Berichtigung von Rechnungen: Wer den richtigen Zeitraum verpasst, hat verloren
Rechtslage
Bisher ließ die Finanzverwaltung den Vorsteuerabzug aus berichtigten Rechnungen erst in dem Zeitraum zu, in dem die berichtigte Rechnung beim Kunden eingegangen war. Folge war, dass z.B. im Rahmen von Betriebsprüfungen die Vorsteuer gekürzt wurde und die sich ergebende Nachzahlung mit 6 % p.a. verzinst wurde. Die spätere Korrektur der Rechnung ließ dann zwar den Vorsteuerabzug zu, die Zinsen blieben hingegen zum Schaden der Unternehmer unverändert bestehen.
Dieser Auffassung steht allerdings schon seit 2016 die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs sowie des Bundesfinanzhofs gegenüber. Diese lässt unter bestimmten Voraussetzungen eine Berichtigung von Rechnungen mit Rückwirkung auf den Zeitraum ihrer erstmaligen Ausstellung zu. Ein Zinsschaden entsteht dann nicht.
Problematisch ist derzeit, dass sich die Finanzverwaltung bisher noch nicht abschließend zu den Urteilen geäußert hat. Im Oktober 2018 veröffentlichte das Bundesministerium der Finanzen lediglich den Entwurf einer Stellungnahme. Seitdem gilt: Still ruht der See. Für die Unternehmen ist dies ein unerträglicher Zustand, da vollkommene Rechtsunsicherheit herrscht, in welchem Zeitraum die Konsequenzen aus berichtigten Rechnungen zu ziehen sind. Anträge auf rückwirkende Korrektur von Rechnungen werden mit Verweis auf die fehlende Stellungnahme des Bundesministeriums der Finanzen bislang abgelehnt; wer nicht klagen möchte, hat Pech gehabt.
Neueste Urteile
Während das Bundesministerium der Finanzen untätig ist, entwickelt sich die Rechtsprechung fort. Das Niedersächsische Finanzgericht hat aktuell entschieden, dass es hinsichtlich der Frage, ob eine Rechnung rückwirkend zu berichtigen sei, kein Wahlrecht gibt. Es lehnte daher eine Klage ab, da das Klagejahr den Zeitraum der Erstellung der korrigierten Rechnung betraf (2011): Nach Ansicht des Finanzgerichts hätte der Vorsteuerabzug rückwirkend in den Jahren geltend gemacht werden müssen, in denen die ursprünglich zu korrigierenden Rechnungen ausgestellt wurden (2005 bis 2009). Der Bundesfinanzhof hat aktuell festgestellt, dass die Rückwirkung sogar greift, wenn eine vom Finanzamt beanstandete Rechnung im Sinne des Finanzamts korrigiert wird und sich später im Rahmen eines Klageverfahrens herausstellt, dass die ursprüngliche Rechnung doch zutreffend war. In diesem Fall führt die Berichtigung dann rückwirkend zu einer fehlerhaften Rechnung und damit zur Versagung des Vorsteuerabzugs.
Konsequenzen
Für Unternehmer ist das alles mit normalem Menschenverstand nicht mehr nachvollziehbar. Um solchen Risiken zu entgehen, bleibt nur eins: Korrekte Rechnungen erstellen, Eingangsrechnungen genau prüfen und unverzüglich deren Korrektur fordern, sollten diese fehlerhaft sein. Ist dies nicht mehr möglich, sollte bei wesentlichen Beträgen ein steuerlicher Berater hinsichtlich der Rechnungskorrektur hinzugezogen werden; auch dann, wenn strittige Fälle gerichtlich geklärt werden müssen. Das Bundesministerium der Finanzen kann nur aufgefordert werden, endlich für Klarheit zu sorgen, um diesen unsäglichen Zustand zu beenden.