Aktuelles zur Verlustverrechnung bei Kapitaleinkünften
Hintergrund
In den vergangenen Jahren hat die Verlustverrechnung von Kapitaleinkünften zahlreiche Änderungen erfahren (siehe Beiträge vom 2.11.2018, 12.12.2019 und 20.1.2020). Aktuell war die Vorschrift zur Verlustverrechnung aus Aktiengeschäften, nach der Verluste aus der Veräußerung von Aktien nur mit Gewinnen aus der Veräußerung von Aktien verrechnet werden können, Gegenstand einer Entscheidung des Bundesfinanzhofs.
Daneben wurde kürzlich von der Finanzverwaltung ein neues BMF-Schreiben veröffentlicht. Hierin nimmt die Finanzverwaltung erstmals zu den neu eingeführten Verlustverrechnungsbeschränkungen wertloser Forderungen und von Wertpapieren sowie Termingeschäften Stellung.
Bundesfinanzhof hält Verlustverrechnungsbeschränkung bei Aktien für verfassungswidrig
Der Bundesfinanzhof hatte über den Fall eines Klägers zu entscheiden, der neben freiberuflichen Einkünften und positiven Einkünften aus Kapitalvermögen auch Verluste aus der Veräußerung von Aktien erzielt hatte. Entsprechend der geltenden Vorschrift behandelte das Finanzamt diese Verluste aus der Veräußerung der Aktien als nicht ausgleichsfähig. Stattdessen seien diese Verluste nur mit (künftigen) Gewinnen aus der Veräußerung von Aktien verrechenbar. Die Verrechnung mit den übrigen positiven Einkünften, auch den positiven Einkünften aus Kapitalvermögen, sei nicht vorgesehen.
Dieses Ergebnis ist nach der Auffassung des Bundesfinanzhofs nicht mit dem Grundgesetz vereinbar. Das Recht auf Gleichbehandlung sei durch die Einschränkung der Verlustverrechnung aus Aktienverkäufen verletzt. Von dem Grundsatz der Besteuerung nach persönlicher Leistungsfähigkeit sei ohne sachlichen Grund abgewichen worden. Nun muss das Bundesverfassungsgericht darüber entscheiden, ob der Gesetzgeber die Verrechnung mit Verlusten aus Aktienverkäufen mit sonstigen Kapitaleinkünften zulassen muss.
Bedeutung der Entscheidung
Es ist zu erwarten, dass die nun ausstehende Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts nicht nur für die Verrechnung von Aktienverlusten, sondern auch für die übrigen Beschränkungen der Verlustverrechnung (z.B. Beschränkung auf 20.000 € pro Jahr und weitere Verlustverrechnungskreise, wie etwa für Termingeschäfte) wegweisend sein wird. Allerdings dauern steuerrechtliche Verfahren vor dem Bundesverfassungsgericht verhältnismäßig lange, sodass hier nicht mit einer baldigen Entscheidung zu rechnen ist.
Wer Verluste aus Kapitalvermögen erzielt hat, sollte entsprechende Steuerbescheide und den Verweis auf die ausstehende Entscheidung offenhalten. Für zukünftige Veranlagungen ist damit zu rechnen, dass diese Einkünfte nur vorläufig festgesetzt werden, sodass ein Einspruch entbehrlich wird.
BMF-Schreiben zu neuen Verlustverrechnungsbeschränkungen
Das BMF hat sich ferner erstmals zur steuerlichen Behandlung von Termingeschäften und zur Einordnung von Zertifikaten geäußert. Bislang war unklar, welche Finanzprodukte als Termingeschäfte gelten und damit in den Anwendungsbereich der neu eingeführten Abzugsbeschränkung fallen.
Das BMF stellt klar, dass Optionsscheine und Zertifikate als Kapitalforderungen und nicht als Termingeschäfte gelten. Ein Verlust aus Geschäften mit diesen Finanzprodukten ist daher mit übrigen positiven Einkünften aus Kapitalvermögen verrechenbar. Die Verrechnung ist aber weiterhin auf 20.000 € pro Jahr limitiert, wenn diese Produkte wertlos ausgebucht werden (z.B. Knock-out-Zertifikate).
Klargestellt wurde auch, dass Optionsgeschäfte, Futures und sogenannte CFDs (Contract for Differences) als Termingeschäfte zählen. Für sie gilt daher seit dem 1.1.2021, dass Verluste nur mit Gewinnen aus diesen Geschäften verrechnet werden können. Darüber hinaus greift die Einschränkung, dass Verluste nur bis zu einer Höhe von 20.000 € pro Jahr mit positiven Einkünften verrechenbar sind.
Weiterhin stellt das BMF nun auch klar, das uneinbringliche Kapitalforderungen zu einem anzuerkennenden Veräußerungsverlust führen. Der Verlust ist mit übrigen positiven Einkünften aus Kapitalvermögen bis zu einer Höhe von 20.000 € pro Jahr verrechenbar.
Fazit
Die Einordnung durch das BMF ist zu begrüßen; sie beseitigt zumindest für die Anleger von Optionsscheinen und Zertifikaten die bislang bestehende rechtliche Unsicherheit. Das Urteil des Bundesverfassungsgerichts bleibt mit Spannung abzuwarten. Eine Feststellung der Verfassungswidrigkeit der in Rede stehenden Vorschrift könnte auch weitreichende Folgen für die Verlustbehandlung von anderen Finanzprodukten haben.
BFH v. 17.11.2020, VIII R 11/18; BMF v. 03.06.2021 - IV C 1 -S 2252/19/10003 :002