Kehrtwende bei den finalen Betriebsstättenverlusten
Nutzung finaler Betriebsstättenverluste im EU-Recht
Die Berücksichtigung sogenannter finaler Verluste ausländischer Betriebsstätten im Inland hat eine bewegte Geschichte. Zuletzt schien die Berücksichtigung dieser Verluste in weite Ferne gerückt zu sein: Der Europäische Gerichtshof hatte im Urteil vom 17.12.2015 zum Spezialisten für Bodenverbesserung „Timac Agro Deutschland“ die objektive Vergleichbarkeit einer inländischen und einer ausländischen Betriebsstätte verneint. Folglich hatte er keinen Verstoß gegen Unionsrecht angenommen und somit vorerst eine Grundsatzentscheidung im Hinblick auf Abzugsverbote für grenzüberschreitende Betriebsstättenverluste getroffen. Im aktuellen Urteil zum Spezialisten für Lkw-Zubehör „Bevola und Jens W. Trock“ vom 12.6.2018 hat der Europäische Gerichtshof nun scheinbar eine Kehrtwende vollzogen und im Fall einer dänischen Gesellschaft die Nichtabzugsfähigkeit finnischer Betriebsstättenverluste für europarechtswidrig erklärt.
"Finale" Verluste einer finnischen Betriebsstätte
Die in Dänemark ansässige Gesellschaft A/S Bevola besaß eine finnische Betriebsstätte, die im Laufe des Jahres 2009 ihren Betrieb einstellte und anschließend über nicht nutzbare Verluste verfügte. Den von der Gesellschaft beantragten Abzug der Verluste in Dänemark lehnte die dänische Steuerverwaltung ab. Maßgeblicher Grund für die Verwehrung der Verlustnutzung war, dass die Gesellschaft das dänische Wahlrecht zur sogenannten „internationalen gemeinsamen Besteuerung“ nicht ausgeübt hatte. Hierdurch hatte sie aus Sicht der dänischen Steuerverwaltung keinen Anspruch auf Nutzung der ausländischen Verluste.
Abzugsverbot für ausländische Betriebsstättenverluste europarechtswidrig
Der Europäische Gerichtshof entschied, dass Rechtsvorschriften, die einen Abzug von Betriebsstättenverlusten auch dann verwehren, wenn alle Möglichkeiten zum Abzug dieser Verluste ausgeschöpft sind und die Betriebsstätte auch keine Einnahmen mehr erzielt, gegen die Niederlassungsfreiheit verstoßen und somit europarechtswidrig sind. Entgegen den vorgehenden Entscheidungen bejahte der Europäische Gerichtshof im vorliegenden Fall die Vergleichbarkeit der Situation einer inländischen Gesellschaft mit Betriebsstätten im Inland bzw. Betriebsstätten in anderen EU-Staaten, sofern finale Verluste vorliegen. Die Vergleichbarkeit könne nicht bereits dadurch ausscheiden, dass das nationale Steuerrecht die beiden Sachverhalte unterschiedlich behandle. Dies stelle kein zulässiges Kriterium für die Beurteilung der objektiven Vergleichbarkeit dar. Es ist nun Aufgabe des nationalen Gerichts, zu beurteilen, inwiefern im Urteilsfall tatsächlich finale Verluste vorliegen. Die Nichtausübung des dänischen Wahlrechts zur „internationalen gemeinsamen Besteuerung“ hat der Europäische Gerichtshof indessen nicht für entscheidungsrelevant erachtet.
Zukunft der Verlustverrechnung
Die Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs ist aus Unternehmenssicht zu begrüßen. Mit Spannung bleibt nun abzuwarten, inwiefern der Bundesfinanzhof die neuen Rechtsprechungsgrundsätze auf nationaler Ebene anwenden wird. Im Weiteren bleibt auch abzuwarten, ob und in welchen Konstellationen sich die Urteilsgrundsätze des Europäischen Gerichtshofs auch auf finale Verluste ausländischer Tochtergesellschaften übertragen lassen.