Feststellung der Zuordnung des Arbeitnehmers im steuerlichen Reisekostenrecht

 

Suchen Arbeitnehmende gelegentlich eine ortsfeste betriebliche Einrichtung des Arbeitgebers auf, muss dies keine stillschweigende Zuordnung des Arbeitnehmers bedeuten.

Was war pasiert?

Kläger waren Eheleute, die für die Streitjahre 2015 bis 2017 zur Einkommensteuer zusammen veranlagt wurden. Beide haben ihren Wohnort in W. Der Kläger war in den Streitjahren als Bauleiter bei einem Bauunternehmen der Y-AG beschäftigt. Diese unterhielt eine Niederlassung in Z. Laut Arbeitsvertrag des Klägers war sein Einstellungsort ebenfalls in Z. Eine eindeutige Zuordnung wurde nicht getroffen.

Dem Kläger stand in den Streitjahren ein Firmenwagen – auch zur privaten Nutzung – zur Verfügung. In der Lohnsteuer-Anmeldung und in den Lohnabrechnungen des Klägers berücksichtigte die Y-AG im Rahmen der Nutzung des Firmenwagens für die Wege zwischen Wohnung und erster Tätigkeitsstätte die sogenannte 0,03 %-Regelung.
Die Kläger machten in ihren Einkommensteuererklärungen bei den Einkünften aus nicht selbstständiger Arbeit u.a. Werbungskosten für die Wege zwischen Wohnung und erster Tätigkeitsstätte geltend. Zusätzlich wurden Verpflegungsmehraufwendungen für die Abwesenheit von mehr als acht Stunden geltend gemacht. Hierfür reichte der Kläger als Nachweis eine Bescheinigung des Arbeitgebers ein.

Finanzamt versagt Mehraufwendungen und weist Einspruch ab

Das Finanzamt berücksichtigte im Jahr 2015 erklärungsgemäß die Entfernungspauschale, erkannte die Verpflegungsmehraufwendungen jedoch nicht an. Für 2016 und 2017 wurden die Verpflegungsmehraufwendungen anerkannt, dafür jedoch die Entfernungspauschale gekürzt. Gegen die Bescheide legte der Kläger Einspruch ein. Dieser wurde vom Finanzamt abgewiesen, weshalb es zur Klage beim Finanzgericht kam.

Gibt es eine erste Tätigkeitsstätte?

Das Finanzgericht entschied, dass der Kläger in den Streitjahren über keine erste Tätigkeitsstätte verfügte. Sie wird definiert als ortsfeste betriebliche Einrichtung des Arbeitgebers, eines verbundenen Unternehmens oder eines vom Arbeitgeber bestimmten Dritten, der der Arbeitnehmer dauerhaft zugeordnet ist.

Zwar handelt es sich bei der Niederlassung in Z unstrittig um eine ortsfeste betriebliche Einrichtung des Arbeitgebers, jedoch wurde in der Vorinstanz ohne Rechtsfehler eine Zuordnung des Klägers zu dieser Niederlassung verneint. Das Finanzgericht reduzierte aus diesem Grund den Arbeitslohn des Klägers um die sich aus der Anwendung der 0,03 %-Regelung ergebenden Beträge und erkannte die geltend gemachten Verpflegungsmehraufwendungen als Werbungskosten an.

Revision vor dem Bundesfinanzhof wird zurückgewiesen

Die Revision des Finanzamts hat der Bundesfinanzhof als unbegründet zurückgewiesen. Da der Kläger seine Tätigkeit als Bauleiter überwiegend außerhalb des Gebäudes der Niederlassung in Z ausübt und der Niederlassung lediglich aus organisatorischen Gründen zugeordnet wurde, stellt die Niederlassung keine erste Tätigkeitsstätte dar. Die 0,03 %-Regelung findet keine Anwendung. Der Werbungskostenabzug in Bezug auf die Verpflegungsmehraufwendungen wurde dem Kläger zu Recht gewährt, da er außerhalb seiner Wohnung und der ersten Tätigkeitsstätte beruflich tätig war.

Zuordnung zur betrieblichen Einrichtung ist ausdrücklich zu regeln

Haben die Arbeitsvertragsparteien – wie im Streitfall – davon abgesehen, den Arbeitnehmer einer betrieblichen Einrichtung ausdrücklich und eindeutig zuzuordnen, ergibt sich eine Zuordnung durch schlüssiges Verhalten entgegen der Ansicht des Finanzamts nicht allein aufgrund der Tatsache, dass der Steuerpflichtige einzelne, zu seinem Berufsbild gehörende Tätigkeiten in einer bestimmten betrieblichen Einrichtung seines Arbeitgebers erbringt oder erbringen muss. Dies gilt jedenfalls in Fällen wie dem Streitfall, der dadurch gekennzeichnet ist, dass der Kläger die betreffende ortsfeste Einrichtung – hier das Gebäude der Niederlassung in Z – nur gelegentlich aufsuchen muss, um anfallende Büroarbeiten zu erledigen oder an Besprechungen teilzunehmen, im Übrigen aber seine Arbeitsleistung ganz überwiegend außerhalb der festen Einrichtung erbringt.

Unser Tipp

Ist der Ort der ersten Tätigkeitsstätte nicht eindeutig im Arbeitsvertrag geregelt, empfiehlt es sich, vor dem Einreichen der Einkommensteuererklärung Rücksprache mit dem Arbeitgeber zu halten, um die Behandlung für die Einkommensteuererklärung zu definieren. 

Bei der Gestaltung von Arbeitsverträgen ist darauf zu achten, dass der Arbeitnehmer ausdrücklich und eindeutig durch (schriftliche oder mündliche) Festlegung, Absprache oder Weisung einer betrieblichen Einrichtung zuzuordnen ist (sofern von beiden Vertragsparteien gewünscht). 


Bundesfinanzhof, Urteil vom 14. September 2023, VI R 27/21

Dr. Lutz Engelsing

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