Bundesministerium der Finanzen nimmt Stellung zum fortführungsgebundenen Verlustvortrag

Fortführungsgebundener Verlustvortrag

Verlustvorträge von Kapitalgesellschaften gehen bei einem schädlichen Beteiligungserwerb grundsätzlich unter. Ein solcher liegt vor, wenn innerhalb von fünf Jahren mittelbar oder unmittelbar mehr als 50 % der Anteile an der Gesellschaft übertragen werden. Ausnahmen hiervon stellen die Konzernklausel, die Stille-Reserven-Klausel sowie die Sanierungsklausel dar. Eine weitere Möglichkeit zum Erhalt der ansonsten untergehenden Verlustvorträge bietet seit dem Jahr 2016 die Vorschrift des § 8d Körperschaftsteuergesetz. Hiernach können diese Verluste auf Antrag in sogenannte fortführungsgebundene Verlustvorträge umgewandelt werden. In einem Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen (BMF) nimmt die Finanzverwaltung nun Stellung zur Auslegung der Vorschrift und reagiert auf bestehende Rechtsunsicherheiten.

Formelle Voraussetzungen

Ein fortführungsgebundener Verlustvortrag setzt einen schädlichen Beteiligungserwerb voraus. Findet die Konzernklausel oder die Sanierungsklausel Anwendung oder erfolgt die Übertragung der Anteile unentgeltlich im Rahmen der vorweggenommenen Erbfolge, liegt ein solcher nicht vor. Findet die Stille-Reserven-Klausel Anwendung, liegt grundsätzlich ein schädlicher Beteiligungserwerb vor und die Verlustvorträge bleiben womöglich nur teilweise – in Höhe der vorhandenen stillen Reserven – erhalten und gehen im Übrigen unter. In diesem Fall steht den Steuerpflichtigen ein Wahlrecht zu: Sie können entweder die Anwendung der Stille-Reserven-Klausel oder (insgesamt) den fortführungsgebundenen Verlustvortrag wählen.

Ein fortführungsgebundener Verlustvortrag wird nur auf Antrag festgestellt. Der Antrag ist in der Steuererklärung für das Jahr zu stellen, in dem der schädliche Beteiligungserwerb eintritt. Unklar war bislang, wie lange der Antrag gestellt werden kann, wenn der schädliche Beteiligungserwerb erst später – zum Beispiel nach einer Betriebsprüfung – im Rahmen eines Änderungsbescheids berücksichtigt wird. Nach dem BMF-Schreiben kann der Antrag in diesen Fällen bis zur Unanfechtbarkeit des Änderungsbescheids gestellt werden. Nach Unanfechtbarkeit des Änderungsbescheids ist zudem die verfahrensrechtliche Änderbarkeit des Bescheids Voraussetzung. Dasselbe gilt auch für die Rücknahme eines bereits gestellten Antrags. Sowohl die Nachholung als auch die Rücknahme des Antrags verlangen aufgrund des Formerfordernisses die Abgabe einer berichtigten Körperschaftsteuererklärung.

Materielle Voraussetzungen

Die Anwendung der Vorschrift setzt voraus, dass die Körperschaft seit ihrer Gründung oder zumindest seit dem Beginn des dritten Veranlagungszeitraums vor dem schädlichen Beteiligungserwerb ausschließlich denselben Geschäftsbetrieb unterhält. Die Abgrenzung, wann in der Praxis noch von ein und demselben Geschäftsbetrieb auszugehen ist, ist in der Praxis schwierig. Hierzu stellt das BMF nunmehr fest:

  • Bei der Bestimmung und Abgrenzung von Geschäftsbetrieben ist auf die Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs zum gewerbesteuerlichen Begriff des Gewerbebetriebs sowie zur Ermittlung der Gewinnerzielungsabsicht abzustellen. Maßgeblich ist dabei der wesentliche Kern der Betätigung. Eine dynamische Entwicklung des Geschäftsbetriebs (von der Entwicklung hin zum Vertrieb) ist unschädlich. Bei einer Wertschöpfungskorrektur, bei der das Geschäftsmodell gänzlich angepasst wird, kann aber nicht mehr von demselben Geschäftsbetrieb ausgegangen werden.
  • Unterhält eine Körperschaft mehrere Geschäftsbetriebe, kommt der fortführungsgebundene Verlustvortrag nicht in Betracht.
  • Mehrere selbstständige Betätigungen können als einheitlicher Geschäftsbetrieb zu qualifizieren sein, wenn zwischen ihnen ein gegenseitiger Förder- und Sachzusammenhang gegeben ist (z.B. Autohaus mit angeschlossener Kfz-Werkstatt). Eine räumliche Trennung dieser Betätigungen soll gegen einen Förder- und Sachzusammenhang sprechen (z.B. unterschiedliche Restaurants in zwei verschiedenen Stätten).
  • Eine geringfügige weitere Betätigung soll unschädlich sein. Geringfügig ist die Betätigung, wenn sie 3 % der Gesamtumsätze der Körperschaft bzw. den Gesamtbetrag in Höhe von 24.500 € nicht übersteigt.


Das BMF nimmt weiter Stellung zu den schädlichen Ereignissen, die dazu führen, dass der festgestellte fortführungsgebundene Verlustvortrag in der Folge untergeht (z.B. Ruhendstellung, Änderung oder Aufnahme eines neuen Geschäftsbetriebs, Beteiligung an einer Mitunternehmerschaft oder Begründung einer Organschaft). Die Ausführungen werden anhand von Beispielen veranschaulicht. So soll z.B. der Wandel eines lokalen Vertriebslokals hin zu einem Onlinevertrieb noch nicht zur Änderung des Geschäftsbetriebs führen, auch nicht die Weiterentwicklung des Produktportfolios wie etwa die künftige Produktion von E-Bikes neben konventionellen Fahrrädern. Es verbleibt aber insgesamt bei einer Gesamtbetrachtung des Einzelfalls, sodass eine rechtssichere Beurteilung vieler Fälle weiterhin schwierig bleibt.

Gewerbesteuer

Die Bestimmungen des BMF-Schreibens gelten nach gleichlautenden Erlassen der Länder bei der Gewerbesteuer entsprechend.

Stefan Hamacher, LL.M.

Steuerberater, Fachberater für Internationales Steuerrecht

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Oliver Lohmar, LL.M.

Steuerberater

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