Was tun bei treuwidriger Anmaßung der Gesellschafterstellung?
Sachverhalt
Der alleinige Gesellschafter und Geschäftsführer einer GmbH, gleichzeitig der Beklagte, hielt 80 % der GmbH-Anteile treuhänderisch für den Kläger und 20 % für sich selbst. Mitte August 2011 kündigte der Kläger den Treuhandvertrag, sodass die 80-prozentige Beteiligung auf ihn überging. Der mitwirkende Notar reichte daraufhin eine neue Gesellschafterliste ein, die den Kläger mit 80 % und den Beklagten als Gesellschafter mit 20 % am Stammkapital der GmbH auswies. Daraufhin reichte der Beklagte Anfang September 2011 eine neue Gesellschafterliste ein, die wiederum ihn als Alleingesellschafter auswies. Im Oktober 2011 hielt der Beklagte als (formal) alleiniger Gesellschafter eine Gesellschafterversammlung ab und beschloss mit allen Stimmen, dass zukünftig sämtliche Beschlüsse der GmbH für ihr Zustandekommen einer Mehrheit von 85 % bedürften, was faktisch ein Vetorecht zu seinen Gunsten bedeutete. Trotz rechtskräftiger Feststellung des Frankfurter Landgerichts im Juni 2012, dass der Kläger seit der Kündigung des Treuhandvertrags Inhaber der 80-prozentigen Beteiligung ist, weigerte sich der Beklagte als alleiniger GmbH-Geschäftsführer nach wie vor, eine korrekte Gesellschafterliste einzureichen. Schließlich erwirkte der Kläger die Einreichung einer solchen Liste durch einen Notar und forderte sodann vom Beklagten die Mitwirkung bei der Wiederherstellung des ursprünglichen Beschlussquorums im Gesellschaftsvertrag. Er begründete dies damit, dass er vom Beklagten vorsätzlich sittenwidrig geschädigt worden sei und deshalb die Änderung des Gesellschaftsvertrags verlangen könne. Der Beklagte meint, der Kläger hätte den mehrheitsändernden Beschluss anfechten müssen, der nun bestandskräftig sei. Außerdem fechte er den Treuhandvertrag wegen arglistiger Täuschung an. Das Berliner Kammergericht gab schließlich dem Kläger recht.
Entscheidung
Nach Ansicht der Richter:innen lag tatsächlich eine vorsätzliche sittenwidrige Schädigung durch den Beklagten mit der Folge eines Schadenersatzanspruchs des Klägers vor. Er habe schon deshalb vorsätzlich gehandelt, weil er davon ausgegangen sei, dass der Kläger nach Kündigung des Treuhandvertrags selbst Gesellschafter der GmbH geworden sei. Wäre er sicher gewesen, dass der Treuhandvertrag aufgrund seiner Anfechtung nichtig sei, hätte er keine Änderung des Beschlussquorums im Gesellschaftsvertrag zu seinen eigenen Gunsten erwirken müssen. Die Sittenwidrigkeit der Schädigung ergab sich demzufolge daraus, dass der Beklagte in besonders verwerflicher Weise eine formale Rechtsposition ausgenutzt und ausschließlich zu eigenen Zwecken gehandelt hatte. Den Schaden des Klägers erblickten die Richter:innen darin, dass der von ihm gehaltene Geschäftsanteil im Wert gemindert sei, weil dem Beklagten durch die generelle Änderung des Mehrheitserfordernisses nunmehr stets eine Sperrminorität zustünde. Das Gericht wies noch auf Folgendes hin: Werde ein Gesellschafterbeschluss nicht rechtzeitig angefochten, bedeute dies nicht, dass ein Schadenersatzanspruch ausgeschlossen sei, der auf die Änderung des Gesellschaftsvertrags für die Zukunft gerichtet ist. Da die Gesellschafter:innen es ohnehin in der Hand haben, Beschlüsse jederzeit zu ändern oder neu zu fassen, besteht für den künftigen Rechtsverkehr kein Anspruch auf Rechtssicherheit.
Konsequenz
Der entschiedene Fall beweist die zentrale Bedeutung der Gesellschafterliste einer GmbH und zeigt deutlich die formalistische Struktur des deutschen GmbH-Rechts. Gerade bei Streitigkeiten unter den Gesellschafter:innen und bei dem Versuch, eine eingetretene „falsche“ – aber im Handelsregister abgebildete – Rechtslage wieder rückgängig zu machen, ist guter Rat teuer. Es empfiehlt sich daher, von Beginn an auf gute Rechtsberatung zu setzen, um die Ausschöpfung des gesamten Instanzenzugs möglichst zu vermeiden.