EuGH-Urteil setzt Schufa neue Grenzen
Schufa-Score – „automatisierte Entscheidung“?
Im Dezember 2023 entschied der EuGH über eine Vorlage zur Vorabentscheidung des Verwaltungsgerichts (VG) Wiesbaden. Der Kläger hatte nach der Versagung eines Kredits bei seiner Bank wegen eines unzureichenden Schufa-Scores erfolglos um Auskunft nach der Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) bei der Schufa gebeten. Eine Beschwerde beim Hessischen Beauftragten für Datenschutz und Informationsfreiheit wurde zurückgewiesen. Gegen diese Entscheidung ging der Kläger gerichtlich beim VG vor. Für das VG stellte sich nun u.a. die Frage, ob das Scoring-Verfahren der Schufa Holding AG (Schufa) eine „automatisierte Entscheidung im Einzelfall“ im Sinne der DSGVO ist.
Der Streitstand
Nach der DSGVO gelten für Entscheidungen, die auf einer automatisierten Verarbeitung – einschließlich Profiling – beruhen und für die betroffene Person rechtliche Wirkung haben oder sie in ähnlicher Weise beeinträchtigen, erhöhte Voraussetzungen für die Rechtmäßigkeit. Beispielsweise bedarf es einer speziellen Rechtsgrundlage. Selbst bei Vorliegen der Rechtsgrundlage haben Betroffene das Recht, eine Nachprüfung durch einen Menschen zu verlangen, wenn sie sich durch die automatisierte Entscheidung diskriminiert fühlen. Außerdem muss im Rahmen eines Auskunftsersuchens einer betroffenen Person auch über die involvierte Logik sowie die Tragweite und die angestrebten Auswirkungen einer derartigen Verarbeitung für die betroffene Person informiert werden.
Genau diese Auskunft verweigerte die Schufa dem Kläger im vom VG zu entscheidenden Fall. Das VG stand nun vor dem Problem, dass die Schufa zwar automatisiert einen Wahrscheinlichkeitswert errechnet, nach dem Wortlaut der DSGVO jedoch keine Entscheidung trifft. Die Schufa stellt den errechneten Score lediglich ihren Kunden – in diesem Fall der Bank des Klägers – zur Verfügung. Die Entscheidung über die Vergabe eines Kredits wurde durch einen Mitarbeiter der Bank auf Grundlage des Schufa-Scores getroffen. Die Tätigkeit der Schufa ist also eher eine vorbereitende Handlung für ihre Kunden, die den Score bei ihrer Entscheidung berücksichtigen können.
Der EuGH entschied nun, dass die Tätigkeit der Schufa über den Wortlaut der DSGVO hinaus als automatisierte Entscheidung zu klassifizieren ist. Andernfalls entstünde eine Rechtsschutzlücke für den Kläger. Obwohl eine automatisierte Verarbeitung stattfindet, könne er sein Auskunftsrecht nicht gegen die Schufa geltend machen, da diese keine Entscheidung träfe. Gegen die Bank, die zwar eine Entscheidung trifft, liefe ein Auskunftsersuchen jedoch ebenfalls leer, da die Bank schon rein faktisch mangels Informationen keine Auskunft über das Scoring-Verfahren der Schufa geben kann.
Deshalb fiele in diesem Fall bereits die Erstellung eines Scores unter die erhöhten Anforderungen der DSGVO, da der Score „maßgeblich“ für die Entscheidung der Bank gewesen sei. Nach den Feststellungen des VG führe nämlich ein unzureichender Score in nahezu allen Fällen zur Versagung eines Kredits.
Bedeutung für die Praxis
Das Urteil des EuGH setzt der Schufa und allen anderen Auskunfteien neue Grenzen, die sie zukünftig bei ihrer Tätigkeit berücksichtigen müssen. Allerdings hat der EuGH nicht klar definiert, wann eine automatisierte Entscheidung genau „maßgeblich“ durch einen Score beeinflusst wird. Die Schufa könnte daher öfter auf das Einholen von Einwilligungen der betroffenen Personen angewiesen sein. Eine weitere Möglichkeit wäre, zu verhindern, dass der Score „maßgeblich“ für die Entscheidungen der Schufa-Kunden wird, indem die Schufa sie darauf verpflichtet, auch weitere Kriterien zur Entscheidungsfindung heranzuziehen.
Das Urteil hat jedoch auch über die Tätigkeit von Auskunfteien hinaus weitreichende Folgen. So sind beispielsweise die vermehrt aufkommenden KI-Anwendungen betroffen. Mit der steigenden Verbreitung dieser Anwendungen wird es in vielen Bereichen regelmäßig vorkommen, dass eine menschliche Entscheidung „maßgeblich“ auf die Auswertung einer KI gestützt wird. Es stellt sich demnach die Frage, ob hier nicht zu stark reglementiert wird.
Europäischer Gerichtshof, Urteil vom 7.12.2023 – C-634/21