Anfechtung einer Erbschaft bei nicht bemerkter Überschuldung des Nachlasses

Einmal Erbe – immer Erbe?

Ein Erbe kann die Erbschaft annehmen oder ablehnen. Für die Annahme ist keine besondere Erklärung erforderlich. Aber Achtung: sobald die Frist zur Erbausschlagung von sechs Wochen nach Kenntnis vom Erbfall verstrichen ist, gilt das Erbe als angenommen und man kommt „aus der Sache nicht mehr so einfach heraus“. Wer allerdings eine Erbschaft angenommen hat, ohne zu wissen, dass der Nachlass überschuldet ist, kann die Annahme wegen Irrtums noch nachträglich anfechten, wenn er eine wesentliche Forderung gegen den Nachlass irrtümlich übersehen hat. Dies entschied aktuell das Frankenthaler Landgericht.

Ahnungslosigkeit über die Vermögensverhältnisse des Erblassers …

Ein Mann hatte seinen Sohn per Testament als seinen Alleinerben eingesetzt. Vor dem Tode des Vaters hatten beide über längere Zeit keinen Kontakt mehr; der Sohn war über die finanzielle Situation seines Vaters nicht informiert. Nach dessen Tod zahlte die Witwe die Beerdigungskosten von rund 7.500 Euro, hinsichtlich derer sie dem Sohn noch zu Lebzeiten des Vaters mitgeteilt hatte, die Bestattung könne aus dem Verkaufserlös eines Pkw bezahlt werden. Es kam wie es kommen musste: nach dem Begräbnis verlangte die Witwe die Kosten gerichtlich vom Sohn erstattet mit der Begründung, er habe schließlich die Erbschaft nicht ausgeschlagen und müsse deshalb als Erbe dafür aufkommen. Daraufhin erklärte der empörte Sohn die Anfechtung der Erbschaftsannahme wegen Irrtums: er habe keine Kenntnis von den Vermögensverhältnissen seines Vaters gehabt, ferner habe er nicht gewusst, dass die Beerdigungskosten als Nachlassverbindlichkeiten vom Erben zu tragen seien und dass der Nachlass des Vaters damit überschuldet sei. Zur Überraschung der Witwe bekam er Recht. 

… schützt den Erben!

Die Richter glaubten dem Sohn und hielten die Anfechtung der Erbschaft für wirksam mit der Folge, dass er nicht länger Erbe war und der Witwe die Bestattungskosten deshalb auch nicht erstatten musste. Die unerkannte Überschuldung eines Nachlasses berechtigt nach der Rechtsprechung zur Anfechtung der Annahme einer Erbschaft. Voraussetzung ist, dass eine wesentliche Forderung gegen den Nachlass irrtümlich übersehen wird. Diese bestand hier in den Beerdigungskosten, die eine zur Überschuldung des Nachlasses führende Verbindlichkeit darstellten. Das Landgericht hielt auch die Erklärung des Sohnes, er habe sich über die Tatsache geirrt, dass die Bestattungskosten zum Nachlass gehören, für glaubwürdig. Für die Richter war nachvollziehbar, dass der Sohn auf die falsche Angabe der Witwe zur Finanzierbarkeit der Beerdigungskosten aus dem Verkauf eines PKW des Erblassers vertraut hatte.

Noch ist das letzte Wort aber nicht gesprochen

Da noch Berufung eingelegt werden kann, bleibt abzuwarten, ob das Oberlandesgericht die Ansicht der Unterinstanz teilt. Das Urteil zeigt jedenfalls, wie wichtig es ist, sich im Falle einer Erbschaft über das vorhandene Vermögen zu informieren und das Für und Wider einer Annahme oder Ausschlagung zu erwägen. Denn Teil des Nachlasses sind nicht nur positive Vermögenswerte, sondern auch Schulden. Dabei muss man wissen, dass nur ein Irrtum über den Bestand des Nachlasses zur Irrtumsanfechtung berechtigt – nicht aber eine Fehlvorstellung über den Wert einzelner Gegenstände. 

LG Frankenthal, Urteil vom 27.2.2025, 8 O 189/24
 

Dr. Andreas Rohde

Rechtsanwalt, Steuerberater, Fachanwalt für Steuerrecht

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Christina Schrey

Rechtsanwältin, Fachanwältin für Steuerrecht

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