Kollektives Arbeitsrecht: Worauf Arbeitgeber achten sollten


Arbeitgeber, die tarifgebundene oder durch einen Betriebsrat mitbestimmte Unternehmen führen, sind besonderen Herausforderungen ausgesetzt. Für welche Unternehmen das Kollektivarbeitsrecht relevant ist und welche Themenbereiche aktuell wichtig sind, erläutern Senior Partner Michael Huth und Rechtsanwältin Jana Prasse vom Arbeitsrechtsteam der dhpg. 

Wie kommen Arbeitgeber mit dem kollektiven Arbeitsrecht in Berührung? 

Huth: Arbeitgeber kommen immer dann mit dem kollektiven Arbeitsrecht in Berührung, wenn Betriebsräte oder Gewerkschaften beteiligt sind oder Tarifverträge im Unternehmen zur Anwendung kommen. In unserer Beratungspraxis wenden sich Arbeitgeber beispielsweise mit Fragen zu Mitbestimmungsrechten ihres Betriebsrats oder mit Einzelfragen zu anzuwendenden Tarifverträgen an uns. Wir begleiten die Geschäftsführung oftmals auch bei Verhandlungen mit ihren Betriebsräten, z.B. beim Abschluss neuer Betriebsvereinbarungen, in konkreten Konfliktsituationen oder Krisen bis hin zur Betriebsschließung. 

Sind diese Themen denn nur für Unternehmen mit sehr vielen Mitarbeitenden relevant? 

Prasse: Nein. Auch für kleinere Betriebe, die bislang über keinen Betriebsrat verfügen, können diese Themen schneller relevant werden als ihnen oftmals bewusst ist. Ein Betriebsrat kann bereits in Unternehmen mit nur fünf Arbeitnehmenden gewählt werden. Ist das der Fall, hat das natürlich massive Auswirkungen auf die Unternehmensführung und bedeutet für die Inhaber:innen oder die Geschäftsführung eine deutliche Umstellung. 

Stichwort Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats: Sind diese auch bei aktuellen Themen wie Arbeitszeiterfassung und Hinweisgeberschutz zu berücksichtigen?

Huth: Unsere Erfahrung zeigt, dass betroffene Arbeitgeber auch bei vielen aktuellen Themen Fragen bezüglich der Beteiligung von Betriebsräten haben. Dies gerade auch, weil in der Presse oder Online-Netzwerken aktuelle Urteile besprochen und pauschale Aussagen zu Schlagzeilen werden, die bei näherer Betrachtung gar nicht unbedingt zutreffend sein müssen. Dies war beispielsweise bei einer Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts zur Arbeitszeiterfassung der Fall, die 2022 sehr starke mediale Aufmerksamkeit erfahren hatte. Das Gericht hatte hier im konkreten Einzelfall entschieden, dass der Betriebsrat sein Initiativrecht nicht auf ein elektronisches Zeiterfassungssystem beschränken durfte. Daraus wurde teilweise geschlossen: Betriebsräte haben bei der Arbeitszeiterfassung kein Mitbestimmungsrecht. Das ist in dieser Pauschalität aber falsch. Im Zusammenhang mit der Arbeitszeiterfassungspflicht können sich Mitbestimmungsrechte des Betriebsrates aus unterschiedlichen Aspekten heraus ergeben. 

Prasse: Auch bei der Umsetzung des Hinweisgeberschutzgesetzes und der Ausgestaltung von nun in vielen Unternehmen verpflichtend einzurichtenden Meldestellen ergeben sich immer wieder Fragen. Hier ist der Betriebsrat bei der konkreten Ausgestaltung zu beteiligen, manche Detailfragen sind aber aufgrund der noch sehr neuen Gesetzeslage nicht geklärt und bedürfen einer praktikablen Lösung für das Unternehmen. 

Gibt es Fragen, die in Unternehmen mit Betriebsrat auch abseits von aktuellen Themen immer wieder relevant sind? 

Prasse: Dauerbrenner gibt es, gerade auch im ganz alltäglichen Geschäft vieler Unternehmen. Beginnend bei der gar nicht so einfachen Durchführung der Betriebsratswahl, über die Einführung von Benefits für die Belegschaft bis zu Verhandlungen von Interessenausgleich und Sozialplan im Rahmen von Restrukturierungen. Für Arbeitgeber ist es besonders wichtig, dass sie das erforderliche Detailwissen haben, um hier im Einzelfall zielführend agieren zu können. Wir empfehlen diesbezüglich immer, sich möglichst vorausschauend zu informieren, um die Abstimmung mit dem Betriebsrat frühzeitig lenken zu können. Lässt man sich hingegen zum Mitbestimmungsrecht und seiner konkreten Reichweite erst beraten, wenn die Verhandlungen schon kurz vor dem Scheitern stehen, wird es oft schwierig, noch zum gewünschten Ergebnis zu gelangen. 

Das kollektive Arbeitsrecht umfasst auch das Recht der Tarifverträge. Welche aktuellen Entscheidungen haben tarifgebundene Unternehmen betroffen? 

Huth: Für Aufsehen hat in 2023 sicherlich die Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts gesorgt, in der es darum ging, ob Tarifverträge in der Zeitarbeitsbranche vom „equal pay“-Grundsatz für Leiharbeitnehmer:innen abweichen dürfen. Im Vorfeld bestand hier – sicherlich nicht nur bei unseren Mandantinnen und Mandanten – die verbreitete Befürchtung, dass das Bundesarbeitsgericht eine Zeitenwende in der Zeitarbeitsbranche einläuten würde. Diese Befürchtungen waren zum Glück unbegründet. Es bleibt dabei, dass das Arbeitsentgelt der Leiharbeitnehmer:innen in Tarifverträgen grundsätzlich anders als im Entleiherunternehmen festgelegt werden kann. Das schließt auch niedrigere Löhne ein, wobei es für die Praxis mehr darauf ankommt, dass die Löhne anders berechnet werden, was nicht unbedingt eine niedrigere Gesamtvergütung bedeuten muss.

Prasse: Ein branchenübergreifendes Grundsatzurteil aus Erfurt hat es auch in Bezug auf tarifvertragliche Regelungen zu Nachtzuschlägen gegeben. Diesbezüglich hat das Bundesarbeitsgericht entscheiden, dass eine Regelung in einem Tarifvertrag, die für unregelmäßige Nachtarbeit einen höheren Zuschlag vorsieht als für regelmäßige Nachtarbeit, wirksam sein kann. Voraussetzung dafür ist, dass aus dem Tarifvertrag erkennbar sein muss, dass ein sachlicher Grund für diese Ungleichbehandlung gegeben ist. 

Welche kollektivrechtlichen Themen werden zukünftig für Arbeitgeber wichtig und haben Sie diesbezüglich Empfehlungen? 

Huth: Sicherlich wird uns aufgrund der Krisenzeiten in den letzten Jahren und ihren mittelfristigen Auswirkungen die Restrukturierungsberatung in Unternehmen mit Betriebsräten verstärkt beschäftigen. Gerade wenn Unternehmen sich neu aufstellen müssen, um am Markt erfolgreich bestehen zu können, ist die vertrauensvolle Zusammenarbeit mit dem Betriebsrat ein nicht zu unterschätzender Faktor. Das ist auch eine Frage der Arbeitgebermarke und Mitarbeiterbindung.

Prasse: Das stimmt. In unserer Beratung erleben wir immer wieder, wie wichtig es ist, dass die Kommunikation zwischen Unternehmensführung und Betriebsrat funktioniert. Das kann gerade bei komplexen Themen, eingefahrenen Diskussionen oder eher schwierigen Gesprächspartnern manchmal eine Herausforderung für alle Beteiligten sein. Erfahrungsgemäß nützt aber das beste fachliche Wissen nur wenig, wenn der Kommunikationsfaden einmal gerissen ist. Gleichzeitig müssen Arbeitgeber wissen, welche Forderungen des Betriebsrats vertretbar sind und wann man in Verhandlungen hart bleiben muss. Unsere Empfehlung lautet daher, sich sowohl umfassend zu informieren als auch die Kommunikationskultur im Blick zu behalten. 

Michael Huth

Rechtsanwalt, Fachanwalt für Arbeitsrecht

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Jana Prasse

Rechtsanwältin

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