Bundesfinanzhof lockert Ansicht zur Notfallpraxis als Betriebsstätte im eigenen Haus

Kernaussage

Aufwendungen für ein häusliches Arbeitszimmer und die Kosten der Ausstattung sind steuerlich nicht abzugsfähig. Dies gilt nicht, wenn für die betriebliche oder berufliche Tätigkeit kein anderer Arbeitsplatz zur Verfügung steht. In diesem Fall wird die Höhe der abziehbaren Aufwendungen auf 1.250 € begrenzt; die Beschränkung der Höhe nach gilt nicht, wenn das Arbeitszimmer den Mittelpunkt der gesamten betrieblichen und beruflichen Betätigung bildet. Ein Streitpunkt mit dem Finanzamt kann die Frage sein, ob überhaupt ein häusliches Arbeitszimmer vorliegt. Denn nicht unter die Abzugsbeschränkung fallen „betriebsstättenähnliche Räume“, die ihrer Ausstattung und Funktion nach nicht einem Büro entsprechen (z.B. Betriebsräume, Lagerräume, Ausstellungsräume), selbst wenn diese ihrer Lage nach mit dem Wohnraum des Steuerpflichtigen verbunden und so in dessen häusliche Sphäre eingebunden sind. Nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs kommt der Ausstattung des Raums und dessen leichter Zugänglichkeit für Dritte besondere Bedeutung bei der Prüfung zu, ob eine mit den Wohnräumen in räumlichem Zusammenhang stehende Notfallpraxis eines Arztes als „betriebsstättenähnlich“ gilt. Zu diesen Kriterien hat der Bundesfinanzhof jetzt in einem aktuellen Urteil weitere Hinweise gegeben.

Sachverhalt

Eine Augenärztin war Mitglied einer Gemeinschaftspraxis und übte ihre Tätigkeit in den Praxisräumen der Gesellschaft aus. Daneben unterhielt sie im Keller ihres privaten Wohnhauses einen für die Behandlung von Patienten in Notfällen eingerichteten Raum, der mit Klappliege, Spaltlampe, Sehtafel, Medizinschrank, Instrumenten mit Hilfsmitteln, Tisch und mehreren Stühlen ausgestattet war. Obwohl die Nutzung des Raums für die ärztliche Tätigkeit unstrittig war, verwehrte das Finanzamt den steuerlichen Abzug der damit zusammenhängenden Kosten. Weil das Haus lediglich über einen Hauseingang im Erdgeschoss verfügte und der Behandlungsraum damit nur über den „privaten“ Flur erreichbar war, sah die Finanzverwaltung hierin ein häusliches Arbeitszimmer, dessen Aufwendungen wegen des Vorhandenseins der Praxisräume der Gemeinschaftspraxis steuerlich nicht abzugsfähig sind. Diese Auffassung vertrat auch das nach erfolglosem Einspruch angerufene Finanzgericht, das den Notbehandlungsraum mangels „leichter Zugänglichkeit“ nicht als „betriebsstättenähnlich“ wertete.

Entscheidung

Der Bundesfinanzhof gewährte dagegen den Abzug als Sonderbetriebsausgaben. Nach Auffassung des Senats begründe allein der Umstand der Erreichbarkeit über den privaten Flur keine Abzugsbeschränkung der geltend gemachten Aufwendungen. Das gelte zumindest bei einem in die häusliche Sphäre eingebundenen Raum, der als Behandlungsraum eingerichtet ist und nachhaltig zur Behandlung von Patienten genutzt wird, sodass sich eine private (Mit-)Nutzung praktisch ausschließe. Die räumliche Verbindung zu den privat genutzten Räumen falle dann nicht (völlig losgelöst von Ausstattung und Nutzung) entscheidend ins Gewicht. Darin liege im Streitfall auch der maßgebliche Unterschied zu früheren höchstrichterlichen Entscheidungen und der Forderung nach der leichten Zugänglichkeit einer Notfallpraxis; denn in diesen Fällen war eine private Mitnutzung nicht bereits aufgrund der konkreten Ausstattung des Raums und dessen tatsächlicher Nutzung zur Behandlung von Patienten auszuschließen.

Konsequenz

Die Entscheidung wurde bereits durch die Finanzverwaltung für allgemein anwendbar erklärt und ist zur Veröffentlichung im Bundessteuerblatt vorgesehen, sodass sich Betroffene hierauf in allen offenen Fällen berufen können.

Dr. Lutz Engelsing

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