Darlehen im Konzern – Bundesfinanzhof bezieht klar Stellung
Ausgangslage
Die Bestimmung eines angemessenen, das heißt fremdüblichen Zinssatzes für eine Darlehensgewährung innerhalb eines Konzerns, gehört seit Jahren zu den am heftigsten umstrittenen Fragestellungen auf dem an Streitpotenzial nicht armen Feld der steuerlichen Verrechnungspreise. Da sich durch Finanzierungstransaktionen mutmaßlich in großem Umfang Gewinne innerhalb einer Unternehmensgruppe auf Gesellschaften in niedrig besteuerten Gebieten verlagern lassen, hat die Finanzverwaltung hierauf ein besonderes Augenmerk. Einschlägige, erst recht höchstrichterliche Rechtsprechung zu dieser Thematik gibt es bislang vergleichsweise selten. Daher verdient eine aktuelle Entscheidung des Bundesfinanzhofs Beachtung.
Sachverhalt
Eine deutsche GmbH, die zu einem niederländischen Konzern gehört, hatte bei einer ebenfalls in den Niederlanden ansässigen Konzern-Finanzierungsgesellschaft (Schwestergesellschaft) mehrere Darlehen ohne Besicherung aufgenommen, für die in den Jahren 2001 bis 2004 Zinssätze zwischen 4,375 % und 6,45 % berechnet wurden. Die Zinssätze wurden von der Darlehensgeberin nach der Preisvergleichsmethode (Euribor zzgl. Zinsmarge) ermittelt. Das Finanzamt vertrat im Rahmen einer steuerlichen Außenprüfung die Auffassung, dass anstelle der Preisvergleichsmethode vorrangig die Kostenaufschlagsmethode zur Anwendung komme, da eine Konzern-Finanzierungsgesellschaft hinsichtlich ihrer Funktionen und Risiken nicht mit einer „echten“ Bank vergleichbar sei. Unter Anwendung der Kostenaufschlagsmethode gelangte das Finanzamt zu geringeren Zinssätzen und behandelte die von der GmbH gezahlten Zinsen teilweise als verdeckte Gewinnausschüttungen. Das Finanzgericht Münster folgte hinsichtlich der Methodenwahl grundsätzlich dem Finanzamt, nahm jedoch eine abweichende Berechnung vor und ermittelte hierdurch höhere Zinssätze (Urteil vom 7.12.2016 – 13 K 4037/13 K, F).
Entscheidung
Der Bundesfinanzhof hat die Entscheidung aufgehoben und den Fall an das Finanzgericht zurückverwiesen. In den Entscheidungsgründen stellt der Bundesfinanzhof deutliche Leitlinien für die Ermittlung fremdüblicher Zinsen auf Konzerndarlehen auf, die nicht nur das Finanzgericht Münster im zweiten Rechtsgang zu beachten hat, sondern die darüber hinaus auch grundsätzliche Bedeutung für ähnlich gelagerte Fälle haben:
- Der Bundesfinanzhof beschreibt die Preisvergleichsmethode als die „Grundmethode zur Bestimmung angemessener Verrechnungspreise“, die insbesondere für die Ermittlung fremdüblicher Darlehenszinssätze regelmäßig zur Anwendung kommt. Dies gelte ausdrücklich auch in Fällen einer fehlenden Besicherung der Darlehen.
- Nach Auffassung des Bundesfinanzhofs sind für die Bestimmung fremdüblicher Darlehenszinssätze sowohl der interne als auch der externe Preisvergleich zu berücksichtigen. Bei Anwendung des externen Preisvergleichs böten Unternehmensanleihen grundsätzlich einen geeigneten Vergleichsmaßstab.
- Für die Beurteilung der Bonität ist nicht die Kreditwürdigkeit des Gesamtkonzerns („Konzernrating“), sondern die Bonität der darlehensnehmenden Konzerngesellschaft maßgebend („Stand-alone-Rating“). Ein nicht durch rechtlich bindende Einstandsverpflichtungen verfestigter Konzernrückhalt ist nur zu berücksichtigen, falls ein konzernfremder Darlehensgeber der Konzerngesellschaft dadurch eine höhere Kreditwürdigkeit zuordnen würde.
Fazit
Nachdem verschiedene Entscheidungen des Bundesfinanzhofs zu Verrechnungspreisfragen in den vergangenen Jahren in der Fachwelt auf erhebliche Kritik gestoßen sind, ist das vorliegende Urteil uneingeschränkt zu begrüßen. Das oberste deutsche Finanzgericht stellt in seiner überzeugenden Urteilsbegründung einerseits den Vorrang der Preisvergleichsmethode, andererseits die Anwendung eines Stand-alone-Ratings erfreulich klar heraus. Diese deutliche Positionierung steht auch im Einklang mit den OECD-Verrechnungspreisrichtlinien und dürfte damit einen wichtigen Beitrag zur Vermeidung von Streitigkeiten im Rahmen von Betriebsprüfungen leisten. Mit Spannung bleibt abzuwarten, ob die Finanzverwaltung das Urteil über den entschiedenen Fall hinaus anwendet.
Weitere Entscheidungen
Zwischenzeitlich hat der Bundesfinanzhof zwei weitere Entscheidungen zur Angemessenheit der Verzinsung bei konzerninternen Darlehen veröffentlicht. Beide Urteile betrafen Fälle, in denen die Darlehen innerhalb eines Konzerns ohne Sicherheiten gewährt wurden. Nach Auffassung des Bundesfinanzhofs rechtfertigt bzw. erfordert eine fehlende Darlehensbesicherung regelmäßig eine höhere Verzinsung als bei einem besicherten Darlehen. Dies gelte grundsätzlich auch dann, wenn die fehlende Besicherung im Zusammenhang mit einer gesetzlich angeordneten Nachrangigkeit von Gesellschafterdarlehen (§ 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO) steht.
Bundesfinanzhof, Urteil vom 18.5.2021 – I R 4/17; Bundesfinanzhof, Urteil vom 18.5.2021 – I R 62/17; Bundesfinanzhof, Urteil vom 9.6.2021 – I R 32/17