Symbolisches Entgelt verhindert Vorsteuerabzug

Keine wirtschaftliche Tätigkeit? Kein Vorsteuerabzug.

Die Klägerin, eine Gemeinde, verpachtete ein ihr gehörendes Schwimmbad an einen Verein für jährlich 1 €. Zusätzlich verpflichtete sich die Gemeinde zur Zahlung eines Zuschusses von jährlich 75.000 € an den Verein. Der Zuschuss sollte der Förderung des Vereins im öffentlichen Interesse dienen und keinen Gegenwert für eine umsatzsteuerbare Leistung darstellen. Ursächlich für die Gestaltung war: Die Kommunalaufsichtsbehörde der Gemeinde hatte vorgegeben, dass die Unterdeckung des Bäderbetriebs 75.000 € nicht überschreiten dürfe.

Im Jahr 2015 erwog die Gemeinde, das Schwimmbad zu sanieren. Hierzu führte es ein Gespräch mit dem Finanzamt, um zu klären, ob ihr der Vorsteuerabzug aus der Sanierung zustehe. Das Finanzamt verneinte dies, da die Verpachtung unentgeltlich erfolge.

Die Vertragsparteien änderten daraufhin den Pachtvertrag. Die Pacht betrug nun 10.000 € zzgl. Umsatzsteuer. Eine Zuschussvereinbarung enthielt der Pachtvertrag nicht mehr. Stattdessen wurde eine separate Zuschussvereinbarung geschlossen. In dieser verpflichtete sich die Klägerin, einen Zuschuss in Höhe von jährlich 90.000 € an den Verein zu zahlen.
Trotz der neuen Vereinbarung lehnten das Finanzamt und die Vorinstanz den Vorsteuerabzug aus der Sanierung ab, da die Klägerin mit der Verpachtung keine wirtschaftliche (unternehmerische) Tätigkeit entfalte.

Urteil des Bundesfinanzhofs

Laut Bundesfinanzhof tritt bei einem jährlichen Entgelt von 1 € – bei zugleich erheblichen Aufwendungen für das Schwimmbad (Sanierung) – die Entgeltverpflichtung so sehr in den Hintergrund, dass es an einem Zusammenhang zwischen Entgelt und der Nutzungsüberlassung fehlt. Der Bundesfinanzhof bezieht sich hierbei auf die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH), der einen Leistungsaustausch im Falle einer Asymmetrie zwischen Entgelt und Kosten verneint. Ein Vorsteuerabzug ist daher nicht zulässig. Auch die Trennung von Pachtvertrag und Zuschussvereinbarung führt zu keinem anderen Ergebnis, da die Pachterhöhung (+ 10.000 €) durch einen erhöhten Zuschuss (+ 15.000 €) finanziert wird.

Lassen Sie ungewöhnliche Konstellationen prüfen

Bis dato wurde in solchen Fällen die Unternehmereigenschaft des „Leistenden“ gegebenenfalls versagt. Nun kommt der Bundesfinanzhof zum Ergebnis, dass es an einem Leistungsaustausch fehlt. Im Hinblick auf den Vorsteuerabzug kommen jedoch beide Sichtweisen zum gleichen Ergebnis: Er entfällt.

Allerdings bedeutet dies nicht, dass der Vorsteuerabzug bei niedrigen, eher marktuntypischen Entgelten nun per se entfällt. Vielmehr ist zu prüfen, ob eine Asymmetrie zwischen Leistung und Gegenleistung besteht, die dem Vorsteuerabzug entgegensteht. 

Hier ist zu befürchten, dass die Finanzverwaltung zukünftig eine restriktivere Auffassung als die Unternehmen vertreten wird. Umso höher der Vorsteuerüberschuss und umso ungewöhnlicher der Fall ist, umso höher wird das Risiko sein, dass der Vorsteuerabzug nicht anerkannt wird. Im Zweifel ist daher zu prüfen, ob eine verbindliche Auskunft hierzu eingeholt werden sollte.

 

Bundesfinanzhof, Urteil vom 22.6.2022 – XI R 35/19

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