Eigenverwaltung: Wann sie gelingt


In den vergangenen Jahren haben sich immer mehr Unternehmen zu einer Sanierung durch ein Insolvenzverfahren in Eigenverwaltung entschlossen. Durch die mit Wirkung zum 1.1.2021 in Kraft getretenen Gesetzesänderungen wurden die Hürden einer Sanierung in Eigenverwaltung zwar erhöht, dennoch ist es auch weiterhin ein hervorragendes Sanierungsmittel, das regelmäßig das Vertrauen der Stakeholder erhalten oder wiederherstellen kann. In Eigenverwaltung sanierte Unternehmen können sich zumeist erneut am Markt behaupten. Dennoch liest man auch von gescheiterten Eigenverwaltungsverfahren. Unter welchen Voraussetzungen die Sanierung gelingt und wann die Eigenverwaltung auch scheitern kann, erklären unsere Expert:innen. 

Interview: Christine Frosch und Alexander Zimmer

Was macht die Eigenverwaltung so attraktiv?

Christine Frosch: Die Eigenverwaltung ermöglicht Unternehmen in wirtschaftlicher Schieflage die Sanierung durch ein gerichtlich geregeltes Verfahren. Die Geschäftsführung bleibt verwaltungs- und verfügungsbefugt und kann die Geschicke des Unternehmens weiter lenken. Dabei wird sie in aller Regel durch eine erfahrene Sanierungsberatung begleitet. Anstelle eines Insolvenzverwalters wird ein Sachwalter bestellt, der u.a. überprüft, ob die insolvenzrechtlichen Pflichten im Verfahrensverlauf eingehalten werden.

Die Eigenverwaltung eröffnet den Zugriff auf klassische insolvenzrechtliche Sanierungsmittel wie etwa das Insolvenzgeld. Hiermit können die Gehälter der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer für bis zu drei Monate abgedeckt werden. Hinzu kommt die Möglichkeit, sich von wirtschaftlich nachteiligen Verträgen auch kurzfristig zu lösen. Häufig fesseln langfristige Verträge wirtschaftliche Unternehmen, wenn sich Wirtschaftslagen ändern. Dies trifft gelegentlich auch auf Arbeitsverträge zu, die im Rahmen des Insolvenzverfahrens in Eigenverwaltung innerhalb von längstens drei Monaten gekündigt werden können. 

Aufgrund der Ausrichtung auf eine langfristige Sanierung gelingt es im Rahmen der Eigenverwaltung zumeist, das Vertrauen der Stakeholder zu erhalten, wenn die Krise frühzeitig erkannt und überwunden werden kann. 

Wer kann ein Eigenverwaltungsverfahren anstreben? 

Alexander Zimmer: Das Eigenverwaltungsverfahren kann unabhängig von der Unternehmensform angestrebt werden. Es ist also grundsätzlich für juristische Personen, aber auch für einzelunternehmerische Selbstständige möglich, sich durch ein Insolvenzverfahren in Eigenverwaltung zu sanieren. 

Was trägt zum Erfolg eines Eigenverwaltungsverfahrens bei?

Christine Frosch: Eine Sanierung im Eigenverwaltungsverfahren bedarf vor allem einer guten Vorbereitung. Bereits mit dem Antrag auf ein Insolvenzverfahren in Eigenverwaltung muss dem Gericht ein detaillierter Finanzplan und ein Sanierungskonzept vorgelegt werden. Darüber hinaus muss das in die Krise geratene Unternehmen den Stand der aktuellen Verhandlungen mit den Gläubigern und beteiligten Dritten sowie einen Kostenvergleich zu einem Regelinsolvenzverfahren vorlegen. Außerdem hat das Unternehmen darzulegen, welche Vorkehrungen getroffen sind, damit die insolvenzrechtlichen Pflichten im Eigenverwaltungsverfahren erfüllt werden. Diese zentrale Voraussetzung gelingt durch die Begleitung eines erfahrenen Sanierungsberaters. 

Hier wird deutlich: Je früher die Sanierungsberatung in Anspruch genommen wird, umso besser sind die Ausgangsvoraussetzungen. Die Sanierung durch ein Eigenverwaltungsverfahren muss stets maßgeschneidert sein. Neben frühzeitigen Gesprächen mit den Stakeholdern ist das Unternehmenskonzept umfassend, aber auch selbstkritisch auf den Prüfstand zu stellen. Sind langfristige Verträge noch wirtschaftlich? Bestehen zeitgemäße Strukturen und ist die strategische Marktausrichtung zukunftsfähig?  

Daneben gilt es, die aktuelle Liquiditätssituation zu prüfen. Welche Maßnahmen können rasch umgesetzt werden, um kurzfristig die Liquidität des Unternehmens zu stabilisieren? Ist die Finanzplanung dafür gut aufgestellt? Bedarf es externer Unterstützung in der Vorbereitung der Gespräche mit Banken und Finanzverwaltungen? In diesem Kontext stellt sich die Frage nach der langfristigen Finanzierbarkeit des Unternehmens. Welche finanzwirtschaftlichen Maßnahmen können im Rahmen eines Restrukturierungsansatzes implementiert werden, ohne den steuerlichen Status der Organisation – beispielsweise im Fall gemeinnütziger Gesellschaften – zu verändern? 
Schließlich gilt: Kommunikation ist der Schlüssel. Interne und externe Kommunikationskanäle müssen gleichermaßen bedient und ein abgestimmter Kommunikationsprozess entwickelt werden. 

Was kann dazu führen, dass eine Eigenverwaltung scheitert?

Alexander Zimmer: Wenn das schuldnerische Unternehmen im Eigenverwaltungsverfahren schwerwiegend gegen insolvenzrechtliche Pflichten verstößt oder die Ziele des Eigenverwaltungsverfahrens nicht mehr erreicht werden können, eine Sanierung also aussichtslos ist, wird das Gericht die Anordnung der Eigenverwaltung aufheben. Dabei erfolgt häufig ein solcher Hinweis an das Gericht durch den Sachwalter, der das Insolvenzverfahren in Eigenverwaltung überwacht. Es kann aber auch ein Antrag auf Aufhebung der Eigenverwaltung aus dem Kreis der Gläubiger gestellt werden. Dies geschieht in aller Regel aber ebenfalls nur bei ganz erheblichen Verstößen gegen die insolvenzrechtlichen Pflichten oder wegen mangelnder Sanierungsaussichten. 

Wie geht es beim Scheitern der Eigenverwaltung weiter? 

Alexander Zimmer: Wird die Anordnung der Eigenverwaltung aufgehoben, geht das Verfahren in ein Regelinsolvenzverfahren über. Das Gericht bestellt dann einen Insolvenzverwalter. Hierbei handelt es sich zumeist um den vorherigen Sachwalter, der das Unternehmen aus dem bisherigen Verfahren bereits kennt. Mit diesem Schritt geht auch die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis über das betroffene Unternehmen auf den Insolvenzverwalter über. Die weiteren Schritte hängen stark vom konkreten Verfahren ab. Ziel ist dabei stets die gemeinschaftliche Gläubigerbefriedigung. 

Und wie endet das Insolvenzverfahren in Eigenverwaltung im Normalfall?

Christine Frosch: Die Aufhebung der Eigenverwaltung ist auch weiterhin die absolute Ausnahme. In aller Regel endet das Insolvenzverfahren in Eigenverwaltung durch einen Insolvenzplan. Dabei handelt es sich um eine umfassende Regelung mit den Gläubigern, die die eingeleiteten Sanierungsschritte final umsetzt oder stärkt. Mit Annahme des Insolvenzplans und der Umsetzung der Regelungen wird das Insolvenzverfahren in Eigenverwaltung aufgehoben. So werden häufig kurze Sanierungszeiten von wenigen Monaten ermöglicht. Das Gelingen eines Eigenverwaltungsverfahrens setzt immer eine Beratung durch erfahrene Sanierungsexperten, Verhandlungsgeschick und eine professionelle Kommunikation voraus. 

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Christine Frosch

Rechtsanwältin, Fachanwältin für Insolvenz- und Sanierungsrecht, Wirtschaftsmediatorin

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Alexander Zimmer

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