„Wirtschaftliche Neugründung einer GmbH“ und die Bedeutung

Wirtschaftliche Neugründung oder bloße Änderung des Tätigkeitsgebiets? – Das ist die Frage!

Von der wirtschaftlichen Neugründung einer GmbH spricht man, wenn diese eine leere Hülle ist, sie also kein aktives Unternehmen betreibt, an das die Fortführung des Geschäftsbetriebs anknüpfen kann – sei es auch unter wesentlicher Umgestaltung, Einschränkung oder Erweiterung des Tätigkeitsgebiets. Konsequenz einer wirtschaftlichen Neugründung ist, dass sie gegenüber dem Registergericht offengelegt werden und die Geschäftsführung dieselben Versicherungen wie bei einer tatsächlichen Neugründung abgeben muss. Mit einem solchen Fall hatte sich das Berliner Kammergericht zu befassen. 

Wie kam es zu der Annahme einer „wirtschaftlichen GmbH-Neugründung“?

Bei einer bereits seit längerer Zeit ins Handelsregister eingetragenen GmbH wurde Anfang 2022 die Verlegung ihres Sitzes nach Berlin sowie die Bestellung eines neuen Geschäftsführers (unter Abberufung der bisherigen) in das Handelsregister eingetragen. Laut einer aktuellen Gesellschafterliste dieser GmbH war zudem der neue Geschäftsführer auch deren neuer Alleingesellschafter. Später im Jahresverlauf wurde die GmbH „Stück für Stück“ weiter verändert – durch Änderungsanträge an das Handelsregister zur Firmenbezeichnung und zum Unternehmensgegenstand. Gegenstand des Unternehmens sollte anstelle der Konstruktion von Wintergärten nunmehr bloß noch die „sonstige Verwaltung und Führung von Unternehmen“ sein. Daraufhin wurde das Registergericht hellhörig und verweigerte prompt die begehrte Eintragung der Änderungen. Man teilte dem Geschäftsführer mit, es läge eine wirtschaftliche Neugründung der GmbH vor, die bisher nicht offengelegt worden sei. Das wollte der Geschäftsführer so nicht hinnehmen und legte Beschwerde ein. Es kam, wie es kommen musste: Das Kammergericht entschied zu seinen Lasten. 

Änderung von Firma, Sitz und Unternehmensgegenstand sowie Austausch von Geschäftsführung und Gesellschaftern sind wichtige Indizien für „Neugründung“

Die Richter:innen hielten die Zurückweisung der angemeldeten Firmen- und Unternehmensgegenstandsänderung für richtig. Sie meinten, es habe offenkundig eine wirtschaftliche Neugründung vorgelegen, weshalb der GmbH-Geschäftsführer diese hätte offenlegen und die umfassenden gesetzlich vorgesehenen Versicherungen wie bei einer tatsächlichen Erstgründung hätte abgeben müssen. Indizien für eine wirtschaftliche Neugründung sind nach der Rechtsprechung insbesondere die Änderung der Firma und/oder die Auswechslung des Unternehmensgegenstands sowie parallel oder zeitlich eng nachfolgend eine Sitzverlegung, der Austausch der Geschäftsführung und der Verkauf aller Geschäftsanteile. Durch die Qualifizierung als wirtschaftliche Neugründung soll vermieden werden, dass die gesetzlichen Gründungsvorschriften umgangen werden und damit die Gefahr besteht, dass das Stammkapital bereits aufgezehrt ist, wenn die wirtschaftliche Tätigkeit (wieder) aufgenommen wird. Für das Gericht war hier ausschlaggebend, dass nicht nur der Sitz der GmbH verlegt, die Geschäftsanteile verkauft und die Geschäftsführung ausgetauscht worden seien. Insbesondere lege der ursprüngliche Unternehmensgegenstand nahe, dass es sich um ein primär handwerkliches und ortsbezogenes Unternehmen gehandelt habe und die Übernahme eines Kundenstamms zum neuen Sitz nach Berlin daher äußerst fernliegend erscheine. Der neue Unternehmensgegenstand bedeute darüber hinaus eine komplett geänderte Unternehmensausrichtung, die eine Übernahme von Personal und Sachausstattung nahezu ausschließe.

Was ist zu beachten?

Die Entscheidung zeigt, dass auch bei einer sukzessiv erfolgenden „Veränderung“ einer GmbH in Bezug auf deren Firma, Sitz, Tätigkeitsfeld, Geschäftsführung und Gesellschafterkreis Vorsicht geboten ist. Stellt sich die GmbH am Ende als völlig anderes Unternehmen dar, kann schnell eine wirtschaftliche Neugründung vorliegen. Bei allzu umfassenden Änderungen sollte dieses Risiko im Vorfeld der Handelsregisteranmeldung geprüft werden. Im Fall der Fälle muss unbedingt eine Offenlegung gegenüber dem Registergericht erfolgen; zudem hat die (neue) Geschäftsführung sämtliche Versicherungen wie bei einer tatsächlichen Neugründung abzugeben. Anderenfalls sollte dem Gericht schon im Rahmen der Handelsregisteranmeldung erläutert werden, weshalb trotz Vorliegens der Indizien im speziellen Fall nicht von einer wirtschaftlichen Neugründung auszugehen ist, um eine Zurückweisung der Anmeldungen zu vermeiden. 

Kammergericht Berlin, Beschluss vom 12.10.2022 – 22 W 48/22

Dr. Olaf Lüke

Rechtsanwalt, Fachanwalt für Steuerrecht, Fachanwalt für Handels- und Gesellschaftsrecht

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