Berliner Testament – erbschaftsteuerliche Behandlung einer Jastrowschen Klausel

Bedeutung der Jastrowschen Klausel im Berliner Testament

Falls die gesetzlichen Erben – in der Regel die Kinder – keinen Pflichtteilsverzicht unterzeichnet haben, könnten sie beim Tod des Erblassers den Pflichtteil gegenüber dem länger lebenden Ehegatten einfordern. Dabei kann es vorkommen, dass der mögliche Pflichtteil aus diesem Erbfall, zusammengerechnet mit dem Pflichtteil aus dem zweiten Erbfall, höher ausfällt als der gesetzliche Erbteil derjenigen Erben, die ihren Pflichtteilsanspruch erst nach dem zweiten Erbfall geltend machen.

Um sowohl eine mögliche Benachteiligung derjenigen Erben, die ihren Pflichtteilsanspruch im ersten Erbfall nicht geltend machen, als auch potenzielle Zahlungsschwierigkeiten des länger lebenden Ehegatten aus Pflichtteilsansprüchen zu vermeiden, wird in der Praxis mit Pflichtteilsstrafklauseln gearbeitet. Solche Strafklauseln können mithilfe einer Jastrowschen Klausel noch verschärft werden. Bei der Aufnahme einer Jastrowschen Klausel ordnen die Ehegatten testamentarisch an, dass diejenigen Erben, die im ersten Erbfall ihren Pflichtteil nicht geltend machen, aus dem Nachlass des erstversterbenden Ehegatten ein sogenanntes betagtes Geldvermächtnis in Höhe ihres gesetzlichen Erbteils erhalten sollen. Das Vermächtnis wird aber erst mit dem Tod des zweiten Ehegatten fällig. Durch die Anordnung eines solchen Vermächtnisses reduziert sich der Pflichtteilsanspruch der enterbten Erben, die bereits im ersten (Vor-)Erbfall einen Pflichtteilsanspruch geltend gemacht haben. 

Erbschaftsteuerliche Behandlung eines betagten Vermächtnisses

In einem Fall aus dem Jahr 2012 hatte der Bundesfinanzhof nun darüber zu befinden, welche erbschaftsteuerlichen Implikationen sich aus einem mittels Jastrowscher Klausel angeordneten betagten Vermächtnis ergeben. Die Eltern der Klägerin hatten sich im Rahmen eines Berliner Testaments gegenseitig zu Alleinerben und die Klägerin sowie drei ihrer Geschwister zu Schlusserben eingesetzt. Zwei weitere Geschwister wurden enterbt. Als der Vater der Klägerin verstarb, machten die enterbten Geschwister ihren Pflichtteil gegenüber der Mutter geltend; die zu Schlusserben eingesetzten Kinder machten hingegen in Erwartung des zusätzlichen Vermächtnisses keinen Pflichtteil geltend. Nach dem Tod der Mutter im Jahr 2012 erklärten die Klägerin und ihre ebenfalls zu Schlusserben eingesetzten Geschwister in der Erbschaftsteuererklärung nach ihrer verstorbenen Mutter Nachlassverbindlichkeiten in Höhe des betagten Vermächtnisses. Dem folgte das Finanzamt jedoch nicht; allerdings unterblieb auch der Ansatz des Vermächtnisses als steuerpflichtiger Erwerb mit der Begründung, dass sich der aus dem Vermächtnis herrührende steuerpflichtige Erwerb und die von der Mutter geerbte Nachlassverbindlichkeit betragsmäßig aufhöben.

Entscheidungsgründe

Mit Verweis auf die gesetzlichen Regelungen zur Vor- und Nacherbschaft stellt der Bundesfinanzhof klar, dass das Vermächtnis aus erbschaftsteuerlicher Sicht als von der Mutter stammend anzusehen ist, da es erst bei deren Tod fällig wurde. Die Mutter konnte es daher als Alleinerbin ihres verstorbenen Mannes mangels Beschwer nicht als eigene Nachlassverbindlichkeit vom steuerpflichtigen Erwerb abziehen. Aber auch die Klägerin konnte im Streitfall das Vermächtnis nicht als Nachlassverbindlichkeit abziehen, weil das Vermächtnis im Erbfall der Mutter bei der Klägerin nicht der Besteuerung unterworfen wurde. Eine von der Klägerin gerügte doppelte Hinzurechnung hat mithin nicht stattgefunden. Wäre das Vermächtnis im Rahmen der Ermittlung des steuerpflichtigen Erwerbs im Erbschaftsteuerbescheid betragsmäßig angesetzt worden, hätte gleichwohl ein Abzug als Nachlassverbindlichkeit bei der Klägerin erfolgen müssen.

Fazit

Der Fall zeigt einmal mehr die Bedeutung testamentarischer Klauseln für das Steuerrecht. Im Idealfall sollten etwaige Klauseln vorab stets auf ihre steuerrechtlichen Folgen geprüft und mit allen Beteiligten, Vor- und Nacherben, zwecks Vermeidung von Überraschungen bereits zu Lebzeiten besprochen werden.

Bundesfinanzhof, Urteil vom 11.10.2023 – Az. II R 34/20
 

Stefan Hamacher, LL.M.

Steuerberater, Fachberater für Internationales Steuerrecht

Zum Profil von Stefan Hamacher, LL.M.

Patrick-Marcel Hagner

Steuerberater / Fachberater für Internationales Steuerrecht

Zum Profil von Patrick-Marcel Hagner

Oliver Lohmar, LL.M.

Steuerberater

Zum Profil von Oliver Lohmar, LL.M.

Julien Jeuckens

Steuerberater

Zum Profil von Julien Jeuckens

Justin Dieterling, LL.M.

Steuerberater

Zum Profil von Justin Dieterling, LL.M.

Kontakt

Nehmen Sie mit uns Kontakt auf

Mail Kontaktformular Telefon +49 228 81000 0 Newsletter Newsletter
YouTube Video laden
Permalink