Die Eigenverwaltung als Sanierungsinstrument nutzen


Aktuell häufen sich in den Medien die Meldungen über Unternehmen in Schieflage. Welche Möglichkeiten Unternehmen in der Krise haben und wann eine Sanierung in Form einer Eigenverwaltung Sinn ergibt, erläutert Dr. Dirk Wegener, Rechtsanwalt und Fachanwalt für Insolvenz- und Sanierungsrecht, im Interview. 

Warum geraten gerade jetzt so viele Unternehmen in Schieflage?

Wegener: Grund für die zahlreichen Krisenmeldungen sind neben der angespannten wirtschaftlichen Lage, dem hohen Zinsniveau auch die Corona-Rückzahlungen. Haben die finanziellen Spritzen den meisten noch gut durch die Pandemie geholfen, können viele die Rückzahlung nun nicht mehr stemmen und müssen sich sanieren. Aber auch Unternehmen, denen es vor der Pandemie noch gut ging, haben aktuell zu kämpfen, weil die Kosten, insbesondere die Energiepreise, gestiegen sind und die Weltwirtschaft lahmt. Sie sollten in jedem Fall handeln, wenn Sie feststellen, dass Ihr Unternehmen zahlungsunfähig ist.

Woran erkenne ich, dass mein Unternehmen zahlungsunfähig ist?

Wegener: Grundsätzlich gilt man als zahlungsunfähig, wenn man nicht in der Lage ist, seinen Zahlungsverpflichtungen nachzukommen. Laut Definition des Bundesgerichtshofs ist das der Fall, wenn eine Liquiditätslücke entsteht, die der Schuldner nicht innerhalb von drei Wochen schließen kann und die mindestens 10 % seiner fälligen Gesamtverbindlichkeiten beträgt. Ist zu erwarten, dass sich die Liquiditätslücke innerhalb von drei Wochen schließen lässt, handelt es sich „nur“ um eine Liquiditätsstockung. Zur Ermittlung der Zahlungsunfähigkeit kann ein Finanzplan aufgestellt werden, der alle Einnahmen und Ausgaben enthält. Ist eine Gesellschaft zahlungsunfähig, muss der Geschäftsführer spätestens innerhalb von drei Wochen einen Insolvenzantrag stellen. Doch es muss nicht immer die klassische Regelinsolvenz sein. Auch die Sanierung in Eigenverwaltung kann ein probates Mittel sein. 

Was unterscheidet die Eigenverwaltung von anderen Sanierungsinstrumenten?

Wegener: Im Gegensatz zum Regelinsolvenzverfahren bleibt die Geschäftsführung bei der Eigenverwaltung im „Driver’s Seat“ und kann die Geschicke des Unternehmens weiter lenken. Dabei wird sie durch eine erfahrene Sanierungsberatung begleitet. Anstelle eines Insolvenzverwalters wird ein Sachwalter bestellt, der u.a. überprüft, ob die insolvenzrechtlichen Pflichten im Verfahrensverlauf eingehalten werden. Die Eigenverwaltung eröffnet den Zugriff auf klassische insolvenzrechtliche Sanierungsmittel wie etwa das Insolvenzgeld. Hiermit können die Gehälter der Arbeitnehmenden für bis zu drei Monate abgedeckt werden. Hinzu kommt die Möglichkeit, sich von wirtschaftlich nachteiligen Verträgen auch kurzfristig zu lösen. Durch die Ausrichtung auf eine langfristige Sanierung des Unternehmens gelingt es im Rahmen der Eigenverwaltung zumeist, das Vertrauen der Stakeholder zu erhalten, wenn die Krise frühzeitig erkannt und überwunden werden kann. 

Für wen ist ein Eigenverwaltungsverfahren überhaupt geeignet?

Wegener: Die Eigenverwaltung kommt insbesondere für die Unternehmen in Betracht, die eine konkrete Fortführungs- und Sanierungsperspektive haben. Grundsätzlich können Unternehmen jeglicher Rechtsform das Eigenverwaltungsverfahren durchlaufen. Voraussetzung für den Antrag ist laut Insolvenzordnung (InsO), dass keine Umstände bekannt sind, die zu Nachteilen der Gläubiger führen. 

Was ist notwendig, um die Eigenverwaltung erfolgreich zu durchlaufen?

Wegener: Zunächst stellt die Geschäftsführung beim Amtsgericht einen schriftlichen Antrag auf Insolvenz in Eigenverwaltung. Dem Antrag sind ein Verzeichnis der Gläubiger und deren Forderungen, Bilanzsumme und Umsatzerlöse sowie die durchschnittliche Zahl der Arbeitnehmer beim Amtsgericht beizufügen. Das Gericht hat die Pflicht, die Gläubiger zu schützen. Deshalb prüft es, ob die Geschäftsführung in der Krise weiter „im Amt bleibt“ und es die Insolvenz in Eigenverwaltung anordnen kann. Schließlich geht es nicht nur darum, ein Unternehmen auf neue Füße zu stellen, sondern ihm eine Zukunftsperspektive zu geben. Unternehmen, die sich über ein Eigenverwaltungsverfahren sanieren möchten, müssen bereits vor dem Antrag einen erfahrenen Sanierungsberater, der im Idealfall auch als Insolvenzverwalter tätig ist, mit der Verfahrensbegleitung beauftragen. Zudem ist es sinnvoll, mit ihm bereits vor dem Antrag beim Amtsgericht einen Sanierungsplan zu erstellen. Das schafft Vertrauen – beim Insolvenzgericht und bei den Gläubigern. 

Welche Rolle spielt der Sachwalter im Eigenverwaltungsverfahren?

Wegener: Der Sachwalter wird für die Eigenverwaltung des Schuldners vom Insolvenzgericht bestellt und berichtet dem Gericht in regelmäßigen Abständen über den Fortgang. Man kann sich seine Rolle wie eine Art Aufsichtsrat vorstellen. Verbindlichkeiten, die nicht zum gewöhnlichen Geschäftsbetrieb gehören, müssen mit dem Sachwalter abgestimmt sein. Stellt er Geschäftsvorfälle fest, die zum Nachteil der Gläubiger führen, muss der Sachwalter diese dem Insolvenzgericht anzeigen. Unter bestimmten Umständen kann das Gericht auf Wunsch der Gläubigerversammlung anordnen, dass bestimmte Rechtsgeschäfte nur mit Zustimmung des Sachwalters wirksam erfolgen können. Ansonsten hat er, im Gegensatz zum Insolvenzverwalter, ein eingeschränktes Verfügungsrecht im Unternehmen. Durch die Nähe zum Unternehmer und den tiefen Einblicken ins Unternehmen fungiert der Sachwalter im vorläufigen Verfahren als Gutachter. 

Woran erkenne ich, dass es bei meinem Geschäftspartner kriselt und wie schütze ich mein Unternehmen?

Wegener: Bleiben Zahlungen oder Lieferungen eines Geschäftspartners regelmäßig aus bzw. treffen nur nach zahlreichen Mahnungen ein, kann das bereits ein erstes Indiz für eine Krise sein. Auch wenn plötzlich signifikant weniger Bestellungen eintreffen oder der Finanzchef bzw. die Geschäftsführung sich in der Kommunikation zurückziehen, gilt es, wachsam zu sein. Wird etwa das Limit einer bestehenden Warenkreditversicherung gekürzt, ist dies bereits ein recht deutliches Signal, dass der Geschäftspartner in der Krise ist. Nehmen Sie derartige Signale wahr, ist es zwingend erforderlich, das Gespräch mit dem Geschäftspartner zu suchen und klare Absprachen für Zahlungsziele zu treffen. Eine Lösung zum Schutz Ihres eigenen Geschäfts kann etwa die Umstellung auf Vorkasse sein. Um sich selbst bereits zu Beginn einer neuen Geschäftsbeziehung bestmöglich abzusichern, empfiehlt es sich, die eigenen AGB auf den Prüfstand zu stellen. So können Sie vertraglich z.B. einen verlängerten Eigentumsvorbehalt vereinbaren. 

Die Experten der dhpg stehen Ihnen gerne als Berater und Sachwalter zur Seite
Die Experten der dhpg sind für Ihre Beratung bestens aufgestellt und begleiten Sie mit langjähriger Erfahrung durch die Krise. Wir unterstützen Sie und Ihr Unternehmen, wenn Sie in Zahlungsunfähigkeit geraten sind, und finden gemeinsam mit Ihnen die passende Lösung zur Sanierung Ihres Betriebs. Sprechen Sie uns im Bedarfsfall an – wir beraten Sie persönlich.
 

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Dr. Dirk Wegener, MBL

Rechtsanwalt, Fachanwalt für Insolvenz- und Sanierungsrecht

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