Entwurf des AStG-Anwendungserlasses veröffentlicht
Hintergrund
Das Außensteuergesetz (AStG) enthält zahlreiche Spezialregelungen zu internationalen Sachverhalten. Es gliedert sich insbesondere in Regelungen zu Verrechnungspreisen (§ 1 AStG), zur Wegzugsbesteuerung von natürlichen Personen (§ 6 AStG), sowie zur Hinzurechnungsbesteuerung bei ausländischen Zwischengesellschaften (§§ 7-14 AStG) und bei Stiftungen (§ 15 AStG). Alle genannten Regelungen weisen einen hohen Komplexitätsgrad auf und bedürfen einer näheren Auslegung. Der aktuell noch gültige Anwendungserlass ist fast 20 Jahre alt und datiert vom 14. Mai 2004. Vor dem Hintergrund der in dieser Zeit erfolgten gesetzlichen Änderungen und ergangenen Rechtsprechung sowie des sich stark verändernden wirtschaftlichen Umfelds wurde eine Neufassung des Erlasses seit längerer Zeit erwartet.
Das Bundesministerium der Finanzen (BMF) hat jetzt einen 250 Seiten umfassenden Entwurf vorgelegt und bestimmte Verbände zur Stellungnahme bis zum 4. September 2023 aufgefordert. Nicht behandelt werden die Regelungen zu Verrechnungspreisen (§ 1 AStG), da diese Gegenstand eines gesonderten, kürzlich erst ergangenen BMF-Schreibens (Verwaltungsgrundsätze Verrechnungspreise 2023) sind (Blogbeitrag vom 12. Juli 2023).
Brennpunkt 1: Wegzugsbesteuerung
Für die Wegzugsbesteuerung (§ 6 AStG) hatte sich durch das ATAD-Umsetzungsgesetz vom 25. Juni 2021 eine wesentliche Verschärfung ergeben (Blogbeitrag vom 9. August 2021). Im Gegensatz zu der zuvor geltenden Fassung sieht die Neufassung keine Stundungsregelung mehr. Auch bei einem Wegzug ins EU-Ausland muss der Steuerpflichtige die Wegzugsteuer für Vorgänge seit dem 1. Januar 2022 sofort entrichten. Nur auf Antrag und gegen Sicherheitsleistung darf die Steuer in sieben gleichen Jahresraten gezahlt werden. Der Entwurf enthält weitergehende Ausführungen insbesondere
- zur Entstehung des Steueranspruchs,
- zum persönlichen Anwendungsbereich der Vorschrift,
- zur so genannten Rückkehrerregelung,
- zur Fälligkeit des Steueranspruchs sowie
- zu Mitwirkungspflichten des Steuerpflichtigen.
Brennpunkt 2: Hinzurechnungsbesteuerung
Auch in Bezug auf die Hinzurechnungsbesteuerung (§§ 7-14 AStG) haben sich durch das ATAD-Umsetzungsgesetz wesentliche Änderungen ergeben. Nach früherer Rechtslage wurden Dividenden einer ausländischen Kapitalgesellschaft stets als aktive Einkünfte behandelt, so dass hier keine Hinzurechnungsbesteuerung infrage kam. In der Neufassung wurden Auslandsdividenden nun differenzierter geregelt, mit der Folge, dass eine Hinzurechnung in bestimmten Konstellationen für sie nun auch möglich ist. Auch das Beherrschungskonzept änderte sich. Während bislang auch die „zufällige“ Beherrschung mit anderen Inländern zur Anwendung der Hinzurechnungsbesteuerung führen konnte, ist dies jetzt nur noch bei einer Beherrschung der ausländischen Gesellschaft allein oder gemeinsam mit nahestehenden Personen möglich.
Zur Hinzurechnungsbesteuerung werden zunächst in einigen einleitenden Randziffern die allgemeine und erweiterte Hinzurechnungsbesteuerung (Einkünfte mit Kapitalanlagecharakter), die verschärfte Hinzurechnungsbesteuerung nach dem StAbwG, das Verhältnis zu anderen Bestimmungen (unbeschränkte und beschränkte Steuerpflicht, §§ 39-42 AO) und die Feststellungslast erläutert. Umfangreiche Ausführungen finden sich insbesondere zum Aktivitätskatalog des § 8 Abs. 1 AStG sowie zum Substanztest nach § 8 Abs. 2 AStG. Auch zum neu eingeführten Kürzungsbetrag (§ 11 AStG) nimmt der Entwurf ausführlich Stellung.
§ 15 AStG enthält eine eigenständige Vorschrift zu Familienstiftungen, die bereits im Jahr 2013 grundlegend überarbeitet worden war. Dementsprechend war hier auch eine Überarbeitung des Anwendungserlasses überfällig. Die Konzepte der Zurechnung von Einkünften bei Familienstiftungen folgen dabei eigenständigen Regelungen, die sich nicht an der Hinzurechnungsbesteuerung nach den §§ 7-14 orientieren (können), weil bei Stiftungen keine gesellschaftsrechtlichen Beteiligungen bestehen können.
Sinnvolles Update, aber Zweifelsfragen bleiben
Nach fast 20 Jahren ist eine Aktualisierung des AStG-Anwendungsschreibens überfällig und sinnvoll, um sowohl für die Finanzverwaltung als auch für Steuerpflichtige und ihre Berater eine Auslegungshilfe bereitzustellen, die sich auf die aktuell gültige Rechtslage bezieht. Bereits jetzt ist absehbar, dass auch auf Basis des neuen Erlasses Zweifelsfragen verbleiben, die wohl auch weiterhin die Finanzgerichte beschäftigen werden. Speziell in den Bereichen Wegzugs- und Hinzurechnungsbesteuerung wäre es zudem wünschenswert, wenn der Gesetzgeber auf zunehmende Mobilität, die Weiterentwicklung von Geschäftsmodellen und zahlreiche multilaterale Initiativen zur Sicherung einer fairen Besteuerung reagieren und die gesetzlichen Regelungen entsprechend anpassen würde. Zumindest hinsichtlich der inzwischen deutlich zu hohen Niedrigsteuergrenze von 25 % besteht Hoffnung, dass diese im Zuge der Umsetzung der globalen Mindeststeuer auf 15 % gesenkt wird.
Bundesministerium der Finanzen (BMF), Grundsätze zur Anwendung des Außensteuergesetzes, Entwurfsschreiben vom 19.07.2023