Handelsbilanzieller Rückstellungswert bildet auch nach BilMoG die Obergrenze für die Steuerbilanz
Kernaussage
Seit dem Inkrafttreten des Bilanzrechtsmodernisierungsgesetzes (BilMoG) im Jahr 2009 ist strittig, ob der in der Handelsbilanz angesetzte Wert für eine Rückstellung die Obergrenze für die Bewertung dieser Rückstellung in der Steuerbilanz bildet oder ob der steuerliche Wertansatz im Einzelfall auch über den handelsrechtlichen Wert hinausgehen kann. In der Praxis stellt sich die Frage insbesondere bei der Abzinsung von Rückstellungen, für die das Handelsrecht und das Steuerrecht unterschiedliche Regelungen hinsichtlich Methodik und anzuwendenden Zinssätzen vorsehen.
Sachverhalt
Die Klägerin (GmbH) war ein Unternehmen, das Rohstoffe abbaute und verwertete. Für Verpflichtungen zur Rekultivierung von Abbaugrundstücken bildete sie in ihrer Handels- und Steuerbilanz Rückstellungen. In der Handelsbilanz zum 31.12.2010 erfasste sie Ansammlungsrückstellungen in Höhe von 295.870 €, bei deren Ermittlung geschätzte Kostensteigerungen bis zum Erfüllungszeitpunkt einbezogen wurden; der auf diese Weise ermittelte Erfüllungsbetrag wurde mit einem Zinssatz von 4,94 % abgezinst. Steuerrechtlich erfolgte die Ermittlung ohne künftige Kostensteigerungen; der ermittelte Verpflichtungsbetrag wurde nicht abgezinst und betrug laut Steuerbilanz 348.105 €. Der Betriebsprüfer kürzte die Rückstellung laut Steuerbilanz auf den niedrigeren Handelsbilanzwert in Höhe von 295.870 €. Die nach erfolglosem Einspruchsverfahren eingelegte Klage der GmbH wies das Finanzgericht Rheinland-Pfalz ab, ließ die Revision aber wegen grundsätzlicher Bedeutung der Frage zu.
Entscheidung
Der Bundesfinanzhof hat das erstinstanzliche Urteil bestätigt und die Revision als unbegründet zurückgewiesen. Zwar führe die in § 6 Abs. 1 Nr. 3a Buchst. e EStG geregelte Bewertungsmethodik unstreitig zu einem höheren Wert als dem in der Handelsbilanz ausgewiesenen, weil für die steuerliche Abzinsung der Zeitraum „bis zum Beginn der Erfüllung der Verpflichtung“ maßgebend ist, während nach § 253 Abs. 2 HGB eine Abzinsung bereits dann erfolgt, wenn die Verpflichtung eine Restlaufzeit von mehr als einem Jahr habe. Jedoch sehe der Einleitungssatz des § 6 Abs. 1 Nr. 3a EStG auch vor, dass Rückstellungen „höchstens insbesondere“ mit den Beträgen nach den folgenden Grundsätzen in Buchst. a bis f anzusetzen sind. Dies führe dazu, dass die sich aus § 6 Abs. 1 Nr. 3a Buchst. a bis f EStG ergebenden Rückstellungsbeträge den zulässigen Ansatz nach der Handelsbilanz nicht überschreiten dürfen.
Konsequenz
Die Entscheidung, mit der BFH der Auffassung der Finanzverwaltung in R 6.11 Abs. 3 EStR 2012 folgt, ist für die betroffenen Unternehmen mit langfristigen Verpflichtungen (insbesondere aus Sachleistungen) unbefriedigend, weil damit das Versprechen des Gesetzgebers, das BilMoG werde steuerneutral ausgestaltet, nicht eingelöst werden kann. Vielmehr führt die durch das BilMoG geänderte handelsbilanzielle Bewertung von Rückstellungen in Einzelfällen dazu, dass in der Steuerbilanz Rückstellungen gewinnerhöhend aufgelöst werden müssen bzw. nur in geringerer Höhe gebildet werden dürfen. Der Bundesfinanzhof hat diesen Widerspruch durchaus gewürdigt, die Verantwortung aber deutlich an den Gesetzgeber adressiert: „Soweit der Gesetzgeber mit den umfangreichen Änderungen durch das BilMoG eine steuerneutrale Reform verwirklichen wollte, hat er dies letztlich an dieser Stelle nicht ins Gesetz übernommen.“
Die Finanzverwaltung hat für Altfälle – also für solche Rückstellungen, die bereits vor Inkrafttreten des BilMoG bestanden haben – eine Übergangsregelung geschaffen, wonach der Gewinn aus Auflösung der Rückstellung über bis zu 15 Jahre verteilt werden kann. Für danach erstmals gebildete Rückstellungen schafft diese Regelung allerdings keine Verbesserung.