Bundesfinanzministerium: Berücksichtigung von Verlusten aus Gesellschafterdarlehen
Normspezifischer Begriff der nachträglichen Anschaffungskosten
Nach dem im Zuge des Jahressteuergesetzes 2019 eingeführten § 17 Abs. 2a EStG gehören zu den nachträglichen Anschaffungskosten einer Beteiligung insbesondere offene oder verdeckte Einlagen und Darlehensverluste, soweit die Gewährung oder das Stehenlassen des Darlehens in der Krise der Gesellschaft gesellschaftsrechtlich veranlasst war. Unter denselben Voraussetzungen gehören auch Ausfälle von Bürgschaftsregressforderungen und vergleichbare Forderungen dazu. Damit wurde für den Bereich des § 17 EStG erstmals gesetzlich geregelt, welche Aufwendungen des Gesellschafters aus Finanzierungen und Finanzierungshilfen zu nachträglichen Anschaffungskosten führen. Nachträgliche Anschaffungskosten sind im Falle der Veräußerung einer qualifizierten Beteiligung im Umfang von 60 % abzugsfähig und vermindern somit einen Gewinn bzw. erhöhen einen Veräußerungsverlust.
Bundesfinanzministerium klärt Einzelfragen
In der Praxis bestand in der Folge rechtliche Unsicherheit zu der Frage, wann der Verlust aus Gesellschafterdarlehen gesellschaftsrechtlich veranlasst ist und in welcher Höhe dieser zu nachträglichen Anschaffungskosten führt. Zudem kam es – durch die Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs vorangetrieben – zu Abgrenzungsschwierigkeiten mit den Einkünften aus Kapitalvermögen (vgl. etwa Blogbeitrag vom 12.12.2019).
Hierzu hat das Bundesfinanzministerium nun in einem Anwendungsschreiben vom 7.6.2022 Stellung genommen.
Krisendarlehen, krisenbestimmte Darlehen, Finanzplandarlehen, stehengelassene Darlehen
Die Finanzverwaltung unterscheidet zwischen Krisendarlehen, krisenbestimmten Darlehen, Finanzplandarlehen und stehengelassenen Darlehen. Zunächst führt das Bundesfinanzministerium aus, dass allein die Vereinbarung eines Gesellschafterdarlehens zu nicht marktüblichen Bedingungen (z.B. zinsloses Darlehen) noch nicht zur Annahme einer gesellschaftsrechtlichen Veranlassung führe.
Bei Krisendarlehen und stehengelassenen Darlehen sei vielmehr zu prüfen, ob ein Dritter der Gesellschaft das Darlehen zu denselben Bedingungen wie der Gesellschafter gewährt oder weitergewährt hätte. Bei sogenannten krisenbestimmten Darlehen und Finanzplandarlehen sei unabhängig von einer tatsächlichen Krise stets von einer gesellschaftsrechtlichen Veranlassung auszugehen.
Der Höhe nach führen Verluste aus Krisendarlehen, krisenbestimmten Darlehen und Finanzplandarlehen jeweils in Höhe des Nennwerts des Darlehens zu nachträglichen Anschaffungskosten. Demgegenüber führt bei stehengelassenen Darlehen nur der im Zeitpunkt des Eintritts der Krise werthaltige Teil zu nachträglichen Anschaffungskosten. Der nicht mehr werthaltige Teil ist hingegen grundsätzlich als Verlust bei den Einkünften aus Kapitalvermögen berücksichtigungsfähig.
Im Falle des Verzichts führt nur der im Zeitpunkt des Eintritts der Krise werthaltige Teil des stehengelassenen Darlehens zu nachträglichen Anschaffungskosten (verdeckte Einlage). Der im Zeitpunkt des Verzichts nicht mehr werthaltige Teil stellt einen Darlehensverlust im Sinne von § 17 Absatz 2a Satz 3 Nummer 2 EStG dar. Der Verzicht auf den bereits im Zeitpunkt des Eintritts der Krise nicht mehr werthaltigen Teil des stehen gelassenen Darlehens ist nur im Rahmen der Einkünfte aus Kapitalvermögen unter den dortigen Voraussetzungen zu berücksichtigen.
Die vorstehenden Grundsätze sollen für Bürgschaftsregress- und vergleichbare Forderungen entsprechend gelten.
Berücksichtigung von Verlusten bei den Einkünften aus Kapitalvermögen
Weiterhin geht die Finanzverwaltung auf die für die Verlustberücksichtigung bei den Einkünften aus Kapitalvermögen erforderliche Einkunftserzielungsabsicht und den Zeitpunkt des Eintritts der Uneinbringlichkeit einer Darlehensforderung ein. Ferner nimmt das Bundesfinanzministerium Stellung zu der ebenfalls neu eingeführten Begrenzung der Verlustverrechnung in einigen Fallgruppen.
Anwendung grundsätzlich in allen offenen Fällen
Das Schreiben ist grundsätzlich in allen offenen Fällen anwendbar. Für Veräußerungen von Anteilen, die bis zum 31.7.2019 stattgefunden haben, setzt die Anwendung von § 17 Abs. 2a EStG einen Antrag voraus. Der Zeitpunkt der Darlehensgewährung oder des Darlehenserwerbs ist dabei unmaßgeblich. Es kommt ausschließlich auf den Zeitpunkt des Übergangs des zivilrechtlichen/wirtschaftlichen Eigentums an den Anteilen an der Kapitalgesellschaft an.
Praxishinweis
Die Bestimmungen rund um die steuerliche Berücksichtigung von Verlusten aus Gesellschafterdarlehen sind komplex und das BMF-Schreiben trägt nicht unbedingt zu einer Verringerung dieser Komplexität bei. Die steuerlichen Auswirkungen von Darlehensverlusten und ähnlichen Finanzierungshilfen sind daher stets im Detail zu prüfen. Im Ergebnis kehrt die Finanzverwaltung mit dem BMF-Schreiben in weiten Teilen zu der Rechtslage vor dem Gesetz zur Modernisierung des GmbH-Rechts und zur Bekämpfung von Missbräuchen (MoMiG) und damit zu seinem BMF-Schreiben vom 21.10.2010 zurück.