Feststellungen von Grundbesitzwerten und zur Steuerverschonung in Vermächtnisfällen
Kernaussage
Die obersten Finanzbehörden der Länder setzen die BFH-Rechtsprechung zur Grundbesitzfeststellung und zur Steuerverschonung in Vermächtnisfällen um. Die abweichenden Regelungen in den ErbStR sind nicht mehr anzuwenden.
Hintergrund
Nach der Entscheidung des BFH vom 06.05.2021 – II R 34/18 ist in Vermächtnisfällen der Grundbesitzwert nach § 151 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 BewG gegenüber dem Erben und dem Vermächtnisnehmer einheitlich festzustellen. Eine eigenständige Feststellung gegenüber dem Vermächtnisnehmer, wie in R B 151.2 Absatz 2 Nummer 4 ErbStR vorgesehen, lehnt das Gericht ab. Ein nur gegenüber dem Vermächtnisnehmer ergangener Feststellungsbescheid ist nach Ansicht des BFH jedoch nicht nichtig. Diese Urteilsgrundsätze lassen sich auch auf Feststellungen nach § 151 Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 bis 4 BewG übertragen.
Nach der Entscheidung des BFH vom 16.03.2021 – II R 3/19 ist der Erbe am Feststellungsverfahren im Bereich der Steuerentlastungen für Unternehmensvermögen nicht zu beteiligen, wenn er aufgrund einer letztwilligen oder rechtsgeschäftlichen Verfügung des Erblassers verpflichtet ist, das dem Grunde nach steuerbegünstigte Vermögen vollständig auf den Vermächtnisnehmer zu übertragen. Dem Erben steht in diesem Fall die Steuerentlastung für das Unternehmensvermögen nicht zu.
Inhalt
Aufgrund der beiden genannten BFH-Urteile sind die Regelungen des R B 151.2 Absatz 2 Nummer 4 ErbStR nicht mehr anzuwenden. In allen offenen Fällen gilt nunmehr Folgendes:
- Die Wertfeststellung nach § 151 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 bis 4 BewG erfolgt gesondert und einheitlich gegenüber dem Erben/der Erbengemeinschaft und dem Vermächtnisnehmer. Gleiches gilt, wenn der Erblasser hinsichtlich des dem Feststellungsverfahren unterliegenden Vermögensgegenstands mehrere Vermächtnisse angeordnet hat. Der Feststellungsgegenstand ist dem Erben/der Erbengemeinschaft bzw. dem den Grundbesitz oder die Beteiligung haltenden Unternehmen zuzurechnen (Beteiligte nach § 154 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 BewG). Neben dem Erben/der Erbengemeinschaft ist jeder Vermächtnisnehmer Beteiligter am Feststellungsverfahren nach § 154 Absatz 1 Satz 1 Nummer 3 BewG. Nach § 154 Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 BewG ist daneben auch der zur Abgabe der Feststellungserklärung Aufgeforderte (§ 153 BewG) Beteiligter am Feststellungsverfahren. Alle Beteiligten i. S. d. § 154 BewG sind im Feststellungsbescheid zu benennen.
- Die Feststellungen nach § 13a Absatz 4, Absatz 9a und § 13b Absatz 10 ErbStG sind gesondert gegenüber dem Vermächtnisnehmer oder gesondert und einheitlich gegenüber den Vermächtnisnehmern vorzunehmen, wenn das Vermächtnis den gesamten zum Nachlass gehörenden Vermögensgegenstand des nach § 13b Absatz 1 ErbStG begünstigungsfähigen Vermögens umfasst. Alle Beteiligten i. S. d. § 154 BewG sind im Feststellungsbescheid zu benennen. Der Erbe/die Erbengemeinschaft ist im Feststellungsverfahren nicht zu beteiligen. Es ist darauf zu achten, dass der Erbe/die Erbengemeinschaft nicht zur Abgabe der Feststellungserklärung nach §§ 13a, 13b ErbStG aufgefordert wird. Bei einem Einzelunternehmen ergeht die Aufforderung an den Vermächtnisnehmer.
- Die Feststellung nach § 151 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 bis 3 BewG und/oder die Feststellungen nach § 13a Absatz 4, Absatz 9a und § 13b Absatz 10 ErbStG sind gesondert und einheitlich gegenüber dem Erben/der Erbengemeinschaft und dem Vermächtnisnehmer/den Vermächtnisnehmern durchzuführen, wenn der dem Feststellungsverfahren unterliegende Vermögensgegenstand nur teilweise zu übertragen ist (teilweiser Übergang auf Vermächtnisnehmer). Neben dem Erben/der Erbengemeinschaft ist jeder Vermächtnisnehmer Beteiligter am Feststellungsverfahren. Alle Beteiligten i. S. d. § 154 BewG sind im Feststellungsbescheid zu benennen.
- Die vorgenannten Grundsätze gelten auch im mehrstufigen Feststellungsverfahren. Sie sind nicht anzuwenden, wenn für den Erben/die Erbengemeinschaft und den Vermächtnisnehmer voneinander abweichende Bewertungsstichtage maßgeblich sind.
- Sind ausnahmsweise für die Besteuerung des Erben und des Vermächtnisnehmers nicht dieselben Werte maßgeblich, ist eine einheitliche Feststellung der Grundbesitzwerte nicht möglich. In diesen Fällen erfolgen die jeweiligen Feststellungen unabhängig voneinander in getrennten Verfahren.
- Die vorgenannten Grundsätze gelten auch, sofern Gegenstand des Vermächtnisses ein Nießbrauchsrecht an einem Vermögensgegenstand ist, dessen Wert für die Begrenzung des Jahreswerts nach § 16 BewG gegenüber dem Nießbrauchsberechtigten festzustellen ist.
Hinweis
Die neuen Grundsätze werden im Erlass anhand von 6 Beispielen näher erläutert.
Fundstelle
Gleichlautende Ländererlasse vom 26.09.2022 - S 3190