Update: Geschäftsführer aufgepasst – Haftung wird verschärft

 

Update 1.2.2021

Am 28.1.2021 hat der Bundestag eine Änderung des Covid-19-Insolvenzaussetzungsgesetzes (COVInsAG) verabschiedet. Danach ist die Aussetzung der Insolvenzantragspflicht unter bestimmten Voraussetzungen bis Ende April verlängert. 

Die Verlängerung der Aussetzung der Insolvenzantragspflicht entsprechend den bisherigen Regelungen des COVInsAG tritt rückwirkend zum 1.2.2021 in Kraft. Wichtig ist aber, dass die Verlängerung, wie bisher auch, an erhebliche Voraussetzungen geknüpft ist. So führt die Bundesregierung aus, dass die Verlängerung denjenigen zugutekommen soll, die „einen Anspruch auf finanzielle Hilfen aus den aufgelegten Corona-Hilfsprogrammen haben und deren Auszahlung noch aussteht“. Hierzu sei es Voraussetzung, dass die entsprechende Hilfe bis zum 28.2.2021 beantragt wird und diese finanzielle Unterstützung auch zur Aufhebung der Insolvenzreife geeignet ist. Die Anspruchsberechtigung eines betroffenen Unternehmens hinsichtlich der unterschiedlichen Corona-Hilfen ist wiederum von weiteren Bedingungen abhängig, die im Einzelfall vorliegen müssen. Dies gilt auch für Unternehmen die bis zum 28.2.2021 zwar (noch) keinen Antrag gestellt haben, aber grundsätzlich antragsberechtigt sind. Die Insolvenzantragspflicht setzt jedenfalls ein, wenn der Antrag auf Unterstützung abgelehnt wird oder die erlangbaren Mittel die Insolvenzreife des Unternehmens nicht beseitigen. Für die Beurteilung, ob die Verlängerung des COVInsAG dem jeweiligen Unternehmen zugutekommt, bedarf es neben einer (insolvenz-)rechtlichen Überprüfung auch – abhängig vom Sachverhalt – einer betriebswirtschaftlichen sowie einer beihilferechtlichen Beratung im Hinblick auf die Möglichkeiten der Beantragung von staatlichen Corona-Hilfen.

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Am 19.9.2020 wurde durch das Bundesministerium für Justiz und Verbraucherschutz der Referentenentwurf eines Gesetzes zur Fortentwicklung des Sanierungs- und Insolvenzrechts vorgestellt. Seit dem 14.10.2020 liegt nunmehr auch der Regierungsentwurf vor. Wir fassen Ihnen in einem separaten Beitrag die wesentlichen Inhalte des durch dieses Gesetz einzuführenden vorinsolvenzlichen Restrukturierungsverfahrens zusammen. Es ermöglicht einem Unternehmen, sich ohne oder nur mit geringer Beteiligung eines Gerichts durch Vereinbarung mit den Gläubigern zu sanieren. Soweit Änderungen der Insolvenzgründe und Insolvenzhaftungstatbestände vorgesehen sind, wollen wir Ihnen diese allerdings bereits jetzt kurz vorstellen. 

Interessen der Gläubiger müssen gewahrt werden

Durch den Gesetzentwurf rückt die drohende Zahlungsunfähigkeit in den Fokus. Drohende Zahlungsunfähigkeit liegt laut Entwurf vor, wenn innerhalb eines Prognosezeitraums von in der Regel zwei Jahren die Zahlungsunfähigkeit eintreten wird. Bereits mit dem Eintritt der drohenden Zahlungsunfähigkeit ist die Geschäftsleitung verpflichtet, die Interessen der Gläubiger zu wahren. Dies war bislang umstritten und jedenfalls nicht durch Haftungstatbestände flankiert. Die Geschäftsleitung soll sich nunmehr aber haftbar machen, wenn sie im Zustand der drohenden Zahlungsunfähigkeit nicht die Interessen der Gläubiger wahrt. Nach der Gesetzesbegründung können die Interessen der Gläubiger auf unterschiedliche Weise gewahrt werden, z.B. durch Einleitung eines Restrukturierungsprozesses. Weiterhin verpflichtet die drohende Zahlungsunfähigkeit aber nicht dazu, einen Insolvenzantrag zu stellen.

Abgrenzung drohende Zahlungsunfähigkeit vs. Überschuldung

Zudem soll der Tatbestand der Überschuldung modifiziert werden. Eine Überschuldung im Sinne des Insolvenzrechts liegt vor, wenn das Vermögen die Verbindlichkeiten nicht deckt und keine positive Fortführungsprognose existiert. Eine positive Fortführungsprognose liegt vor, wenn im Prognosezeitraum nicht Zahlungsunfähigkeit eintritt. Dabei soll der Zeitraum der Prognose, entgegen der bisher wohl überwiegenden Auffassung, nicht das laufende und das folgende Geschäftsjahr umfassen, sondern lediglich ein Jahr betragen. Damit wird eine Abgrenzung zwischen der drohenden Zahlungsunfähigkeit und der Überschuldung ermöglicht. So ist ein Unternehmen, das erst in über einem Jahr zahlungsunfähig zu werden droht, lediglich drohend zahlungsunfähig und nicht überschuldet. Ein solches Unternehmen muss daher nicht zwingend einen Insolvenzantrag stellen und kann auch von dem neuen Restrukturierungsverfahren Gebrauch machen. Aufgrund der Covid-19-Pandemie wird der Prognosezeitraum sogar auf vier Monate verkürzt, wenn das Unternehmen am 31.12.2019 noch zahlungsfähig war, im letzten Geschäftsjahr vor dem 1.1.2020 ein positives Ergebnis aus der gewöhnlichen Geschäftstätigkeit erwirtschaftet hat und im Krisenjahr 2020 einen Umsatzeinbruch in Höhe von mehr als 40 % erlitten hat. Corona-betroffene Unternehmen müssen also keinen Insolvenzantrag stellen, wenn sie zwar überschuldet sind, aber sich innerhalb der nächsten vier Monate voraussichtlich keine Zahlungsunfähigkeit ergibt und die vorgenannten Voraussetzungen erfüllt sind. 

Überschuldung ist weiterhin Grund für Insolvenzantrag

Die Überschuldung soll auch weiterhin zur Stellung eines Insolvenzantrags zwingen und diese Pflicht bleibt strafbewehrt. Allerdings wird der Zeitraum zur Prüfung der zur Verfügung stehenden Gegenmaßnahmen für die Überschuldung von drei auf sechs Wochen verlängert. Für die Zahlungsunfähigkeit bleibt es allerdings bei einem Zeitraum von drei Wochen. Im Falle der Überschuldung kann die Geschäftsleitung im Sechs-Wochen-Zeitraum unter weitergehenden Voraussetzungen Zahlungen im ordnungsgemäßen Geschäftsverkehr vornehmen, ohne später für diese Zahlungen persönlich haften zu müssen. 

Geschäftsführerhaftung wird verschärft

Ferner wird die Haftung der Geschäftsleitung an einer entscheidenden Stelle verschärft. So sollen Zahlungen auf Steuerforderungen zukünftig nicht mehr von der Haftung ausgenommen sein, was derzeit noch der Fall ist. Dies stellt Geschäftsführer vor erhebliche Probleme. So könnte die Situation eintreten, dass sich die Geschäftsführung gegenüber der Gesellschaft haftbar macht, wenn sie Steuern abführt, sich zugleich aber gegenüber der Finanzverwaltung haftbar macht, wenn sie Steuern nicht abführt. Es bleibt zu hoffen, dass im weiteren Gesetzgebungsverfahren die entsprechende Regelung noch gestrichen wird, weil die damit drohende Pflichtenkollision für Geschäftsleiter eine erhebliche Belastung darstellt.

Haftungsverschärfung zwingt zu vorausschauenderer Unternehmensplanung

Die teilweise Haftungsverschärfung und Vorverlagerung auf den Zustand der drohenden Zahlungsunfähigkeit wird (falls der Referentenentwurf umgesetzt werden sollte) Geschäftsleiter zu einer Unternehmensplanung, insbesondere zu einer Liquiditätsplanung, mit einem Planungshorizont von mindestens zwei Jahren zwingen. Denn nur aufgrund einer konsequenten, detaillierten und fortgeschriebenen Planung kann die Geschäftsleitung erkennen, ob innerhalb der folgenden zwei Jahre die Zahlungsunfähigkeit einzutreten droht und ggf. Gegenmaßnahmen ergreifen. 

Fragen? Die Experten der dhpg helfen Ihnen gerne weiter

Die Steuerberater und Wirtschaftsprüfer der dhpg stehen Ihnen gerne zum Thema Unternehmensplanung zur Verfügung. Die Rechtsanwälte der dhpg unterstützen Sie in allen Fragen der Haftung von Geschäftsleitern, angefangen bei der Haftungsvorbeugung bis hin zur Verteidigung gegen Haftungsansprüche. Sprechen Sie uns gerne an. 

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Christian Senger

Rechtsanwalt, Fachanwalt für Insolvenz- und Sanierungsrecht

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