Durchführung von Mitgliederversammlungen während der Corona-Pandemie

Hintergrund

Die Mitgliederversammlung des Vereins ist sein oberstes Willensbildungsorgan. Deshalb ist es wichtig, dass er von Zeit zu Zeit Mitgliederversammlungen abhält, um Entscheidungen zu treffen. Leider bereitet die aktuelle Corona-Pandemie den Vereinen derzeit erhebliche Schwierigkeiten hinsichtlich der Durchführung von Mitgliederversammlungen, weil Präsenzversammlungen gegenwärtig verboten sind. Und selbst wenn Lockerungen der Kontaktbeschränkungen erfolgen werden, ist fraglich, ob eine Versammlung sinnvoll und vertretbar ist. Es stellt sich also den Vereinsverantwortlichen derzeit die Frage, wie man sich vereinsrechtlich richtig verhält.

Der Gesetzgeber hat diese Schwierigkeiten gesehen und im vergangenen Jahr mit einem Maßnahmen-Gesetz (dem sogenannten Gesetz über Maßnahmen im Gesellschafts-, Genossenschafts-, Vereins-, Stiftungs- und Wohnungseigentumsrecht zur Bekämpfung der Auswirkungen der COVID-19-Pandemie, kurz COVMG) reagiert. Die Erleichterungen, die zunächst auf das Jahr 2020 begrenzt waren, wurden Ende letzten Jahres bis zum 31.12.2021 verlängert. Im Folgenden stellen wir diese Sonderregelungen dar:

Vorstände bleiben bis zur Neuwahl im Amt (Art. 2 § 5 Abs. 1 COVMG)

In vielen Vereinen erfolgt die Bestellung der Vorstandsmitglieder auf Zeit. Enthält die Satzung keine Regelung, dass der Vorstand trotz Zeitablaufs bis zur Wahl eines neuen Vorstands im Amt bleibt, endet seine Amtszeit mit Zeitablauf. Wenn nicht rechtzeitig vor Ablauf der Amtszeit des amtierenden Vorstands ein Nachfolger bestellt oder der amtierende Vorstand wiedergewählt wird, führt dies dazu, dass der Verein nicht mehr ordnungsgemäß vertreten werden kann, also handlungsunfähig ist. Dann ist gegebenenfalls bis zur nächsten Mitgliederversammlung ein Notgeschäftsführer durch das Amtsgericht zu bestellen. 

Angesichts der Corona-Pandemie hat der Gesetzgeber in Art. 2 § 5 Abs. 1 COVMG geregelt, dass alle Vereinsvorstände auch ohne eine entsprechende Satzungsregelung bis zur Neu- oder Wiederwahl im Amt bleiben. Dadurch wird eine ordnungsgemäße Vertretung der Vereine für den Fall gesichert, dass die Amtszeit von Vorstandsmitgliedern abläuft und die Vereine keine Mitgliederversammlung und Neuwahlen durchführen können. 

Online-Mitgliederversammlung (Art. 2 § 5 Abs. 2 COVMG) 

Mitgliederversammlungen sind gemäß § 32 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) grundsätzlich Präsenzveranstaltungen der Vereinsmitglieder. Virtuelle Mitgliederversammlungen bedurften bislang entweder einer ausdrücklichen Satzungsgrundlage oder der Zustimmung aller stimmberechtigten Mitglieder. 

Mit Art. 2 § 5 Abs. 2 COVMG hat der Gesetzgeber eine Sonderregelung zu § 32 Abs. 1 Satz 1 BGB geschaffen, nach der Mitgliederversammlungen auch ohne ausdrückliche Ermächtigung in der Vereinssatzung virtuell durchführbar sind. Das für die Einberufung der Mitgliederversammlung zuständige Organ (in der Regel der Vorstand) kann die virtuelle Durchführung nach pflichtgemäßem Ermessen festlegen, ohne dass die Mitglieder ein Mitsprache- oder Vetorecht haben. Dabei hat der Vorstand die Wahl zwischen verschiedenen Varianten der Durchführung: 

  • virtuelle Mitgliederversammlung mit Online-Abstimmung, 
  • hybride Versammlung, die teils virtuell und teils präsent stattfindet, 
  • Stimmabgabe vor oder nach der (virtuellen) Mitgliederversammlung oder 
  • keine Mitgliederversammlung und Beschlussfassung im vereinfachten Umlaufverfahren. 

Für eine digitale Stimmabgabe sind Vorkehrungen zu treffen, damit eine mehrfache Abgabe von Stimmen unterbunden und eine ordnungsgemäße Beschlussfassung gewährleistet ist. Bei den technischen Anforderungen ist darauf zu achten, dass diese den Mitgliedern zumutbar sind. Das Maß des Zumutbaren ist während der Corona-Pandemie weit zu fassen. Gerade während der aktuellen Krisensituation ist der Verein nicht dazu verpflichtet, eine Kommunikation auf jede erdenkliche Weise anzubieten. Technische Störungen bei der Teilnahme an der virtuellen Mitgliederversammlung stellen nach überwiegender Meinung keinen Anfechtungsgrund dar. Das Risiko einer verhinderten Teilnahme trägt damit – wie bei Präsenzveranstaltungen das Anreiserisiko – das Mitglied. Für die Aktiengesellschaft ist das in § 243 Abs. 3 Aktiengesetz (AktG) zur virtuellen Hauptversammlung inzwischen ausdrücklich geregelt.

Stimmabgabe vor der Mitgliederversammlung (Art. 2 § 5 Abs. 2 Nr. 1 COVMG)

Das Stimmrecht eines Mitglieds kann grundsätzlich nur persönlich und nur während der Mitgliederversammlung sowie nach Aufforderung zur Stimmabgabe durch den Versammlungsleiter ausgeübt werden. Gegebenenfalls sieht die Satzung vor, dass die Stimmabgabe durch einen Stellvertreter zulässig ist. 

Nach Art. 2 § 5 Abs. 2 Nr. 1 COVMG können Mitglieder, die nicht an der Mitgliederversammlung teilnehmen, ihr Stimmrecht ausüben, indem sie nach Erhalt der Einladung und der Tagesordnung ihre Stimme durch ein eigenhändig unterzeichnetes Schreiben bereits vor der Versammlung abgeben.

Beschlussfassung OHNE Mitgliederversammlung (Art. 2 § 5 Abs. 3 COVMG)

Es besteht die Möglichkeit, Beschlüsse im Umlaufverfahren ohne Mitgliederversammlung zu fassen. Bei fehlender Satzungsgrundlage war hierfür bislang nach § 32 Abs. 2 BGB die schriftliche Zustimmung aller Mitglieder erforderlich. 

Die Sonderregelung in Art. 2 § 5 Abs. 3 COVMG erleichtert die Anforderungen an Beschlussfassungen außerhalb einer Mitgliederversammlung. Eine Beschlussfassung ohne Mitgliederversammlung ist nunmehr möglich, wenn alle Mitglieder beteiligt sind und mindestens die Hälfte der stimmberechtigten Mitglieder ihre Stimme zu der Beschlussvorlage fristgerecht in Textform (z.B. per Fax, E-Mail oder Brief) abgibt. 

Die Fristsetzung muss im Einzelfall angemessen sein. Für die eigentliche Beschlussfassung trifft Art. 2 § 5 Abs. 3 COVMG keine Vorgaben, sodass die satzungsmäßigen Mehrheitserfordernisse bzw. die gesetzlichen Regelungen gelten. 

Aussetzung der satzungsmäßigen Einberufungspflicht (Art. 2 § 5 Abs. 2a COVMG)

Wenn nach der Satzung eine Mitgliederversammlung zu einem bestimmten Zeitpunkt oder innerhalb eines bestimmten Zeitraums stattzufinden hat, war fraglich, ob in Anbetracht der coronabedingten Beschränkungen ein Aufschieben der Mitgliederversammlung möglich ist. 

Im Zuge der Verlängerungsverordnung zum COVMG hat der Gesetzgeber nun einen Aufschub der Mitgliederversammlung ausdrücklich geregelt. Die Voraussetzungen sind, dass Präsenzversammlungen nicht möglich sind und eine virtuelle Mitgliederversammlung nicht mit zumutbarem Aufwand für den Verein und die Mitglieder durchgeführt werden kann. 

Anwendbarkeit für sämtliche Vereinsorgane (Art. 2 § 5 Abs. 3a COVMG) 

Die bisherigen Sonderregelungen zur Beschlussfassung mit und ohne Versammlung nach Art. 2 § 5 Abs. 2 und 3 COVMG galten nach ihrem Wortlaut nur für die Mitgliederversammlung. Insofern war streitig, ob der Vorstand und andere Vereinsorgane auch virtuell tagen und Beschlüsse ohne Versammlung fassen können. 

Mit Art. 2 § 5 Abs. 3a COVMG wird in der Verlängerungsverordnung zum COVMG nunmehr klargestellt, dass die Sonderregelungen auch für andere Vereinsorgane gelten. Diese können auf virtuelle Versammlungen zurückgreifen (§ 5 Abs. 2 Nr. 1 COVMG) und Stimmen ohne Anwesenheit und vor der Organsitzung abgeben (§ 5 Abs. 2 Nr. 2 COVMG). Die anderen Vereinsorgane können auch die erleichterten Voraussetzungen für eine Beschlussfassung außerhalb einer Versammlung ohne das Erfordernis der schriftlichen Zustimmung sämtlicher Organmitglieder (§ 5 Abs. 3 COVMG) nutzen.

Sollten Sie Fragen zur virtuellen Durchführung von Mitgliederversammlungen oder Fragen zum Gesellschaftsrecht haben, sprechen Sie uns gerne an. Wir beraten Sie persönlich. 

Dr. Olaf Lüke

Rechtsanwalt, Fachanwalt für Steuerrecht, Fachanwalt für Handels- und Gesellschaftsrecht

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