung von Vertragsgestaltung

Der EuGH verweist auf sein Urteil aus dem Jahr 2015, das ausreichend Hinweise zur Würdigung der Verträge enthalte. Aufgabe des EuGH sei es, die Mehrwertsteuer-Systemrichtlinie (MwStSystRL) auszulegen, nicht aber Tatsachenfragen des Ausgangsrechtsstreits, sodass er nicht zuständig sei. Allerdings verweist der EuGH nochmals auf die wesentlichen Hinweise des damaligen Urteils zur Frage, welche Indizien für oder gegen die Anerkennung vertraglicher Gestaltungen sprechen.

Gestaltungen frei wählbar, sofern nicht missbräuchlich 

Resultat der vertraglichen Gestaltung war, dass die Unterhaltungsdienstleistungen, die gegenüber Privatkunden erbracht wurden, nach der damals gültigen Regelung in Madeira einem geringeren Steuersatz als in Ungarn unterlagen. Zwar wurden die Regeln mittlerweile geändert, dies schließt aber weiterhin die Doppelbesteuerungen bzw. Nichtanerkennung vertraglicher Gestaltungen nicht aus.

Insofern sind die Hinweise des EuGH wichtig und zu beachten. Demnach steht es den Beteiligten frei, Gestaltungen zu wählen, die eine Minderung der Umsatzsteuer bewirken. Diese freie Wahl endet dann, wenn die Gestaltung missbräuchlich ist. Dies setzt aber zweierlei voraus. Zunächst muss die Gestaltung unter Beachtung der Bestimmungen der MwStSystRL zu einem Steuervorteil führen, der den Zielen der MwStSystRL entgegensteht. Zusätzlich muss aus einer Reihe objektiver Anhaltspunkte ersichtlich sein, dass mit den Umsätzen im Wesentlichen lediglich ein Steuervorteil bezweckt wird. Dies wäre der Fall bei einer rein künstlichen, jeder wirtschaftlichen Realität baren Gestaltung, die nur zum Zwecke geschaffen wurde, um einen mehrwertsteuerlichen Vorteil zu erlangen.

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