Anträge zur „Aufbauhilfe 2021“ ab 17.9.2021 möglich
Nachdem der Bundestag am 10.9.2021 den Gesetzesentwurf zur Errichtung eines Sondervermögens „Aufbauhilfe 2021“ und zur vorübergehenden Aussetzung der Insolvenzantragspflicht wegen Starkregenfällen und Hochwasser im Juli 2021 sowie zur Änderung weiterer Gesetze (Aufbauhilfegesetz 2021– AufbhG 2021) verabschiedet hat, ist dieses nun am 15.9.2021 in Kraft getreten. Die wesentlichen Inhalte im Einzelnen.
30 Milliarden € Aufbauhilfe
Nach dem Gesetz wird ein Sondervermögensfonds „Aufbauhilfe 2021“ in Höhe von bis zu 30 Mrd. € eingerichtet, der der Bewältigung der Schäden durch das Juli-Hochwasser insbesondere in Rheinland-Pfalz und Nordrhein-Westfalen dient. Die Finanzmittel sind für geschädigte Privathaushalte, Unternehmen und andere Einrichtungen vorgesehen, mit dem Ziel, die lokale Infrastruktur wiederherzustellen.
Nordrhein-Westfalen (NRW)
Privatpersonen und Unternehmen der Wohnungswirtschaft
In NRW erfolgt für private Haushalte und Unternehmen der Wohnungswirtschaft eine Förderung in Höhe von bis zu 80 % der förderfähigen Kosten. Für Schäden am eigenen Hausrat wird in der Regel eine Pauschale gewährt, die sich an den im Haushalt zum Schadensereignis gemeldeten Personen bemisst. Einem Ein-Personen-Haushalt stehen 13.000 € zu, Mehrpersonenhaushalte erhalten eine gestaffelte höhere Pauschale.
Förderfähig sind u.a. Einkommenseinbußen aufgrund einer vollständigen oder teilweisen Unterbrechung der Geschäftstätigkeit während eines Zeitraums von höchstens sechs Monaten nach Schadenseintritt. Die Einkommenseinbuße wird auf Grundlage der Finanzdaten des betroffenen Unternehmens, anhand eines gesonderten Berechnungsverfahrens, ermittelt. Für die Bestimmung des Schadens sind anerkannte unabhängige Sachverständige zu beauftragen. Dies können Steuerberater (inklusive Steuerbevollmächtigte), Wirtschaftsprüfer oder vereidigte Buchprüfer sein.
Privatpersonen und Unternehmen können entsprechende Anträge ab dem 17.9.2021 über ein Online-Förderportal stellen. Hierzu ist eine Registrierung notwendig.
Unternehmen
Für Unternehmen stellt das Land NRW Soforthilfen in Höhe von 33 Mio. € für 6.600 Betriebsstätten bereit. Um Engpässe zu überbrücken und die Zahlungsfähigkeit zu sichern, bietet die NRW.Bank Unternehmenskredite ab 0,01 % an. Für kleine und mittlere Unternehmen gibt es Darlehen von bis zu 100.000 € mit einem 20-prozentigen Tilgungsverzicht.
Ab dem 17.9.2021 können Unternehmen bei Sachschäden Mittel für Reparaturkosten oder den wirtschaftlichen Wert geltend machen. Außerdem werden Einkommenseinbußen bis Januar 2022 kompensiert. Voraussetzung ist eine Begutachtung der entstandenen Schäden. Das Verfahren ist dreistufig:
- Beauftragung eines anerkannten Gutachters zur Schadensermittlung, soweit noch nicht vorliegend
- Unternehmen gehen zunächst auf die Kammern zu. Dort werden sie zur Antragstellung beraten und erhalten eine erste kursorische Prüfung der Anträge.
- Im Anschluss reichen sie den Antrag online bei der NRW.BANK ein. Diese bewilligt die Mittel und zahlt sie aus.
Unternehmerinnen und Unternehmen können bereits vor Beantragung der Gelder mit den Aufbauarbeiten beginnen.
Einzelheiten zur Aufbauhilfe NRW finden Sie auf der Website der Landesregierung.
Rheinland-Pfalz
Rheinland-Pfalz erhält rund 15 Mrd. € aus dem Aufbaufonds 2021 für den Wiederaufbau. Über die Errichtung eines Sondervermögens „Aufbauhilfe Rheinland-Pfalz 2021“ wird noch beraten. Parallel zur Errichtung des Sondervermögens arbeitet das Innenministerium derzeit an der Verwaltungsvorschrift zur Gewährung staatlicher Finanzhilfen. Diese soll in Kürze ebenfalls veröffentlicht werden.
Schäden, die unmittelbar durch die Starkregen- und Hochwasserkatastrophe Mitte Juli 2021 entstanden sind, sollen entschädigungsfähig sein. Ebenso Abriss-, Aufräum- und Entsorgungsarbeiten sowie dringend erforderliche temporäre Maßnahmen. Die Förderquote für private Haushalte sowie Vereine, Stiftungen und anerkannte Religionsgemeinschaften beträgt voraussichtlich 80 %. In begründeten Härtefällen können im Rahmen einer Einzelfallregelung bis zu 100 % des Schadens ausgeglichen werden. Für Schäden am Hausrat gibt es einen Pauschalbetrag.
Die Antragstellung für Privathaushalte und betroffene Unternehmen erfolgt über die Investitions- und Strukturbank Rheinland-Pfalz (ISB).
Aussetzung der Insolvenzantragspflicht
Mit dem Gesetz wird das Ziel verfolgt, den Geschädigten Zeit zur Prüfung ihrer „Überlebensfähigkeit“ zu verschaffen. Der Gesetzesbegründung ist zu entnehmen, dass bei Vorliegen klar definierter Voraussetzungen lediglich zeitlich begrenzt die straf- und haftungsrechtlichen Folgen einer nicht (rechtzeitigen) Insolvenzbeantragung entfallen. Dies zielt weder auf das Recht eines Geschäftsleiters ab, einen haftungsvermeidenden Insolvenzantrag zu stellen, noch gilt die Aussetzung bezüglich des Fremdantragsrechts der Gläubiger eines Unternehmens. Insofern obliegt es dem Geschäftsleiter, mit den Gläubigern in entsprechende Verhandlungen (über Verzichte, Stundungen, Ratenzahlungen, Tilgungsaussetzungen usw.) einzutreten und dies zu dokumentieren.
Die Voraussetzungen der Aussetzung der straf- und haftungsrechtlichen Folgen der Insolvenzantragspflicht sind, dass
- die Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung auf den Auswirkungen der Starkregenfälle oder des Hochwassers im Juli 2021 beruhen und
- anhaltende ernsthafte Finanzierungs- oder Sanierungsverhandlungen geführt werden und
- dadurch begründete Aussichten auf eine Sanierung bestehen.
Die Aussetzung der Insolvenzantragspflicht gilt rückwirkend zum 10.7.2021. Sie ist zunächst befristet bis zum 31.1.2022, mit der Möglichkeit einer Verlängerung bis längstens zum 30.4.2022, sofern dies aufgrund fortbestehender Nachfrage nach verfügbaren öffentlichen Hilfen, aufgrund andauernder Finanzierungs- oder Sanierungsverhandlungen oder aufgrund sonstiger Umstände geboten erscheint.
Was Geschäftsführer:innen betroffener Unternehmen nun dringend zu beachten haben, ist der Checkliste Flutkatastrophe zu entnehmen.