Ist die Abgeltungsteuer verfassungswidrig?

Besonderer Steuersatz mit Abgeltungswirkung

Seit dem 1.1.2009 werden Kapitaleinkünfte, also insbesondere Zinsen, Dividenden und Veräußerungsgewinne aus Aktien oder Fonds, mit dem besonderen Steuersatz von 25 % versteuert (zuzüglich Solidaritätszuschlag und gegebenenfalls Kirchensteuer). Hat dieser Kapitalertrag dem Kapitalertragsteuerabzug – z.B. durch die depotführende Bank – unterlegen, so kommt diesem Steuerabzug Abgeltungswirkung zu. Die Einkünfte müssen dann grundsätzlich in der Einkommensteuererklärung nicht mehr angegeben werden. Eine Günstigerprüfung erlaubt aber eine Besteuerung mit einem geringeren persönlichen Steuersatz. Darüber hinaus gibt es verschiedene Ausnahmen von der Abgeltungsteuer.

Lieber 25 % auf x als 42 % auf nix

Die Abgeltungsteuer wurde zum Jahr 2009 wesentlich mit der Bekämpfung der Steuerhinterziehung begründet. Der geringere Steuersatz von 25 % sollte einen Anreiz für Anleger darstellen, bislang unversteuertes Vermögen aus dem Ausland wieder in Deutschland anzulegen. In Erinnerung ist daher auch der Ausspruch des damaligen Finanzministers, Peer Steinbrück, geblieben: „Lieber 25 % auf x als 42 % auf nix.“ Darüber hinaus sollte mit der Abgeltungsteuer eine Vereinfachung des Besteuerungsverfahrens erreicht werden.

Verfassungswidrige Ungleichbehandlung

Nach Auffassung des Niedersächsischen Finanzgerichts benachteiligt der besondere Steuersatz von 25 % für Kapitaleinkünfte die Bezieher:innen anderer Einkünfte, für die die Einkommensteuer bis zu 45 % beträgt, und stellt somit eine Ungleichbehandlung dar. Die vom Gesetzgeber genannten Rechtfertigungsgründe für diese Ungleichbehandlung genügten den verfassungsrechtlichen Anforderungen nicht. Insbesondere diene die Abgeltungsteuer heute nicht mehr der Bekämpfung der Steuerhinterziehung. Hierfür stünden der Finanzverwaltung inzwischen deutlich bessere Instrumente zur Verfügung als noch im Jahr 2009. Auch trage die Abgeltungsteuer nicht zu einer Vereinfachung des Besteuerungsverfahrens bei. Aus diesen Gründen holt das Finanzgericht eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zu der Frage der Verfassungsmäßigkeit der Abgeltungsteuer ein.

Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts bleibt abzuwarten

Bis zu einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts können einige Jahre vergehen. Würde die Abgeltungsteuer tatsächlich als verfassungswidrig eingestuft, dürfte dies eine groß angelegte Steuerreform nach sich ziehen. Denn zur Wahrheit gehört auch, dass der geringere Abgeltungsteuersatz teilweise – etwa bei Dividenden – die steuerliche Vorbelastung auf Ebene der ausschüttenden Kapitalgesellschaft berücksichtigt. Ob eine Abschaffung der Abgeltungsteuer auch eine Rückkehr zum Halbeinkünfteverfahren bedeuten würde, bleibt abzuwarten.

Stefan Hamacher, LL.M.

Steuerberater, Fachberater für Internationales Steuerrecht

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Oliver Lohmar, LL.M.

Steuerberater

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