Referentenentwurf zum Wachstumschancengesetz

 

Das Bundesministerium für Finanzen (BMF) hat am 17. Juli 2023 einen Referentenentwurf für ein Gesetz zur Stärkung von Wachstumschancen, Investitionen und Innovation sowie Steuervereinfachung und Steuerfairness veröffentlicht (Wachstumschancengesetz). Mit dem Referentenentwurf greift das BMF eine Vielzahl von Maßnahmen auf, um die bestehenden steuergesetzlichen Rahmenbedingungen anzupassen, weiterzuentwickeln und gleichzeitig die Transformation der Wirtschaft mit Blick auf das Erreichen von Klimaschutzzielen anzukurbeln. 
Folgende Maßnahmen werden hierbei in Aussicht gestellt: 

Außersteuerliche Maßnahmen

  • Einführung einer Investitionsprämie für Unternehmen, die eine Anschaffung oder Herstellung von Wirtschaftsgütern mit verbesserter Energieeffizienz fördern soll. Hierbei sollen Unternehmen zukünftig bis zu 15 % der getätigten Aufwendungen in Anspruch nehmen können. 
  • Verbesserungen im Bereich der Forschungszulage: Zukünftig soll die Bemessungsgrundlage der förderfähigen Aufwendungen auf insgesamt 12 Mio. € erweitert werden.

Ertragsteuerliche Maßnahmen

  • Einführung einer Freigrenze für Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung: Zukünftig sollen Einnahmen bis zu einer Steuerfreigrenze von 1.000 € von der Besteuerung ausgenommen werden. 
  • Die Grenze der sofortabschreibungsfähigen „geringwertigen Wirtschaftsgüter“ soll von 800 € auf 1.000 € angehoben werden. Für die Bildung steuerlicher Sammelposten soll die Grenze von 1.000 € auf 5.000 € erhöht werden.
  • Erhöhung der Sonderabschreibung von 20 % auf bis zu 50 % der Anschaffungs- oder Herstellungskosten: Das erweiterte Abzugsvolumen kann für Unternehmen in Betracht kommen, deren Gewinn im Jahr vor der Anschaffung oder Herstellung die maßgebliche Grenze von 200.000 € nicht überstiegen hat. 
  • Erweiterung des steuerlichen Verlustrücktrags von zwei auf nunmehr drei Veranlagungszeiträume: Im Falle eines Verlustvortrags soll für die Veranlagungszeiträume 2024 bis 2027 die Mindestbesteuerung ausgesetzt werden. Dies soll auch für Zwecke des vortragsfähigen Verlustes bei der Gewerbesteuer gelten. Ab dem Veranlagungszeitraum 2028 soll eine Verlustverrechnung bis zur Höhe von 10 Mio. € (bzw. 20 Mio. € im Fall der Zusammenveranlagung) möglich sein. Für Einkünfte aus Kapitalvermögen gelten weiterhin gesonderte Verlustverrechnungsbeschränkungen. 
  • Erweiterung der Thesaurierungsbegünstigung für Personengesellschaften (§ 34a EStG): Zukünftig soll das Thesaurierungsvolumen um die gezahlte Gewerbesteuer und um Entnahmen, die für die Zahlung der auf die thesaurierten Gewinne entfallenden Ertragsteuer, erhöht werden. Zudem soll die Verwendungsreihenfolge im Zusammenhang mit der Nachversteuerung verbessert werden.
  • Steigerung der Attraktivität der Option zur Körperschaftbesteuerung (§ 1a KStG): Das sogenannte Optionsmodell soll zukünftig auf sämtliche Personengesellschaften ausgeweitet werden und auch Neugründungsfälle miteinschließen. Für vermögensverwaltende Personengesellschaften bestehen weiterhin umwandlungssteuerrechtliche Hürden, die eine Optionsausübung meist nur unter Inkaufnahme der Besteuerung stiller Reserven ermöglicht. 
  • Anpassung der Regelung zur Zinsschranke (§ 4h EStG): Zukünftig sollen die Konzernklausel und der Eigenkapitalvergleich entfallen und die bislang geltende Freigrenze von 3 Mio. € durch einen Freibetrag in betragsidentischer Höhe ersetzt werden. Unternehmen mit Nettozinsaufwendungen bis zu einem Volumen von 3 Mio. € werden von den Regelungen zur Zinsschranke nicht tangiert.
  • Einführung einer Zinshöhenschranke: Mit dieser Neuregelung sollen Zinsaufwendungen zwischen verbundenen Unternehmen nur dann steuerlich abziehbar sein, soweit die Zinsaufwendungen den um zwei Prozentpunkte erhöhten Basiszinssatz im Sinne des § 247 BGB nicht übersteigen. 
  • Anpassung der umwandlungssteuerrechtlichen Nachspaltungsveräußerungssperre (§ 15 UmwStG): In diesem Zuge wird die Begrifflichkeit der „außenstehenden Person“ gesetzlich definiert und die hierzu ergangene Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs berücksichtigt. Die Änderung betrifft insbesondere den Transaktionsbereich. 
  • Erweiterung der Unschädlichkeitsgrenze im Rahmen der erweiterten Gewerbesteuerkürzung: Um weiterhin den Ausbau von Solarstromerzeugung (u.a. Photovoltaik-Anlagen) und Ladesäulen anzukurbeln, soll die gewerbesteuerliche Unschädlichkeitsgrenze für Grundstücksunternehmen von 10 %  auf 20 % angehoben werden.

Umsatzsteuerliche Maßnahmen

  • Anhebung des Schwellenwerts zur Befreiung von der Abgabe  vierteljährlicher Umsatzsteuervoranmeldungen von 1.000 € auf 2.000 €.
  • Einführung einer gesetzlichen Pflicht zur Verwendung von elektronischen Rechnungen im B2B-Bereich: Weitere Hintergründe haben wir bereits in unserem Blogbeitrag vom 1.8.2023 zusammengestellt.

Verfahrensrechtliche Maßnahmen

  • Neueinführung einer Pflicht zur Mitteilung bestimmter innerstaatlicher Steuergestaltungen: Der Anwendungsbereich für die Mitteilungspflicht grenzüberschreitender Steuergestaltungen wird nunmehr auch auf innerstaatliche Steuergestaltungen ausgeweitet. Die Mitteilungspflicht ist zu erfüllen, wenn die Steuergestaltung mindestens ein definiertes Kennzeichen enthält und der Nutzer bzw. der Gegenstand der Steuergestaltung bestimmte Größenmerkmale überschreitet. 
  • Neueinführung eines internationalen Risikobewertungsverfahrens: Ein internationales Risikobewertungsverfahren ist eine gemeinsame Einschätzung von steuerlichen Risiken von bereits verwirklichten Sachverhalten mit einem oder mehreren Staaten oder Hoheitsgebieten in einem auf Kooperation und Transparenz angelegten Verfahren. Das Verfahren kann auf Antrag durch den Steuerpflichtigen oder auf Anregung eines anderes Staates geführt werden.

Fazit und Ausblick

Mit dem Referentenentwurf zu einem Wachstumschancengesetz strebt das BMF eine Vielzahl steuergesetzlicher Änderungen an, die es in diesem Umfang seit der Umsetzung der Unternehmensteuerreform 2008 nicht mehr gegeben hat. Neben einer Vielzahl in Aussicht gestellter Erleichterungen beinhaltet der Referentenentwurf auch einige restriktive, teils drastische Maßnahmen. Mit der Einführung eines Wachstumschancengesetzes sollen Möglichkeiten zur Investition und Innovation geboten und die Wettbewerbsfähigkeit des Standorts Deutschland gestärkt werden. Das weitere Gesetzgebungsverfahren bleibt abzuwarten. 

Referentenentwurf zum Wachstumschancengesetz vom 17.7.2023

Stefan Hamacher, LL.M.

Steuerberater, Fachberater für Internationales Steuerrecht

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Oliver Lohmar, LL.M.

Steuerberater

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Dr. Lutz Engelsing

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Matthias Kausemann

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