Keine Differenzbesteuerung bei Upcycling?
Differenzbesteuerung: Voraussetzungen und Vorteile
Die Differenzbesteuerung betrifft – vereinfacht – Händler (Wiederverkäufer), die Waren verkaufen, die sie zuvor ohne die Berechtigung zum Vorsteuerabzug eingekauft haben. Im Regelfall betrifft dies den Einkauf von Privatpersonen. Im Gegensatz zur Regelbesteuerung bemisst sich die Umsatzsteuer bei der Differenzbesteuerung lediglich nach der Marge des Händlers. Hierdurch reduziert sich die abzuführende Umsatzsteuer im Vergleich zur Regelbesteuerung. Bei Verkäufen an Kunden, die nicht zum Vorsteuerabzug berechtigt sind, kann der Händler so entweder die Ware günstiger anbieten oder seine Marge bei identischem Bruttopreis verbessern. Der Kunde kann die Kalkulation des Händlers nicht nachvollziehen, da bei Anwendung der Differenzbesteuerung die Umsatzsteuer in der Rechnung nicht offen ausgewiesen wird.
Was ist Upcycling?
Was heute auf Neudeutsch Upcycling heißt, hieß früher schlicht: aus Alt mach Neu. Gebrauchte Gegenstände werden vor dem Verkauf restauriert bzw. überholt und so aufgewertet.
Fall: Upcycling als Hindernis für die Anwendung der Differenzbesteuerung
Die Klägerin kauft antike Kommoden aus Privatbesitz an, restauriert diese und baut sie u.a. durch Aufsatz eines neuen Waschbeckens zu neuwertigen Waschtischen um. Die Kunden können sich im Rahmen der Restaurierung das Objekt individuell zusammenstellen. Für den Verkauf der Waschkommoden stellte die Klägerin zwei Rechnungen aus: eine für die restaurierte Kommode, wobei sie hier die Differenzbesteuerung anwendete, sowie eine weitere Rechnung zum Regelsteuersatz für den Umbau und den jeweiligen neuen Waschtisch. Nach einer Prüfung versagte das Finanzamt die Anwendung der Differenzbesteuerung und forderte Umsatzsteuer nach. Demnach sei der Verkauf eine einheitliche Leistung, wobei durch die umfangreiche Restaurierung ein neues Produkt entstanden sei, auf das die Differenzbesteuerung nicht anzuwenden ist. Das Schleswig-Holsteinische Finanzgericht folgte der Klägerin.
Bundesfinanzhof folgt dem Finanzamt, aber nur bedingt
Laut Bundesfinanzhof hat das Finanzgericht übersehen, dass die Anwendung der Differenzbesteuerung voraussetzt, dass der Klägerin kein Vorsteuerabzug bei Ankauf der Ware zustand. Sofern der Verkauf, wie vom Finanzgericht angenommen, eine einheitliche Leistung darstellt, ergibt sich ein anteiliger Vorsteuerabzug aus dem Erwerb des Waschbeckens. Dieser anteilige Vorsteuerabzug steht der Anwendung der Differenzbesteuerung entgegen.
Allerdings ist der Bundesfinanzhof nicht sicher, ob die Klägerin tatsächlich den Auftrag hatte, eine neue Waschkommode zu liefern. Denkbar sei auch, dass die Klägerin zunächst separat eine Kommode und ein Waschbecken geliefert und anschließend den Zusammenbau als eigenständige Leistung ausgeführt hat.
Zur Klärung dieser Frage verweist der Bundesfinanzhof den Fall zurück an das Finanzgericht.
Konsequenz: Der Ansatz der Differenzbesteuerung bei Upcycling ist vom konkreten Vertrag abhängig
Der Bundesfinanzhof hat klargestellt, dass die Differenzbesteuerung nur zulässig ist, wenn der verkaufte Gegenstand nicht, auch nicht anteilig, zum Vorsteuerabzug berechtigt hat.
Hinsichtlich des Upcyclings ist nun wie folgt in Abhängigkeit vom jeweiligen Auftrag zu unterscheiden:
- Besteht der Auftrag in der Lieferung eines einzigen, vor der Lieferung bearbeiteten Gegenstands, so unterliegt die Lieferung insgesamt dem Regelsteuersatz. Dies gilt auch für Teile, die ohne Berechtigung zum Vorsteuerabzug erworben wurden.
- Wurden dem Kunden zunächst mehrere Gegenstände geliefert und erfolgt der Auftrag zur Bearbeitung erst anschließend, so kommt die Differenzbesteuerung für die Lieferungen in Betracht, für die keine Berechtigung zum Vorsteuerabzug bei ihrem Einkauf bestand.
Unternehmer:innen, die die Differenzbesteuerung beim Upcycling nutzen wollen, müssen ihre Verträge entsprechend ausrichten und dies auch dokumentieren. Hierzu reicht es nicht aus, getrennte Rechnungen zu stellen.
Bundesfinanzhof, Urteil vom 11.12.2024 – XI R 9/23