Wann ist ein Testament aufgrund „sittenwidriger Umstände“ errichtet?

Berufsbetreuer erbt alles – sind solche testamentarischen Begünstigungen immer sittenwidrig?

Ein (notarielles) Testament kann sittenwidrig und damit nichtig sein, wenn ein vom Gericht eingesetzter Berufsbetreuer seine Stellung und den Einfluss auf einen älteren, kranken und alleinstehenden Erblasser dazu benutzt, gezielt auf diesen einzuwirken und ihn dazu zu bringen, ein Testament zu seinen Gunsten zu erstellen. Dies entschied aktuell das Oberlandesgericht (OLG) Celle und hält damit an seiner Rechtsprechung aus dem Jahr 2021 fest. 

92-jährige Erblasserin setzt Berufsbetreuerin zur Alleinerbin ein

Mitunter kommt es vor, dass nicht ein naher Angehöriger die Betreuung eines betreuungsbedürftigen Familienmitglieds übernimmt, sondern das Gericht einen sogenannten Berufsbetreuer einsetzt, der keinerlei persönliche Beziehungen zum Betreuten hat. Wird dieser Berufsbetreuer dann plötzlich auch noch Alleinerbe der Betreuten, schrillen – oftmals zu Recht – sämtliche Alarmglocken, auch bei Gericht. So war es in dem vom OLG Celle entschiedenen Fall: Die 92-jährige Erblasserin war wegen ihres schlechten gesundheitlichen Zustands wochenlang stationär im Krankenhaus behandelt worden und teilte zuletzt mit ihrer Tochter das Krankenzimmer. Ihr Ehemann war bereits verstorben. Als auch die Tochter starb, wurde, da die Erblasserin keine weiteren Angehörigen mehr hatte, vom Amtsgericht eine Berufsbetreuerin bestellt. Der Richterin gegenüber hatte die Erblasserin noch geäußert, ein Testament zugunsten der Kirche errichten zu wollen, doch es kam anders. Die eingesetzte Berufsbetreuerin beauftragte nach kurzer Zeit einen Notar mit der Erstellung eines Testaments, wonach die von ihr betreute Erblasserin sie als Alleinerbin einsetzen sollte. Der Notar beurkundete das Testament im Krankenhaus; der Wert des Vermögens der Erblasserin betrug rund 350.000 €. Nach ihrer Entlassung verstarb die Erblasserin kurze Zeit später im Haushalt der Betreuerin eines natürlichen Todes. Als die Betreuerin einen Erbschein beantragte, erlebte sie eine Überraschung. Das Gericht verweigerte die Erteilung und auch eine Beschwerde verhalf der Betreuerin nicht zur Erbschaft. Sie bekam am Ende nichts. 

Testament zugunsten der Betreuerin war sittenwidrig

Die Richter befassten sich – trotz eindeutig darauf hindeutender Arztberichte – gar nicht erst mit der Frage, ob die Erblasserin überhaupt testierfähig war, sondern hielten das notarielle Testament für sittenwidrig und damit unwirksam. Das machten sie daran fest, dass die Erblasserin zum Zeitpunkt der Testamentserrichtung sehr hohen Alters und in äußerst schlechter gesundheitlicher Verfassung gewesen sei. Sie sei zudem depressiv gewesen und habe mehrfach ihren Tod herbeigewünscht. Auffällig sei auch der enge zeitliche Zusammenhang zwischen der Bestellung der Berufsbetreuerin und der Testamentserrichtung gewesen sowie insbesondere die Tatsache, dass der Notar nicht von der Erblasserin, sondern von der Berufsbetreuerin beauftragt worden war, diese den Besuch des Notars flankierend begleitet und die Beurkundung im Krankenhaus stattgefunden habe. Auch die persönliche Aufnahme der Erblasserin bei der Betreuerin zuhause lobten die Richter keineswegs sondern lasteten der Betreuerin diesen Umstand negativ an, denn damit sei es der Erblasserin praktisch unmöglich gewesen, nochmals anderweitig zu testieren. 

Sittenwidrigkeit oder fehlende Testierfähigkeit?

Vorsicht also bei Umständen, die darauf hindeuten, dass der Testierende Opfer eines Dritten, der eine psychische Zwangslage ausgenutzt hat, geworden sein könnte. Grundsätzlich ist das Urteil mit seiner Argumentationslinie zur Sittenwidrigkeit nicht zu beanstanden. Gleichwohl hätte das OLG ein Wort mehr zur Frage der Testierfähigkeit verlieren dürfen. Ein Erblasser muss nämlich, um testierfähig zu sein, wissen, dass er ein Testament errichtet, sich selbstständig ein klares Urteil über die Vor- und Nachteile der einzelnen Anordnungen, insbesondere über deren Auswirkungen auf die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse der Betroffenen, und die Gründe, die für oder gegen ihre sittliche Berechtigung sprechen, bilden und ohne Einflussnahme Dritter den Inhalt des Testaments selbst bestimmen können. Ob das hier der Fall war, bleibt unklar. Wissenswert ist noch, dass es der Gesetzgeber (mit § 30 BTOG) Berufsbetreuern untersagt, „von … Betreuten Geld oder geldwerte Leistungen anzunehmen“, und zwar auch im Rahmen einer Verfügung von Todes wegen. Danach ist eine Erbeinsetzung von Berufsbetreuern zwar grundsätzlich wirksam, darf von diesen aber nicht angenommen werden. 

OLG Celle, Beschluss v. 9.1.2024, 6 W 175/23

Dr. Andreas Rohde

Rechtsanwalt, Steuerberater, Fachanwalt für Steuerrecht

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Christina Schrey

Rechtsanwältin, Fachanwältin für Steuerrecht

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