Steuerliche Korrektur von zinslosen Darlehen an ausländische Gesellschaften
Einleitung
Der Bundesfinanzhof hatte sich erneut mit § 1 des Außensteuergesetzes (AStG) als zentrale Korrekturvorschrift bei grenzüberschreitenden Leistungsbeziehungen auseinanderzusetzen. Zudem konnte er das Verhältnis zwischen § 1 AStG und dem Rechtsinstitut der verdeckten Gewinnausschüttung (vGA) konkretisieren, da sich regelmäßig die Frage stellt, nach welcher der beiden Regelungen und mit welchen Rechtsfolgen eine Korrektur zu erfolgen hat. Eine Korrektur nach § 1 AStG muss zudem nach neuerer Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs dem Steuerpflichtigen eine Entlastungsmöglichkeit bieten.
Sachverhalt
Die Klägerin, eine inländische GmbH, war in den Jahren 2003 und 2004 Alleingesellschafterin und zugleich Organträgerin der inländischen A-GmbH; daneben war sie Alleingesellschafterin einer tschechischen Kapitalgesellschaft. Zur Finanzierung eines Grundstücks gaben die Klägerin sowie die A-GmbH der tschechischen Gesellschaft ein langfristig verzinstes Darlehen. Die Darlehen wurden jedoch am 18.9.2003 mit Wirkung auf den 1.1.2003 sowie für die Zukunft zinsfrei gestellt. Das Finanzamt rechnete die nicht weiterbelasteten Zinsen in Höhe von 6,3 % außerbilanziell dem Einkommen nach § 1 AStG hinzu.
Korrektur nach § 1 AStG ...
Nach dem Urteil des Bundesfinanzhofs vom 27.11.2019 führt auf Ebene der Klägerin die vereinbarte zukünftige Zinslosigkeit in Höhe des ursprünglich vereinbarten Zinssatzes zutreffend zu einer außerbilanziellen Korrektur. Da Tschechien seit dem 1.5.2004 zur Europäischen Union gehört, müsse dem Steuerpflichtigen aber die Möglichkeit eingeräumt werden, Nachweise etwaiger wirtschaftlicher Gründe für den Abschluss des nicht fremdüblichen Geschäfts zu erbringen (vgl. dhpg Blog-Beitrag vom 5.6.2018). Hinsichtlich der zum 18.9.2003 rückwirkend verzichteten Zinsforderung müsse noch geklärt werden, ob der Anspruch im Zeitpunkt des Verzichts werthaltig war und ob die fehlende Besicherung der Zinsforderung im Zeitpunkt des Darlehensabschlusses nicht fremdüblich gewesen ist. Die Frage nach der Werthaltigkeit ist zu prüfen, weil nur bei bestehender Werthaltigkeit eine verdeckte Einlage vorliegen kann. Eine fehlende Fremdüblichkeit durch Verzicht auf die Besicherung könnte wiederum eine außerbilanzielle Korrektur nach § 1 AStG nach sich ziehen.
... aber auch nach vGA-Grundsätzen
Auf Ebene der A-GmbH kommt auch eine Korrektur nach den Grundsätzen der vGA in Betracht. Soweit die Rechtsfolgen der beiden Vorschriften nicht voneinander abweichen, kann der Rechtsanwender wählen, welche von ihnen er vorrangig prüfen möchte. Ein Vorrang der Vorschriften der vGA gibt es gegenüber § 1 AStG hingegen nicht. Aufgrund der bestehenden Organschaft wären bei Annahme einer vGA die Zinseinnahmen im Ergebnis bei der Klägerin jedoch nicht erfasst gewesen, sodass § 1 AStG anzuwenden sei. Bei der bereits entstandenen Zinsforderung im Zeitpunkt des Darlehensabschlusses wäre eine fehlende Besicherung ebenfalls an § 1 AStG zu messen.
Praxishinweis
Das Finanzgericht wird nun u.a. die Gelegenheit haben und prüfen, ob der Steuerpflichtige Nachweise für etwaige wirtschaftliche Gründe für den Abschluss des (nicht fremdüblichen) Geschäfts erbringen kann, sodass eine Einkünftekorrektur nach § 1 AStG aus europarechtlichen Gründen zu unterbleiben hat. Das Bundesministerium der Finanzen hatte mit Schreiben vom 6.12.2018 auf die Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs reagiert (vgl. dhpg Blog-Beitrag vom 5.2.2019) und den Nachweis restriktiv lediglich auf Sanierungsfälle begrenzt. Hier bleibt abzuwarten, ob das Finanzgericht dem folgen oder den Anwendungsbereich erweitern wird.