Virtuelle Umsätze sind für die Umsatzsteuer nicht real
Steuerbare Geschäfte in Online-Weltsimulation?
Der Kläger erzielte Umsätze durch die „Vermietung“ von virtuellem Land im Rahmen des Programms A. A ist eine Online-3D-Weltsimulation, die von einem Unternehmen (B) mit Sitz in den USA betrieben wird. Die Spieleserver befinden sich ebenfalls dort. Die Kund:innen (Spieler:innen) von B erkunden und gestalten diese Welt mit ihren Avataren (Spielfiguren) nach Belieben. So können Details der virtuellen Umgebung (Gebäude, Kunstwerke, Kfz etc.) selbst erstellt und gestaltet werden. Letztere können die Kund:innen dann selbst verwenden oder an andere Nutzer:innen gegen die virtuelle Währung C-Dollar „verkaufen“ bzw. „vermieten“. Der Kläger erwarb nun im Programm virtuelles Land, parzellierte und gestaltete dieses und vermietete es an andere Nutzer:innen gegen Zahlung von C-Dollar, die er später über die Tauschbörse des Programms gegen US-Dollar veräußerte. Strittig war, ob der Kläger aufgrund seiner Tätigkeit steuerpflichtige Umsätze im Inland ausführte. Das Finanzamt behandelte die Umsätze ab dem Jahr 2015 als auf elektronischem Weg erbrachte Dienstleistungen. Da die Identität der Empfänger:innen (Wohnort, Unternehmer:in oder Nichtunternehmer:in) dieser Leistungen nicht bekannt war, schätzte das Finanzamt die Inlandsumsätze mit 70 %. Demgegenüber fehlte es nach Ansicht des Klägers an einem Leistungsaustausch zwischen ihm und den Nutzer:innen, da sowohl die Nutzer:innen als auch er nur Leistungsbeziehungen zu B unterhielten. Zwischen den Nutzer:innen von A würden hingegen keine realen Leistungen ausgetauscht. Erst bei Verlassen der virtuellen Welt, also beim Umtausch der C-Dollar, könne ein Leistungsaustausch stattfinden, der jedoch in Deutschland nicht steuerbar sei.
Urteil des Bundesfinanzhofs: Spielebetreiber fungiert als Kommissionär
Der Bundesfinanzhof stellt sich gegen die Vorinstanz. Demnach begründet nicht die spielinterne „Vermietung“ von virtuellem Land einen Leistungsaustausch, sondern der Umtausch der Spielewährung in ein gesetzliches Zahlungsmittel.
Spielinterne „Umsätze“ zwischen den Nutzer:innen finden nicht im realen Wirtschaftsleben statt. Sie dienen lediglich dem Erreichen des Spielzwecks. Anders hingegen sind die Leistungen des Spielebetreibers zu bewerten. Denn dieser erbringt Leistungen an die „Mieter“ des Klägers, die im Inland der Umsatzsteuer unterliegen können, z.B. durch die Gewährung des Zugangs zum Spiel.
Die Veräußerung der C-Dollar durch den Kläger erfolgte dagegen auf einem realen Markt. Der Kläger hat damit eine sonstige Leistung erbracht. Deren Empfänger war jedoch der Spielebetreiber, der insoweit als Kommissionär fungierte. Der Umsatz ist damit dort steuerbar, wo der Spielebetreiber sein Unternehmen betreibt, das heißt in den USA und nicht in Deutschland.
Achtung beim Übertritt von virtueller in reale Welt und umgekehrt
Das Urteil dürfte zunächst für Erleichterung beim Kläger, in der Spielebranche und bei Spieler:innen sorgen. Denn alles, was innerhalb des Spiels geschieht, hat dem Bundesfinanzhof zufolge in der Regel keine umsatzsteuerlichen Konsequenzen für die Nutzer:innen. Nur wer seine Erträge aus dem Spiel in reales Geld verwandelt, muss sich Gedanken machen. Ebenso kann der Kauf virtueller Währungen unter das Reverse-Charge-Verfahren fallen, sodass der Käufer im Inland Umsatzsteuer einzubehalten und ans Finanzamt abzuführen hat. Dies müssen auch die Spielebetreiber bei der Fakturierung beachten. Aufgrund der im Alltag zunehmenden Vermischung von realer und virtueller Welt stellt sich aber die Frage, ob die strikte Trennung des Bundesfinanzhofs diesbezüglich auch zukünftig Bestand haben wird.