Konzernklausel nach § 6a GrEStG keine Beihilfe
Vorabentscheidungsersuchen des Bundesfinanzhofs
Mit Aussetzungs- und Vorlagebeschluss vom 30.5.2017 legte der Bundesfinanzhof dem Gerichtshof der Europäischen Union die Frage vor, ob die Steuervergünstigung des § 6a GrEStG eine europarechtlich unzulässige selektive Beihilfe für bestimmte Unternehmen oder Produktionszweige darstellt (dhpg Meldung vom 14.6.2017). Gemäß § 6a GrEStG wird die Grunderwerbsteuer für bestimmte Umwandlungsfälle innerhalb von Konzernen mit Beteiligungsverhältnissen von mindestens 95 % nicht erhoben. Der Gerichtshof der Europäischen Union hat nun in seinem Urteil vom 19.12.2018 entschieden, dass die Konzernklausel nicht die Tatbestandsvoraussetzungen einer Beihilfe im Sinne des Unionsrechts erfüllt. Damit gewinnt die Steuerbegünstigung an Rechtssicherheit und kann in der Praxis ohne europarechtliche Bedenken angewendet werden. Nach wie vor sind allerdings einzelne Tatbestandvoraussetzungen der Vorschrift umstritten.
Prüfungskriterien einer „staatlichen Beihilfe“
Nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union liegt eine „staatliche Beihilfe“ im Sinne von Art. 107 Abs. 1 AEUV (Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union) vor, wenn folgende vier Tatbestandsvoraussetzungen erfüllt sind. Zunächst muss eine staatliche Maßnahme oder eine Maßnahme unter Inanspruchnahme staatlicher Mittel vorliegen. Sodann wird geprüft, ob die Maßnahme die Eignung zur Beeinträchtigung des Handels zwischen den Mitgliedstaaten hat. Zudem muss durch sie dem Begünstigten ein selektiver Vorteil gewährt werden. Dieses Prüfungskriterium ist für steuerliche Begünstigungsvorschriften entscheidend, da die übrigen Voraussetzungen regelmäßig erfüllt werden. Der vierte Prüfungsschritt besteht darin, darzulegen, dass die Maßnahme den Wettbewerb verfälscht oder zu verfälschen droht.
Selektivitätsprüfung der Konzernklausel
Der Gerichtshof der Europäischen Union stellt fest, dass die Steuerbefreiung gemäß § 6a GrEStG einer übermäßigen Besteuerung entgegenwirken soll. Denn nach § 1 Abs. 2a und Abs. 3 GrEStG werde die Übertragung des betreffenden Grundstücks grundsätzlich bereits „eingangs“ besteuert, wenn die grundbesitzende Gesellschaft in einem Konzern mit einem Beteiligungsverhältnis von mindestens 95 % aufgeht. Würde später die Grundstücksübertragung aufgrund einer konzerninternen Umwandlung, wie im zu entscheidenden Fall einer Verschmelzung durch Aufnahme der 100 prozentigen grundbesitzenden Tochtergesellschaft, noch einmal besteuert, würde dies zu einer Doppelbesteuerung derselben Grundstücksübertragung führen. Die Beschränkung auf Umwandlungsvorgänge zwischen Gesellschaften, die während eines ununterbrochenen Zeitraums von mindestens fünf Jahren vor und fünf Jahren nach der Umwandlung durch eine Beteiligung von mindestens 95 % miteinander verbunden sind, könne als Missbrauchsverhinderungsregelung durch das Wesen oder den Aufbau des betreffenden Systems gerechtfertigt werden.
Bedeutung für Reformüberlegungen zum Share Deal
Dieses Urteil sollte bei den derzeitigen Reformüberlegungen zur Einschränkung des Share Deals bei der Grunderwerbsteuer (dhpg Meldung vom 12.7.2018) mit einbezogen werden. Ein Absenken der maßgeblichen Beteiligungsquoten von 95 % auf 90 % in den Tatbeständen des § 1 GrEStG könnte aufgrund des europäischen Beihilferechts auch die Absenkung der Beteiligungsschwelle in § 6a GrEStG erforderlich machen.