Hinzurechnungsbesteuerung: Substanznachweis auch in Drittstaatenfällen möglich

Hintergrund

Das deutsche Außensteuergesetz sieht bei einer entsprechenden Beteiligung von inländischen Steuerpflichtigen an niedrig besteuerten ausländischen Gesellschaften für „passive“ Einkünfte eine sogenannte Hinzurechnungsbesteuerung vor. Als Konsequenz unterliegen damit die ausländischen Einkünfte im Inland der Besteuerung. Derartige Missbrauchsbekämpfungsvorschriften sind nach Auffassung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) jedoch nur dann gerechtfertigt, wenn dem Steuerpflichtigen die Möglichkeit offensteht, die Missbrauchsvermutung zu widerlegen. Aufgrund der hierzu ergangenen Entscheidungen des Bundesfinanzhofs vom 22.5.2019 und 18.12.2019 muss dies auch in Drittstaatenfällen gelten. Das Bundesfinanzministerium (BMF) konkretisiert nun die Anforderungen in dem BMF-Schreiben vom 17.3.2021.

Substanznachweis auch in Drittstaatenfällen

Nach Auffassung des EuGH (Rechtssache Cadbury Schweppes vom 12.9.2006) ist eine Beschränkung der Grundfreiheit nur dann gerechtfertigt, wenn die Einschaltung der ausländischen Gesellschaft eine rein künstliche Konstruktion darstellt, die auf Umgehung der normalerweise geschuldeten nationalen Steuer ausgerichtet ist. Daneben müssten Anhaltspunkte vorliegen, die eine fiktive Ansiedlung ohne wirkliche wirtschaftliche Tätigkeit im EU-Staat nahelegen. Um eine EU-rechtskonforme Hinzurechnungsbesteuerung zu gewährleisten, hat der Gesetzgeber als Konsequenz den sogenannten Motivtest implementiert (§ 8 Abs. 2 Außensteuergesetz – AStG). In Drittstaatenfällen (z.B. Schweiz) galt dieser bislang nicht. Nach den oben genannten BFH-Entscheidungen muss die Nachweismöglichkeit auch in Drittstaatenfällen gelten, wenn der ausländische Staat mit Deutschland einen bilateralen Informationsaustausch gewährleistet.

Reaktion der Finanzverwaltung

Die Finanzverwaltung hat mit einem BMF-Schreiben auf die oben genannte Rechtsprechung reagiert und lässt den Entlastungsbeweis nach § 8 Abs. 2 AStG nunmehr auch in Drittstaatenfällen zu. Das BMF setzt sich insbesondere mit dem Nachweis einer tatsächlichen wirtschaftlichen Tätigkeit im ausländischen Staat auseinander und gibt entsprechende Beispiele. Überdies legt das BMF seine Auffassung bezüglich des Kriteriums „rein künstliche Gestaltung“ dar sowie sein Verständnis, in welchen Konstellationen ein bilateraler Informationsaustausch vorliegt, der den Anforderungen an eine Nachweiserbringung genügt.

Praxiseinschätzung

Die Finanzverwaltung hat relativ lange gebraucht, um auf die oben genannten BFH-Entscheidungen zu reagieren. Erwartungsgemäß legt das BMF enge Maßstäbe an die Nachweiserbringung an. Dies kann in Einzelfällen der Rechtsprechung des EuGH widerlaufen und somit unionsrechtlich bedenklich sein. Steuerpflichtige sollten daher in strittigen Fällen gegebenenfalls auf die Rechtsprechung des EuGH verweisen („Anwendungsvorrang des EU-Rechts“) und Fälle offenhalten.

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Benno Lange

Wirtschaftsprüfer, Steuerberater, Fachberater für Internationales Steuerrecht

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