Zinsen für unberechtigten Vorsteuerabzug – hilft der Bundesfinanzhof?

Fall: Irrtümlicher Vorsteuerabzug in Deutschland für Umsatzsteuer aus anderen Mitgliedstaaten

Die Klägerin, ein Unternehmen mit Sitz in Deutschland, machte in Deutschland irrtümlich bzw. zu Unrecht ca. 2 Mio. € Vorsteuer aus Eingangsrechnungen geltend, die Umsatzsteuer aus anderen Mitgliedstaaten enthielten. Dies fiel im Rahmen einer Betriebsprüfung auf. Die Finanzverwaltung kürzte die Vorsteuer und forderte von der Klägerin eine entsprechende Umsatzsteuernachzahlung nebst Zinsen. Strittig ist die Festsetzung der Nachzahlungszinsen, deren Erlass die Klägerin im Billigkeitswege beantragt hatte. Dieser wurde ihr nicht gewährt. 

Die Klägerin vertritt – vereinfacht – den Standpunkt, dass eine Zinsfestsetzung nicht zulässig ist, soweit innerhalb der EU kein Steuerausfall entstanden ist. Denn dem unrechtmäßigen Vorsteuerabzug im Inland steht zu viel abgeführte Umsatzsteuer in den anderen Mitgliedstaaten gegenüber. Diese resultiert aus dem Umstand, dass die Lieferanten bei korrekter Deklaration steuerfreie innergemeinschaftliche Lieferungen hätten abrechnen müssen. Dies war aber aufgrund eingetretener Verjährung nicht mehr möglich. Der EU ist daher kein Schaden entstanden, wohl aber der Klägerin, da die Lieferanten unter Berufung auf die Verjährung eine Berichtigung der fälschlich ausgewiesenen Umsatzsteuer verweigerten. Eine Verzinsung ist daher in dieser Konstellation unter dem Gesichtspunkt des Neutralitätsgrundsatzes systemwidrig.

Entscheidung: Liquiditätsvorteil der Klägerin

Das Finanzgericht Rheinland-Pfalz lehnt die Klage ab. Demnach übersieht die Klägerin, dass die Verzinsung allein auf das Steuerschuldverhältnis zwischen der Klägerin und Deutschland abstellt und nicht zu einem anderen Mitgliedstaat. Hieraus resultiert ein Liquiditätsvorteil, da die Klägerin zum einen den innergemeinschaftlichen Erwerb nicht versteuert und zum anderen zu Unrecht Vorsteuer abgezogen hat. Dass die Klägerin die Vorsteuer an ihre Lieferanten ausgezahlt hat, ist für das Finanzgericht insoweit ohne Relevanz.

Wie geht es weiter?

Das Finanzgericht hat die Revision aufgrund eines weiteren zu dieser Thematik anhängigen Verfahrens beim Bundesfinanzhof zugelassen. Die Klägerin hat auch mittlerweile die Revision eingelegt.

Einschätzung

Es bleibt spannend. Es ist nicht auszuschließen, dass der Bundesfinanzhof die Verfahren dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) vorlegt. Sicherlich ist die Begründung des Finanzgerichts formaljuristisch nachvollziehbar. Andererseits ist es in der Praxis kaum vermittelbar, wenn dies mit einem Liquiditätsvorteil seitens der Klägerin begründet wird. Sicherlich hat diese Vorsteuer geltend gemacht, die ihr nicht zustand. Angesichts des Schadens, der der Klägerin entstanden ist, da sie die nun vom Finanzamt zurückgeforderte Vorsteuer aufgrund der Verjährung nicht mehr von ihren Lieferanten zurückbekommt, dürfte es für die Klägerin wie Hohn klingen, hier von Liquiditätsvorteil zu sprechen. Ob es billig ist, dies zusätzlich noch durch eine Verzinsung zu sanktionieren, wird sich zeigen.

Empfehlung für Sie

Sicherlich gibt es in der Praxis Fälle, wo z.B. unklar ist, ob eine steuerfreie innergemeinschaftliche Lieferung vorliegt oder eine im Inland steuerbare Montagelieferung. Hierbei sind Fehlbeurteilungen durchaus möglich. Das war aber hier nicht der Fall; hier wurde ausländische Umsatzsteuer im Inland in einer erheblichen Größenordnung als Vorsteuer geltend macht. Leider sagt das Urteil nicht, wie es zu so einem eklatanten Fehler kommen konnte.

Der Fall zeigt: Es spart eine Menge Geld, wenn sich jemand im Unternehmen mit Umsatzsteuer auskennt und entsprechende Kontrollen implementiert werden, damit Fehler frühzeitig entdeckt werden und nicht erst durch die Betriebsprüfung.

Darüber hinaus sollten ähnliche Fälle offengehalten werden, bis die Entscheidung des Bundesfinanzhofs hierzu vorliegt.

Finanzgericht Rheinland-Pfalz, Gerichtsbescheid vom 18.4.2024 – 3 K 1936/22 (vgl. auch Finanzgericht Rheinland-Pfalz, Gerichtsbescheid vom 18.4.2024 – 3 K 1447/23)
Weiteres anhängiges Verfahren: Bundesfinanzhof V R 14/23

Gert Klöttschen

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