Anwendung der grunderwerbsteuerlichen Konzernklausel
Hintergrund der grunderwerbsteuerlichen Konzernklausel
Die grunderwerbsteuerliche Konzernklausel befreit Grundstücksübertragungen, die auf Umwandlungsvorgängen innerhalb eines Konzerns beruhen, von der Grunderwerbsteuer. Ein grunderwerbsteuerlicher Konzern setzt ein herrschendes Unternehmen und mindestens eine abhängige Gesellschaft voraus. Durch die Vorschrift sollen betriebswirtschaftlich sinnvolle Umstrukturierungen erleichtert werden. Trotz dieses sinnvollen Regelungszwecks führt die Norm bislang ein Schattendasein. Denn die Anwendung der Norm ist mit einigen Rechtsunsicherheiten behaftet. Abhilfe schaffte hier zunächst der Europäische Gerichtshof. Dieser hatte im Jahr 2018 entschieden, dass die grunderwerbsteuerliche Konzernklausel keine staatliche Beihilfe darstelle und nicht gegen das Europarecht verstoße (vgl. Blog-Beitrag vom 6.2.2019).
Ausweitung durch den Bundesfinanzhof
Umstritten war insbesondere, ob der Begriff des herrschenden Unternehmens mit dem umsatzsteuerlichen Unternehmerbegriff korreliert und eine Beteiligung im Betriebsvermögen voraussetzt. Ferner war fraglich, ob die fünfjährige Vor- und Nachbehaltensfrist auch dann gilt, wenn das herrschende oder abhängige Unternehmen umwandlungsbedingt entsteht oder untergeht. In all diesen Fragen teilt der Bundesfinanzhof die restriktive Auffassung der Finanzverwaltung nicht. Mit insgesamt sieben Entscheidungen aus dem Jahr 2019 sorgte der Bundesfinanzhof für eine deutliche Ausweitung des Anwendungsbereichs der grunderwerbsteuerlichen Konzernklausel (vgl. Blog-Beitrag vom 13.3.2020).
Anwendung durch die Finanzverwaltung
Die Urteile des Bundesfinanzhofs sind bereits im Bundessteuerblatt Teil II veröffentlicht und damit von der Finanzverwaltung über den entschiedenen Einzelfall hinaus für allgemein anwendbar erklärt worden. Begleitend wurden nun gleichlautende Erlasse der obersten Finanzbehörden der Länder zur Anwendung der grunderwerbsteuerlichen Konzernklausel veröffentlicht. Darin nimmt die Finanzverwaltung zur Auslegung der Norm Stellung. Die folgenden Punkte sind hervorzuheben:
- Erwartungsgemäß übernimmt die Finanzverwaltung die Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs, nach der die fünfjährigen Vor- und Nachbehaltensfristen nur insoweit zu beachten sind, wie dies umwandlungsbedingt möglich ist. Geht z.B. das abhängige Unternehmen infolge einer Verschmelzung unter, ist dies unschädlich.
- Bei den begünstigten Umwandlungsvorgängen erfolgt hinsichtlich der Richtung keine Differenzierung. Begünstigt sind sowohl horizontale (Sidestream-Merger) als auch vertikale Umwandlungen (Upstream-Merger und Downstream-Merger). Begrüßenswert ist die Klarstellung, dass auch die Abwärtsverschmelzung der Mutter- auf die Tochtergesellschaft begünstigt ist. Über diese Fallkonstellation war vom Bundesfinanzhof nicht explizit entschieden worden.
- Überraschend und nicht nachvollziehbar ist die Aussage, dass Fälle der Ausgliederung eines Einzelunternehmens auf eine neu zu gründende Kapitalgesellschaft nicht von der grunderwerbsteuerlichen Konzernklausel erfasst werden sollen. Eine Begründung enthalten die Erlasse insoweit nicht. Zwar hatte der Bundesfinanzhof über einen solchen Fall nicht entschieden. Er hatte aber klargestellt, dass die Ausgliederung zur Neugründung ein begünstigter Umwandlungsvorgang ist und die Konzernklausel für alle Rechtsträger gleichermaßen gilt. Für den „umgekehrten“ Fall – die Verschmelzung einer grundbesitzenden GmbH auf eine natürliche Person – hatte der Bundesfinanzhof die Anwendung der Konzernklausel zudem ausdrücklich bejaht. Die neuerliche Einschränkung der Finanzverwaltung findet überdies weder im Wortlaut noch im Sinn und Zweck der Norm Rückhalt und ist daher entschieden abzulehnen.
- Die Finanzverwaltung rückt davon ab, dass das herrschende Unternehmen ein Unternehmen im umsatzsteuerlichen Sinne sein muss. Es genügt eine „wirtschaftliche Tätigkeit“, an die keine hohen Anforderungen zu stellen sind. Es reicht aus, wenn das herrschende Unternehmen über eine Beteiligung an einer abhängigen Gesellschaft am Markt teilnimmt. Dem widerspricht es, dass reine Holdinggesellschaften nicht wirtschaftlich tätig sein sollen. Überdies muss das Merkmal der wirtschaftlichen Tätigkeit innerhalb der gesamten fünfjährigen Vor- und Nachbehaltensfrist vorliegen. Die Finanzverwaltung führt auch aus, wie das herrschende Unternehmen in mehrstöckigen Strukturen zu bestimmen ist („von unten nach oben“). Zu dieser Frage ist vor dem Bundesfinanzhof noch ein Revisionsverfahren anhängig (Bundesfinanzhof II R 13/20).
Erste Einordnung der gleichlautenden Erlasse
Es ist grundsätzlich zu begrüßen, dass die Finanzverwaltung die Rechtsprechungsgrundsätze des Bundesfinanzhofs anerkennt und in wesentlichen Fragen von ihrer restriktiven Auffassung abrückt. Erfreulich ist auch die Klarstellung, dass begünstigte Umwandlungsvorgänge unabhängig von der Umwandlungsrichtung erfasst werden, also insbesondere auch die Downstream-Verschmelzung von der Konzernklausel erfasst wird.
Zu kritisieren ist die nicht nachvollziehbare Einschränkung der Ausgliederung eines Einzelunternehmens zur Neugründung einer Kapitalgesellschaft. Die Finanzverwaltung erschwert damit weiterhin die rechtssichere Anwendung der grunderwerbsteuerlichen Konzernklausel und damit betriebswirtschaftlich sinnvolle Umstrukturierungen von Unternehmen. Ob die Finanzverwaltung an das Tatbestandsmerkmal der wirtschaftlichen Tätigkeit in der Praxis tatsächlich keine hohen Anforderungen stellen wird, bleibt abzuwarten.