Die Haftung des Geschäftsführers für Umsatzsteuer oder Inkompetenz schützt vor Strafe nicht

Fall

Der Kläger war alleiniger Geschäftsführer einer GmbH. Faktischer Geschäftsführer der GmbH war allerdings unstrittig der Sohn des Klägers, der formal als Prokurist bei der GmbH angestellt war. Im Jahr 2010 wurde die Steuerfahndung beim Kläger vorstellig. Sie stellte fest, dass der Kläger und sein Sohn mehrere Jahre Körperschaft-, Gewerbe- und Umsatzsteuer verkürzt hatten. Denn der Sohn hatte 67 Scheinrechnungen nicht existierender Firmen sowie 34 Buchungen ohne Belege für angebliche Wareneinkäufe in der Finanzbuchhaltung erfasst. Im anschließenden Strafverfahren wurde der Sohn wegen Steuerhinterziehung zu einer Freiheitsstrafe verurteilt, ebenso der Aussteller der Scheinrechnungen. Da die GmbH die gegen sie festgesetzten Steuernachzahlung aufgrund einer mittlerweile eingetretenen Insolvenz nicht beglich, nahm das Finanzamt den Kläger für die Steuerschulden der GmbH in Haftung. Der Kläger wendete hiergegen ein, dass die Geschäfte tatsächlich von seinem Sohn geführt wurden und er aufgrund seines Alters sowie seiner EDV-Kenntnisse nicht in der Lage gewesen sei, die Fehler in der Finanzbuchhaltung zu erkennen.

Urteil BFH

Laut BFH ist der Geschäftsführer einer GmbH nicht verpflichtet, die steuerlichen Angelegenheiten einer GmbH selbst zu erledigen. Er kann hiermit andere Personen beauftragen. Allerdings ist er verpflichtet diese sorgfältig auszuwählen und laufend zu überwachen. Geschieht dies nicht in ausreichendem Umfang, so stellt dies eine grob fahrlässige Pflichtverletzung dar. Dabei kann sich niemand auf das eigene Unvermögen berufen. Denn, wer nicht in der Lage ist, die Anforderungen an einen gewissenhaften Geschäftsführer zu erfüllen, muss von der Übernahme der Stellung des Geschäftsführers absehen bzw. dieses Amt niederlegen.

Auch den Einwand des Klägers, dass auch ein sorgfältiger Geschäftsführer die Scheinrechnungen und beleglosen Buchungen nicht hätte erkennen können, weist der BFH zurück. Denn für die Haftung reicht schon aus, dass der Kläger sich auf die faktische Geschäftsführung seines Sohnes eingelassen hat und ihn ohne Kontrollen gewähren lassen hat. Unabhängig hiervon, sind beleglose Buchungen bei einem Blick in die Finanzbuchhaltung durchaus zu erkennen.

Konsequenzen

Geschäftsführer einer GmbH können die steuerlichen Angelegenheiten Dritten übertragen. Sie müssen diese jedoch sorgfältig aussuchen und laufend überwachen. Die getroffenen Maßnahmen müssen geeignet sein, um ein Fehlverhalten rechtzeitig zu erkennen, z. B. durch Einrichtung eines Tax Compliance Systems. Wer den Beauftragten grenzenlos vertraut, muss sich im Falle eines Steuerschadens grobe Fahrlässigkeit vorwerfen lassen. Der Versuch sich vor Gericht mit der eigenen Unfähigkeit rauszureden, ist nicht nur zurecht zum Scheitern verurteilt, sondern führt geradewegs in die Haftung. Unabhängig von der Haftungsfrage darf nicht übersehen werden, dass die Einrichtung geeigneter (Tax) Compliance Systeme auch das Unternehmen vor wirtschaftlichen Schäden schützt.

BFH vom 15.11.2022 VII R 23/19

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