Grundstückserwerb: Haftung des Erwerbers für falschen Steuerausweis des Vorbesitzers?
Eintritt in Rechte und Pflichten des Vermieters
Der Grundsatz „Kauf bricht Miete nicht“ ist in der Immobilienbranche weit bekannt. In der Praxis übernimmt der Erwerber einer Immobilie dementsprechend regelmäßig die bestehenden Mietverträge und tritt damit zivilrechtlich in die Rechte und Pflichten des bisherigen Vermieters ein.
Im Urteilsfall enthielten die Mietverträge zu Unrecht den Zusatz „+ 19 % Mehrwertsteuer“. Der Erwerber nahm keine Anpassung der Mietverträge vor, erklärte gegenüber dem Finanzamt jedoch steuerfreie Vermietungsumsätze. Finanzamt und Finanzgericht waren der Auffassung, dass dem neuen Eigentümer die Mietverträge zusammen mit den Zahlungsbelegen zuzurechnen seien und er daher als Rechnungsaussteller die darin unrichtig ausgewiesene Umsatzsteuer schulde.
Bundesfinanzhof: Erwerber hat die Steuer nicht selbst ausgewiesen
Der Bundesfinanzhof hat die Entscheidung des Finanzgerichts aufgehoben und ausgeführt, dass nach dem Umsatzsteuergesetz derjenige die zu Unrecht ausgewiesene Steuer schuldet, der die Steuer in einer Rechnung ausweist. Da der Voreigentümer die Mietverträge abgeschlossen hatte und dieser dabei im eigenen Namen handelte, sei der Erwerber nicht Steuerschuldner.
Eine Zurechnung zum Erwerber kommt laut Bundesfinanzhof auch nicht auf anderer Grundlage in Betracht. So sei das Finanzgericht unzutreffend davon ausgegangen, dass ein vom Voreigentümer veranlasster unrichtiger Steuerausweis dem Erwerber aus dem zivilrechtlichen Eintritt in die Rechte und Pflichten aus dem Mietverhältnis zuzurechnen sei. Dieser Eintritt diene nach ständiger Rechtsprechung dem Schutz des Mieters und sei entsprechend nur anzuwenden, wenn der Mieterschutz es erfordere.
Geschäftsveräußerung im Ganzen
Der Verkauf einer Immobilie stellt, unter bestimmten Voraussetzungen, umsatzsteuerlich eine Geschäftsveräußerung im Ganzen dar. Dabei tritt der Erwerber in die Rechtsstellung des Veräußerers ein. Hierzu führt der Bundesfinanzhof aus, dass auch in diesen Fällen keine Steuerschuld des Erwerbers für zu Unrecht ausgewiesene Steuer des Veräußerers vorliegt.
Bei der Geschäftsveräußerung im Ganzen handele es sich um eine umsatzsteuerliche Einzelrechtsnachfolge. Ein unrichtiger Steuerausweis gehöre nicht zu den übertragenen Wirtschaftsgütern, auf die sich diese Einzelrechtsnachfolge beziehe.
Praxisfolgen
Das Urteil des Bundesfinanzhofs schafft für den Erwerber einer Immobilie erfreuliche Klarheit: Ein unrichtiger Steuerausweis ist eine höchstpersönliche Angelegenheit des Rechnungsausstellers. So hatte bereits der Europäische Gerichtshof entschieden, dass ein Arbeitgeber als Rechnungsaussteller anzusehen ist, wenn Rechnungen in seinem Namen von einem Arbeitnehmer ausgestellt werden, selbst wenn dieser hierzu zwar nicht befugt war, aber unabhängig hiervon nicht hinreichend überwacht wurde (EuGH-Urteil Dyrektor Izby Administracji Skarbowej w Lublinie vom 30.1.2024 – C-442/22, EU:C:2024:100, Rz. 31 und 35). Auch eine Geschäftsveräußerung im Ganzen führt nicht dazu, dass der Erwerber vollumfassend in die umsatzsteuerlichen „Fußstapfen“ des Verkäufers tritt.
Für den Verkäufer bedeutet das Urteil möglicherweise, dass er die von ihm offen ausgewiesene Umsatzsteuer – auch nach dem Verkauf – weiter schuldet.
Es empfiehlt sich daher, bei einer Immobilientransaktion bestehende Mietverträge mit offener Umsatzsteuerausweisung stets mit einem Steuerberater zu prüfen.